Die schlimmsten Befürchtungen übertroffen
Am 24. April öffnete das Deutsche Marinemuseum seine Pforten
(hk/ft) Der Eröffnungstag des Deutschen Marinemuseums: Alles war so schön geplant und organisiert – nur der Himmel weinte bitterlich. Das Marinemusikkorps Nordsee spielte, August Desenz orgelte und die Sparkasse verteilte Schlüsselanhänger mit dem Emblem des Marinemuseums. Die Macher des Museums und die Marine feierten sich selbst bei gezapftem Bier und Fleischbällchen. Die Presse lobte das Millionenprojekt als ‚maritime Attraktion‘. 150 Jahre Marine werden in über 1.000 Exponaten dargestellt. Die Ausstellung erinnert eher an eine Militärverherrlichung als an eine objektive Betrachtung dieser 150 Jahre. Modellschiffe sind zu sehen, hauptsächlich, aber auch Uniformen, Flaggen und Torpedos.
Das Außengelände gleicht einem ‘Erlebnispark Bundeswehr’: U-Boot, Minenjagdboot, Raketenwerfer, Seeminen. Alles zum Anfassen und zum Faszinieren. Ein Denkmal für die Helden, die in Afrika starben, steht dort auch – doch eine Tafel oder Ähnliches, auf der Stellung zu diesem dunklen Kapitel (hierzu: Gegenwind 144) der Marine genommen wird, sucht der interessierte Besucher vergeblich. Da passte es auch in dieses Konzept, dass die Buchhandlung Lohse-Eissing ein Reprint des „Gedenkblattes an die Einweihung des ersten deutschen Kriegshafens an der Jade durch seine Majestät König Wilhelm I.“ überreichte. ‚Mit freundlichen Grüßen‘ zur Eröffnung.
Unmut der Bevölkerung gab es auf der anderen Seite des massiven Museumszaunes: Einige WilhelmshavenerInnen waren sauer, dass sie am Eröffnungstag nicht hinein durften. Eine kleine Gruppe von Museumsgegnern formierte sich vor dem von der Polizei gesicherten Tor mit Spruchbändern und Holzkreuzen. Das geladene Premierenpublikum reagierte in altbekannter Art : „Die sollen doch lieber arbeiten gehen!“, „Ohne Waffen geht es nun mal nicht, das hat doch die Geschichte gezeigt“, bis zum „Scheiß-Kommunisten“ reichte die Argumentation der geladenen Gäste.
Organisiert wurde die Demonstration vom Militärhistorischen Arbeitskreis Wilhelmshaven (MAW). Der MAW begleitet seit einigen Jahren kritisch die Entstehung des Marinemuseums. Wir veröffentlichten Artikel des MAW zu den Themen Marine und Kolonialismus und zum Sinn des Marinemuseums.
Marine hat viel mit Tod und Sterben zu tun. In der Nacht vom 23. auf den 24.4. wurden unter die neuen Hinweisschilder ‚Deutsches Marinemuseum‘ und vor die Garnisonskirche weiße Holzkreuze montiert.
Gespräch mit Johann Janssen vom Militärhistorischen Arbeitskreis
Gegenwind: Das ‚Deutsche Marinemuseum‘ ist jetzt dem Publikum zugänglich. Der MAW hat deutlich Stellung gegen dieses Museum bezogen. Was habt ihr anlässlich der Eröffnung gemacht?
Johann Janßen: Für den Freitag hatten wir eine Demonstration vor dem Museum angemeldet. 15 bis zeitweise 20 junge Leute hielten dort Transparente und verteilten Flugblätter. Mit Trillerpfeifen und flotten Sprüchen, oft recht witzig, z.B. ‚Streifen-Junkie‘, wenn ein schneidiger Offizier gestelzt daherkam oder wütender „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt“ hielten sie sich bei Laune und blieben bis etwa 15.30 Uhr dort.
Nachdem der Haufen kleiner geworden war, kam Herr Menzel sogar zu ihnen rüber und versuchte zu diskutieren: „Wenn wir wüssten, was er dort drinnen Kritisches gesagt hätte“ und er sei kein Nazi, was nach meiner Recherche auch niemand von uns behauptet hatte.
Eine doch recht kleine Demo. War das der Widerstand gegen das Marinemuseum?
Johann Janßen: Am Samstag waren noch einige Leute aus Oldenburg und Emden dazu gekommen. Obwohl wir nur Flugblätter verteilten und sonst recht lieb waren, diesmal aber direkt vor dem Museum und ohne Genehmigung, wurden wir nicht hineingelassen. Der Wächter vom Museum gab nur die Begründung: „Sie waren doch gestern bei den Demonstranten und wir haben hier das Hausrecht.“
Die üblichen 3 bis 4 zivilen Polizisten und eine Streifenwagenbesatzung standen vor dem Eingang und halfen dem Pförtner, uns fern zu halten. Als eine Frau aus Emden Herrn Konsul Meyer becirct hatte, doch noch einmal hinein zu dürfen, wollte sie mich mitnehmen; Herr Konsul winkte ab: „Mit dem nicht.“ Es fing an zu regnen, wir machten ein Picknick auf der Treppe davor und gingen dann.
Du warst also noch gar nicht im Museum?
Johann Janßen: Am Sonntag bin ich dann hineingekommen und hab‘ mir alles sehr genau angesehen. Ich will nicht auf Details eingehen, mein Eindruck ist der: Alles schön ordentlich und fleißig gemacht. Hinterher kann man denken: Deutschland brauchte immer eine Marine: Um Kolonien zu erobern, um gegen Aufständische zu kämpfen, um Schiffe zu versenken. Ein Kaiserpanorama zeigt Insulaner von Samoa und Marineoffiziere, die auf Deck Schach spielen.
Die Bundesmarine und die DDR-Marine werden kurz abgehandelt, auch der Matrosenaufstand 1918. Welche Interessen und Kämpfe damals ausgefochten wurden, kann man nicht lesen. Kein deutliches Wort zum Boxerkrieg (Kaiser Wilhelm II. in seiner Hunnenrede, in der er die Soldaten aufforderte, in China solchen Eindruck zu hinter- lassen, wie ihn die Hunnen einst in Europa hinterlassen haben: „Pardon wird nicht gegeben“), zu den Kolonialkriegen (Herero-Vernichtung), zu Transporten von Juden aus Libau oder zum Gehorsam gegenüber dem Befehl von Dönitz (1941): „Gefangene werden nicht gemacht.“ Kein Wort zu den Todesurteilen an Deserteuren, zu den Marinerichtern, zur LUSITANIA (LUSITANIA, das britische Dampfschiff wurde im 1. Weltkrieg (7.5.1915) ohne Vorwarnung an der Südküste Irlands von einem U-Boot torpediert. Das Schiff sank innerhalb von 20 Minuten. 1.198 Menschen kamen ums Leben. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg auch gegen Handels- und Passagierschiffe führte zur Kriegserklärung der USA gegen Deutschland.). Kein Wort zu einer möglichen demokratischen Marine im Gegensatz zur kaiserlichen oder hitlerschen. Alle Marinen waren auf dem Meer zu Hause und wurden gebraucht, vom Kaiser, von Adolf, von Ulbricht und von Adenauer. Ein Geschichtsbild, das sich an Personen und vom Himmel gefallenen Ereignissen festhält: Gefährlich für Kinder und Jugendliche.
Wie ist dein Eindruck über Wirksamkeit und Zielsetzung des Museums?
Johann Janßen: In der Technik eines Hobbybastleridioten aus dem Arsenal sitzt ein kleines Kuscheltier und schaut den Besucher an. Wie niedlich. Die Väter erzählen ihren Kindern, auf welchen Schiffen sie gefahren sind und was ein Torpedo ist. Draußen liegt eines mit einem gemalten Haifischmaul, Kinder reiten drauf. Neben dem Gedenkstein für die Toten der Kolonialkriege steht ein russischer Raketenwerfer von einem DDR-Boot. Sehr genau die einzelnen Schiffstypen in Modellen; genau eine Aufstellung der Totenzahl nach der Skagerrak-Schlacht, die ausweist, dass mehr Engländer als Deutsche gestorben sind. Säuberlich getrennt nach Admiralen, Offizieren, U-Offizieren, Mannschaften, zivilen Personen, Ingenieuren usw. Ein Schwachsinn! Für Neugierige dann Buchheim-Bücher. Ein Museum der Verharmlosung! Kein pädagogischer Auftrag ist zu erkennen, außer dem vielleicht, alles glatt zu bügeln und die Kontinuität aller Marinen von 1848 bis 1998 zu behaupten. Seefahrt ist Not!
Wird das Museum Bestand haben oder wird der Alltag auch aus diesem Museum einen Zuschussbetrieb ohne Boden machen?
Johann Janßen: Die Rechnung von Meyer & Co wird aufgehen: Viele Leute werden kommen; das Museum wird verbessert und vergrößert werden. Alle Marinen der Welt dürfen außerhalb der Hoheitsgewässer herumschippern; im Krieg kann man dann schon mal im Kanal oder vor Argentinien absaufen. Normal.
Fazit: Scheiße, dumm gelaufen – Friedensbewegung, wo seid ihr Schläfer? Widerstand und Wut nur von den Punks! Das sollte mal deutlich gesagt werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
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