Kohlekraftwerke
Mrz 202013
 

Resolution der Ostfriesischen Inseln gegen neue Kohlekraftwerke

Die Ostfriesischen Inseln

Resolution zur Erhaltung, Sicherung der Reinluftgebiete und zum Klimaschutz

Nein zu Inbetriebnahmen von Kohlekraftwerken in Eemshaven /NL und Wilhelmshaven /D

Das deutsche Wattenmeer ist zusammen mit dem niederländischen Wattenmeer seit dem 26. Juni 2009 Weltnaturerbe der UNESCO. Sechs weitere Schutzkategorien verdeutlichen die international herausragende Bedeutung des Wattenmeers in Niedersachsen

  • als Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer seit 1986,
  • als Gebiet nach Ramsar-Konvention (international bedeutsames Feuchtgebiet) seit 1976,
  • als UNESCO-Biosphärenreservat seit 1993,
  • als Natura 2000-Areal: FFH-Gebiet DE2306-301 „Nationalpark Nieder-sächsisches Wattenmeer“ und EU-Vogelschutzgebiet DE2210-401 „Niedersächsisches Wattenmeer und angrenzendes Küstenmeer“,
  • als Bestandteil der Emission Control Area (ECA) Nordsee seit 2007,
  • als Bestandteil der trilateralen Particularly Sensitive Sea Area (PSSA) seit 2002.

Trotz aller internationaler Vereinbarungen und aller Programme und öffentlichen Erklärungen nehmen die Bedrohungen durch Projekte insbesondere der Energiewirtschaft nicht ab.

Allerdings konnten seit der Resolution im Jahre 2008 Projekte verhindert werden, andere wurden aufgegeben oder in umweltverträglichere umgewandelt.

In Eemshaven werden zwei Kohlekraftwerke nicht mehr gebaut, davon wird ein Kraftwerk in ein Gaskraftwerk umgewandelt. Ein Flüssiggasterminal wird nicht verwirklicht und die Vorratslagerung von Erdöl ist erheblich verringert worden, so dass der Ausbau der Emsfahrrinne dafür nicht mehr erforderlich wird und die Transporte sich erheblich verringern werden.

Im Bau ist aber noch das RWE (Essent) – Kohlekraftwerk. Gegen die Inbetriebnahme hat sich ein großer öffentlicher Widerstand formiert.

In Emden wird das Dong Kohlekraftwerk nicht gebaut, ebenso entfallen die Planungen für ein Kohlekraftwerk in Dörpen (Emsland).

In Wilhelmshaven wird ein zweiter Kraftwerksblock („Kraftwerk 50+“) als Erweiterung des bestehenden Kohlekraftwerkes nicht gebaut. Am 14. April 2010 wurde diese Entscheidung von E.ON bekannt gegeben. Allerdings befindet sich ein Kohlekraftwerk von GDF-Suez Tochter Electrabel im Bau.

Die Beteiligung der Ostfriesischen Inseln an den Genehmigungsverfahren und an den in- und ausländischen Gerichtsverfahren haben Wirkung gezeigt.

Wesentlich weniger Projekte als geplant stehen vor der Realisierung und die Hoffnung, dass auch diese Projekte nicht in Betrieb gehen, ist noch gegeben. Bis heute wurde kein Kohlekraftwerk in Betrieb genommen und es liegt auch keine Genehmigung für die Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne der Außenems vor.

Für die Ostfriesischen Inseln wird in der Kontinuität der Resolution von 2008 noch einmal betont:

„Die Ostfriesischen Inseln liegen in einem Reinluftgebiet im Übergangsbereich zwischen Wattenmeer und Nordsee. Das Leben der Inselbewohner ist seit jeher von der Abhängigkeit und Verantwortung gegenüber diesem Lebensraum bestimmt. Die einzige Existenz- und Arbeitsgrundlage der Inselbewohner besteht im nachhaltig ausgeübten Fremdenverkehr. Die Basis für den Erwerbszweig „Fremdenverkehr“ bilden neben meeresklimatischen Bedingungen, saubere Luft, sauberes Wasser und eine intakte Umwelt. Die Insulaner können ohne diese Güter nicht existieren. Diese Abhängigkeit besteht heute mehr denn je.“

(Resolution 2008)

Und weiter

„Die Ostfriesischen Inseln haben überregionale Bedeutung für die Volksgesundheit. Sie sind Standorte von privaten und öffentlich-rechtlichen Kurkliniken, deren Schwerpunkte die Behandlung von Haut- und Atemwegserkrankungen sind. Grund der Erkrankungen sind häufig die schlechten Luftverhältnisse in den Ballungsgebieten. Durch zahlreiche neue Emissionen wären nun sowohl die verbliebenen Reinluftgebiete als auch die Standorte der insularen Kliniken gefährdet.“

Die Inseln besitzen das Prädikat der Kurorte, für das hohe Anforderungen an die Luftqualität gestellt werden. Diese Prädikatisierung bildet zugleich die notwendige Voraussetzung für die Erhebung der Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge, die die wesentliche Refinanzierungsbasis zur Aufrechterhaltung und zum infrastrukturellen Ausbau der lokalen Kurbetriebe sind.

Da die Schadstoffeinträge keine Schutzgebietsgrenzen kennen, da die Nährstoffeinträge zu einer Veränderung der nährstoffarmen Insel- und insbesondere Dünenlandschaft führen kann, da die Schadstoffe, insbesondere Dioxine und Schwermetalle sich in den Organismen anreichern und biologisch nicht abgebaut werden können, fordern die Ostfriesischen Inseln das Land Niedersachsen und die Provinzregierung Groningen auf,

  • die Inbetriebnahme von neuen Kohlekraftwerken nicht zuzulassen,
  • an die Verantwortung der Energieunternehmen, die Kohlekraftwerke in Betrieb nehmen wollen, zu appellieren, ihre Projekte so umzugestalten, dass diese zu einer umweltverträglicheren Energiegewinnung führen, wie es beispielsweise bei den neu entstehenden Gaskraftwerken sein wird,
  • den Ostfriesischen Inseln bei der Abwehr schädlicher Industrieansied-lung im Grenzraum behilflich zu sein, insbesondere die Zustimmung für eine weitere Vertiefung der Außenems zu versagen,
  • zum Schutz der Natur und Umwelt der Ostfriesischen Inseln dafür Sorge zu tragen, dass die deutschen Fachbehörden und Umweltverbände an der Beurteilung für die Auswirkungen beteiligt werden, wenn Schad-stoffimmissionen in diese Gebiete durch die Inbetriebnahme des Kohle-kraftwerks von RWE eingetragen werden sollen.

Die Inseln fordern zusätzlich,

  • dass alle Ems- und Jadehäfen ausreichend Landanschlüsse für die Stromversorgung der Schiffart bereitstellen,
  • dass das Verbrennen von Schweröl in Ems- und Jadehäfen zur Erzeu-gung von Schiffstrom unterbunden wird,
  • dass sich international alle zuständigen Stellen für ein „Verbrennungs-verbot von Schweröl“ auf Schiffen nachhaltig einsetzen und es nicht mehr zugelassen wird, dass diese Schiffe die Häfen in der Region anlaufen können.

Begründung

Die Ostfriesischen Inseln sahen sich ab 2000 bis 2011 einer Entwicklung ausgesetzt, wodurch in den Niederlanden und auf der Ostfriesischen Halbinsel (einschließlich dem Jade-Raum) große Energieprojekte, insbesondere Gas- und Kohlekraftwerke, zur Energieerzeugung geplant wurden.

Bereits vorher hatte der Ausbau der regenerativen Energien (Windkraft, Photovoltaik und Biogas) zu Veränderungen in der Landschaft geführt, die nicht konfliktfrei zu den Zielen des Tourismus und des Natur- und Landschaftsschutzes von statten gegangen sind. Fand diese Entwicklung noch eine ausreichende Akzeptanz in der Bevölkerung, so wird bei den Plänen für neue Großkraftwerke, und insbesondere der Kohlekraftwerke deutlich, dass in der Bevölkerung die Gefahr gesehen wird, dass durch Natur- und Umweltschäden die Existenz-grundlage den Ostfriesischen Inseln auf Dauer entzogen werden kann.

Es wird festgestellt, dass sich die Kohlekraftwerke wegen ihrer Schadstoffausstöße und wegen ihrer CO²-Erzeugung nicht für das Nordseeklima eignen. Trotz aller Bemühungen in neuere Technologien, Rauchgaswäsche und Einlagerung von CO² mit der CCS (Carbon Capture and Storage) sind Kohlekraftwerke für eine umweltfreundliche Energieerzeugung nicht geeignet. Die Ostfriesischen Inseln haben sich in einer Resolution gegen die bisher völlig unausgereifte und aus ihrer Sicht auch gefährliche Technologie der Einlagerung von CO² (CCS) ausgesprochen.

Dioxine und Schwermetalle, hier insbesondere das hochgiftige Quecksilber – aber auch Nickel, Blei und Cadmium – werden beim Betrieb eines Kohlekraftwerks freigesetzt und können in der Natur nicht biologisch abgebaut werden. Diese Stoffe reichern sich über die Betriebsdauer von 40 bis 50 Jahren in der Nahrungskette an. Sie gefährden damit Menschen und Tiere.

Schwefeldioxide und Stickoxide beeinflussen nährstoffarme Habitate wie Dünen, Magerrasen, Heiden, Moore und Gewässer oder säureempfindliche Lebensräume wie Wälder, Gewässer und Riffe. Mit der Veränderung der Habitate wird das einzigartige Ökosystem des Wattenmeeres aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Nahrungsflächen von Brut- und Zugvögeln und anderen im Wattenmeer lebenden Tieren können zerstört werden.

Feinstaub- und Chlorverbindungen verursachen Atemwegserkrankungen und das bei der Verbrennung erzeugte CO² schädigt das Klima.

Erfreulicherweise hat sich die Planung von Projekten der Kraftwerksbauer erheblich reduziert. Üblich geblieben sind zwei Kohlekraftwerke in Eemshaven und Wilhelmshaven, die sich im Bau befinden. Noch steht aber deren Inbetriebnahme aus. Rechtsmittelverfahren sind noch anhängig oder möglich. Die Entscheidungen der Energiekonzerne RWE und GDF-Suez sind beeinflussbar, wie es sich bei den Projekten von NUON, Dong und E.ON gezeigt hat.

Insbesondere das Beispiel von NUON in Eemshaven zeigt, dass auch bei den Kraftwerksbetreibern das Problembewusstsein für die in der Region lebenden Menschen zugenommen hat. Mit NUON konnte für die Insel Borkum ein Vertrag ausgehandelt werden, wonach ein zweistufig geplantes Kraftwerk in der ersten Stufe als Gaskraftwerk und in der zweiten Stufe voraussichtlich ebenfalls als Gaskraftwerk statt als Kohle- oder Biomassekraftwerk gebaut wird. NUON hat sich auch für die zweite Ausbaustufe verpflichtet, die Emissionen einzuhalten, die bei einem Gasbetrieb höchstens entstehen dürfen.

Die Ostfriesischen Inseln erheben ihre Forderungen aus einem existenziellen Interesse heraus. Jeder Schaden an Natur und Umwelt führt zu einer Beeinträchtigung des Tourismus und zu einer Gefahr für die Heilbäder mit ihren medizinischen Anwendungen.

Die Ostfriesischen Inseln benötigen eine Klärung durch die Genehmigungsbehörden in den Niederlanden und in Deutschland über

  • die Auswirkungen auf die Reinluftgebiete,
  • die Bezeichnung Nordseeheilbad infolge der diagnostizierten Schadstoff-Emissionen bei der Inbetriebnahme der beiden Kohlekraftwerke,
  • über die Auswirkung auf die Trinkwasserversorgung auf den Inseln (Süßwasserlinsen),
  • über die Veränderung nährstoffarmer/säuresensibler Habitate durch zu-sätzliche Stickstoff- und Schwefeldioxideinträge,
  • über das vermehrte Vorkommen von Gift- und Schaumalgen im Watten-meer in Folge von Nährstoffeinträgen,
  • über die Folgen der Dioxinanreicherung auf die Fischfauna und den Ver-zehr von Fischen,
  • über die erhöhte Kontamination von Weichtieren (Mollusken) im Wat-tenmeer infolge von Schwermetalleinträgen,
  • über die Beeinträchtigung von Zugvögeln und den Folgen ihres Ausbleibens,
  • über die Auswirkungen auf das Brutvogelgeschehen,
  • über die Verstärkung der Gefährdungsfaktoren für Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale als prägende Meeressäugetiere der Region,
  • über den Rückgang von Seegrasbeständen und
  • über die Einleitung von Kühlwasser der Kohlekraftwerke mit einer Temperaturerhöhung des Nordseewassers und dem daraus folgenden Verschwinden von Schwarmfischen.

Die Ostfriesischen Inseln appellieren an die Bundesregierung, die Niedersächsische Landesregierung und an die Fachbehörden, aber auch an die niederländischen Genehmigungsbehörden, Möglichkeiten und Wege zu finden, auf eine Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks der RWE in Eemshaven und des Kohlekraftwerks GDF-Suez in Wilhelmshaven zu verzichten.

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