Militarismus
Mai 192010
 

Verabschiedungsappell in Schortens

Die Renaissance des deutschen Militarismus

(mt) Am 05. Mai wurde in Schortens auf dem Marktplatz vor dem Bürgerhaus das Objektschutzregiment der Luftwaffe Friesland zum Einsatz in Afghanistan verabschiedet.

Es war eine Idee des Schortenser Bürgermeisters, und der Stadtrat hatte einen entsprechenden Beschluss gefasst. Zum ersten Mal fand so eine Verabschiedung öffentlich statt. Man wolle so die Verbundenheit mit den Soldaten zeigen, hieß es vom Bürgermeister Gerhard Böhling.
Der Ratsherr Maik Schauderna (LINKE) kritisierte: Solch ein Appell diene eher dazu, die Akzeptanz für den Afghanistan-Krieg zu erhöhen.
Hunderte Bürger nahmen an dem Verabschiedungsappell teil. Doch es gab nicht nur Zustimmung. Vor dem Marktplatz protestierten Kriegsgegner mit Trillerpeifen, Antikriegsliedern, Peace-Fahnen und einem mahnenden Sarg gegen den Verabschiedungsappell, gegen den Afghanistan-Einsatz und die Bundeswehr an sich.
Der Afghanistan-Einsatz bringe ausschließlich Tod, Leid und Zerstörung und diene nur ökonomischen Interessen. Von solchen Mitteln den Aufbau von Frieden und Demokratie zu erwarten, wäre realitätsfremd, kritisierten die Protestierenden.

Kommentar

Der deutsche Militarismus erlebt eine Renaissance. Er ist wieder in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.

Es erinnert an alte Zeiten: Deutsche Soldaten werden mit großen Ehren zum Kampfe verabschiedet um Lebensraum…. Pardon – Freiheit und Demokratie – am Hindukusch zu verteidigen.
Am 8. Mai jährte sich zum 65. Mal das Ende des 2. Weltkrieges und die Befreiung vom Faschismus. Und doch scheint es, als habe die BRD nicht viel dazu gelernt. Gewalt und Krieg sind wieder zum festen Bestandteil der deutschen Außenpolitik geworden. Unter dem Deckmantel der Sicherung des Friedens, der Demokratie und Einhaltung der Menschenrechte werden kriegerische Einsätze gerechtfertigt.
Doch die Realität ist eine andere. Die Besetzung Afghanistans nützt lediglich einer kleinen Schicht im Land, den Warlords, den Kriegsfürsten. Für den Großteil der Bevölkerung hat sich die soziale Lage seit Beginn des Einsatzes deutlich verschlechtert. 80 % leben unterhalb der Armutsgrenze, 50 % der erwerbsfähigen Afghanen sind arbeitslos. Die Lebenserwartung liegt laut Amnesty-Report bei 42,9 Jahren.
Auch die Lage der Frauen hat sich enorm verschlechtert. In Afghanistan gibt es mit die höchste Müttersterblichkeitsrate der Welt, mit 1.600 Toten auf 100.000 Geburten.
Der afghanische Präsident Hamid Karsai wurde 2001 in der Konferenz auf dem Bonner Petersberg zum obersten Staatsmann ernannt; bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2004/2005 waren Stimmenkauf und Wahlmanipulation an der Tagesordnung. 2009 gewann Karsai nur durch massiven Wahlbetrug die Wahl. Die Demokratie ist nach dem Eingreifen des Westens in Afghanistan nicht eingezogen.
Die zivilen Opfer in diesem Krieg sind enorm. 2009 kamen 2.412 Menschen durch militärische Einsätze ums Leben. Dies ist ein Anstieg um 14% gegenüber 2008.
Angesichts dieser Fakten ist es schwer, den Krieg in Afghanistan und die weiteren Einsätze der Bundeswehr zu rechtfertigen.
Um dennoch die Unterstützung der Bevölkerung zu sichern, versucht die BRD schon seit Jahren, den deutschen Militarismus wieder in die Mitte der Gesellschaft zu tragen, um ihn als festen Bestandteil der deutschen Kultur zu etablieren.
Mit massiven Werbeauftritten an Schulen und Jugendzentren, mit einem neuen modernen Image, welches Sicherheit und eine Perspektive suggerieren soll, versucht die Bundeswehr, junge Menschen an sich zu binden. Öffentliche Verabschiedungen der Soldaten sollen Mitgefühl und Akzeptanz wecken.
Der deutsche Militarismus erlebt eine Renaissance.

Matthias Tiller

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