Wohlstands“müll“
Dez 152010
 

Ritter der Tafel-Runde

Wer kennt sie nicht, die Drahtkörbe hinter Supermarktkassen, in die Tierfreunde im Laden gekaufte Futtermittel als Spende fürs Tierheim werfen dürfen? In einem Wilhelmshavener Supermarkt haben wir jetzt so einen Spendenkorb für Hartz-IV-Empfänger entdeckt. “Für die Wilhelmshavener Tafel”. Toll, oder?
“Mehr als die Hälfte unserer Lebensmittel, das belegen internationale Studien, landet im Müll: krumme Gurken, zu dicke Kartoffeln, Waren, die in zwei Tagen das Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen“, so ein Beitrag der kürzlich gelaufenen ARD-Themenwoche “Essen ist Leben“. Über die gesamte Öffnungszeit – heutzutage oft bis 24 Uhr – soll die Kundschaft das gesamte Sortiment vorfinden. Steht der Lieblingsjoghurt nicht mehr im Regal, könnte der Kunde ja zur Konkurrenz laufen. Lieber schmeißt man den Überschuss weg, sicherheitshalber schon vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums.
Unterdessen reicht das Angebot der “Tafeln” für die wachsende Zahl Bedürftiger in unserer Wohlstandsgesellschaft nicht mehr aus. Viele haben sich deshalb aufs “Containern” spezialisiert: Sie krabbeln in die Müllbehälter hinterm Supermarkt und fischen Genießbares heraus, vom knackigen Salat mit nur einem welken Blatt bis zum verpackten, noch haltbaren Käse. Offiziell ist das verboten, weil die Abfälle juristisch betrachtet noch dem Laden oder bereits dem Entsorgungsbetrieb gehören, oder weil das Betreten des Grundstücks Hausfriedensbruch ist. So gab es sogar schon Verhaftungen, weil jemand “Müll” gestohlen hat.
Warum nicht diesen genießbaren Wohlstands”müll” direkt, noch sauber und sortenrein, an Bedürftige geben? In den Niederlanden gibt es eine Supermarktkette, die verschenkt alle Produkte, die maximal zwei Tage vor Ablauf sind. Im gewissen Umfang gibt es auch bei uns Direktspenden aus der Lebensmittelbranche an die “Tafeln”. Doch im eingangs erwähnten Supermarkt möchte man lieber noch Profit aus Bedürftigkeit und der damit verbundenen Spendenbereitschaft schlagen: Die Wohlstandbürger sollen alles zum Normalpreis kaufen und dann in die Spendenkiste werfen – je nach Geschmack für Tierheim oder Tafel.

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