Totgesagte leben länger
Aug 292014
 

Der Gegenwind ist wieder da - jedenfalls erstmal digital

Vor zwei Jahren mussten wir die Druckausgabe des Gegenwind vorläufig auf Eis legen. Es fehlte nicht an Geld, erst recht nicht an Themen, sondern schlichtweg an Personal.

Langjährige Redaktionsmitglieder haben aus beruflichen oder familiären Gründen die Stadt verlassen. Drei sind verstorben. Recherchieren, Termine wahrnehmen, schreiben, redigieren, layouten, Druck organisieren, verteilen, Finanzierung sichern – das war auf Dauer ehrenamtlich von der verbliebenen Kernreaktion nicht zu leisten. Natürlich gab es weiterhin die Internetseite, aber die war technisch etwas in die Jahre gekommen. Pflege und Posting blieben an einer Person kleben, und so nahm die Frequenz neuer Beiträge zusehends ab.

Nicht jedoch die Menge und Brisanz der Themen, die in unserer Stadt eine unabhängige Stimme brauchen. Die Lage und die Stimmung ist seit dem politischen Wechsel, nach der Kommunalwahl Ende 2011, nicht besser geworden. Zunehmend haben Wilhelmshavener|innen den Eindruck, dass alles, was sie an dieser Stadt lieben, was Identität und Lebensqualität ausmacht, an ihnen vorbei mit dem Allerwertesten eingerissen wird. Und der Ruf nach dem Gegenwind wird immer lauter, auch aus Ecken und von Leuten, von denen man nicht erwartet hätte, dass sie diese überparteiliche, aber freilich links orientierte Publikation vermissen würden.

Der harte Kern unserer Redaktion hat den inneren Antrieb, sich einzumischen, nie verloren. Die zunehmenden Fragen und Bitten, den Gegenwind wieder pusten zu lassen, sind natürlich motivierend. Doch manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit. Der Unmut muss so stark werden, bis einige Leute nicht nur fordern ‚ihr müsst weitermachen‘, sondern selbst bereit sind, mitzumachen.

Und so erschien vor einiger Zeit eine gute Fee und sprach: Ich baue eine neue Website, die alle Eure Wünsche erfüllt. Hernach verschwand sie wochenlang in ihrer digitalen Feenstube. Und als sie wieder auftauchte, zeigte sich, wie hier unschwer zu erkennen ist, dass sie wirklich zaubern kann. Diese Website sieht aus wie die alte, schlicht, schnörkellos, es zählen die Inhalte. Doch dahinter verbirgt sich eine Turbotechnik nach neuesten Webstandards, die es unter anderem ermöglicht, dass mehrere Redakteure zu jeder Zeit von jedem Ort aktuelle Beiträge hinzufügen und bearbeiten können.

Es ist noch eine Menge Fleißarbeit, bis Tausende archivierte Beiträge von der alten Seite importiert sind. Unser Archiv, das ist die kritische Chronik Wilhelmshavens seit Ende der 70er Jahre und es soll auch in Zukunft kostenlos zur Verfügung stehen. Dafür bitten wir um etwas Geduld (wir warten auf die langen Winterabende) und auch um Nachsicht für Kinderkrankheiten, die unserer neuen Website wahrscheinlich nicht erspart bleiben (konstruktive Fehlermeldungen sind willkommen). Wir hätten noch monatelang weiterbasteln können bis zur Perfektion, doch wichtiger war uns, endlich wieder für Sie und Euch publizieren zu können.

Eine technisch flotte neue Website ist noch keine Rückkehr zur Druckausgabe, nach der selbst Leute verlangen, die ständig im Web unterwegs sind. Es ist etwas anderes, sagen sie, das druckfrisch riechende Heft in der Hand zu halten, das sie in ihrem Kiosk oder Stammlokal vorfinden, es zu lesen und mit anderen darüber ins Gespräch zu kommen. Schauen wir mal, wieviel Schwung die digitale Frischzellenkur mit sich bringt, ob aus dem Baum, der seit über 35 Jahren unseren Titel schmückt, irgendwann auch wieder bedruckte Blätter wehen. Doch das geht nur, wenn mehr als eine Handvoll Leute bereit sind, aktiv ihren Beitrag zu leisten: Reden ist Silber, Schreiben ist Gold.

Anregungen, Lob und Tadel, Leser|innenbriefe, Pressemitteilungen, Veranstaltungshinweise, schicke Fotos und weitere Beiträge bitte an kontakt (at) gegenwind-whv.de
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