Aus der Schule geplaudert
Dez 152009
 

 Aus der Schule

Der Bildungsstreik sei von Erfolg gekrönt gewesen, meldeten die Fernsehnachrichten am 10. Dezember. An diesem Tag sagte die Kultusministerkonferenz in Bonn zu, die neuen Studiengänge (Bachelor und Master) kritisch zu revidieren.

Gut, das war und ist eine Forderung der Studierenden, die in großer Zahl beklagen, dass es nichts mit Studieren zu tun hat, wenn man stur auswendig lernen und ununterbrochen Tests schreiben muss. Doch der Bildungsstreik ist deshalb noch keineswegs zu Ende, und längst nicht alles, was SchülerInnen und StudentInnen fordern, ist damit erfüllt. Über die Studiengebühren, die sechs von sechzehn Bundesländern in den letzten Jahren eingeführt haben, ist in den letzten Wochen häufig in den Medien berichtet worden – meistens mit der Tendenz, dass sie die jungen Menschen ja gar nicht – wie befürchtet – vom Studium abhalten, sondern dass – Überraschung!!! – AbiturientInnen sogar gerade an die Universitäten der Bundesländer drängen, in denen das Studieren jetzt Geld kostet. Stimmt das? In Niedersachsen hat die Zahl der StudienanfängerInnen tatsächlich zugenommen. Das scheint die o.g. Behauptung zu bestätigen. Aber: Die Zahl derer, die sich an einer Hochschule einschreiben, ist nicht so stark gestiegen wie Zahl derer, die das Abitur ablegen. Aha! Es werden also doch viele AbiturientInnen vom Studium abgehalten, und dass die Studiengebühren hier eine Rolle spielen, darf man getrost annehmen, auch wenn es bislang noch keine zuverlässigen Erhebungen zu dieser Frage gibt.

Ab Herbst 2010 will die Bundesregierung das Bafög anheben. Das ist schon lange fällig, denn Studierende leben, wenn sie keine anderen Geldquellen haben, unter dem Existenzminimum. Der Forderung nach einer kostenfreien lebenslangen Bildung kommt jedoch auch die Bafög-Erhöhung nicht entgegen, denn diese Förderung wird bekanntlich als Darlehen vergeben, und angesichts dessen, dass auch ein akademischer Abschluss keine Garantie für einen guten Job darstellt, überlegen sich halt doch viele, ob sie mit Mitte zwanzig mit einem fünfstelligen Schuldenberg dastehen wollen. Das Stipendium für die besten 10 % der StudentInnen (Plan der schwarz-gelben Koalition) ist eine Unverschämtheit. Diejenigen, die während des Studiums für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, haben die geringsten Chancen darauf, hätten es aber am nötigsten.
BildungsstreikAuch in Wilhelmshaven gab es Veranstaltungen im Rahmen des Bildungsstreiks. Mitte November versammelten sich spontan 60 bis 70 Schülerinnen und Schüler in der Stadtmitte beim Butt, um in einer Kunstaktion darzustellen, dass ihnen die Bildung verschlossen bleibt (Foto). An der „Jade Hochschule“, wie die Wilhelmshavener Fachhochschule neuerdings heißt, gab es eine Hörsaalbesetzung und kurz danach eine Demonstration, die sogar den Verkehr an einer großen Kreuzung für einige Zeit lahmgelegt hat. Schade, dass die DemonstrantInnen auf dem Totenweg dorthin marschiert sind – auf der Friedrich-Paffrath-Straße hätten sie mehr Aufmerksamkeit erregt.

Gut, die Kultusminister denken nun also noch einmal über die vielen Prüfungen im Studium nach. Alles andere liegt immer noch im Argen. Die Hochschulen sind total überfüllt. Offenbar nicht in Wilhelmshaven, hier sei es „familiär statt anonym“, meint die WZ (13.11.09). An Niedersachsens Schulen fehlen nach wie vor Lehrkräfte. Zwar behauptet Kultusministerin Heister-Neumann (nach längerem verschämtem Schweigen in der Folge ihrer Schlappe im Kampf gegen den Gewerkschafter Brandt), die Unterrichtsversorgung in den Schulen sei jetzt gesichert (WZ, 25.11.09). „Das Ziel von 99,5 Prozent Unterricht im Schnitt sei übertroffen worden. Aktuell läge man bei 100,2 Prozent.“ Mit dieser durchschnittlichen Versorgung erreicht man jedoch nie im Leben, dass die Stundentafeln tatsächlich erfüllt werden können. Das ginge, wenn jede Klasse genau die höchste erlaubte SchülerInnenanzahl aufwiese und niemals eine Lehrerin krank wäre. So fallen nach wie vor Stunden aus.

Und immer noch hält Niedersachsens Landesregierung eisern an der Hauptschule fest, obwohl diese Schulform deutlich abgelehnt wird. So teilte das Kultusministerium auf eine Kleine Anfrage mit, dass „lediglich 12,4 Prozent der Schüler nach der Grundschule weiter auf die Hauptschule“ gehen, obwohl 21,7 Prozent „eine Empfehlung für diese Schulform hatten“ (WZ, 10.11.09). In Wilhelmshaven hat die fehlende Akzeptanz der Hauptschule dazu geführt, dass zu Beginn des laufenden Schuljahres eine Hauptschule geschlossen werden musste. Die „Übernahme“ der Hauptschule Heppens durch die Hauptschule Bremer Straße ist eben nicht nur dem demographischen Faktor geschuldet; auch in Wilhelmshaven halten sich die Eltern nicht an die Schullaufbahnempfehlungen. Das Gründungsverbot für Gesamtschulen, in der vorigen Legislaturperiode unter dem damaligen Kultusminister Busemann ins Schulgesetz aufgenommen, wurde mittlerweile gelockert. Deshalb konnte u.a. die Integrierte Gesamtschule Friesland in Schortens im Sommer den Betrieb aufnehmen. Dass es damit bei weitem nicht gut ist, sagt die Initiative „Volksbegehren für gute Schulen in Niederdachsen“, die seit 13. November Unterschriften sammelt, um ein „Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften“ zu erreichen. Gegen das Abi 12 richtet sich der § 1, der festlegen soll, dass an Gymnasien und Gesamtschulen die Schuljahrgänge 5 bis 13 geführt werden. Die Gründung von mehr Gesamtschulen soll § 2 ermöglichen, indem er festlegt, dass Gesamtschulen unter bestimmten Bedingungen auch dreizügig geführt werden können, dann nämlich, wenn andernfalls unzumutbare Wege zu einer anderen Gesamtschule entstünden oder wenn damit vorhandener Gebäudebestand genutzt werden kann oder – und das ist ein besonders interessanter Aspekt – „sie die einzige Schule im Sekundarbereich 1 am Standort ist“: Wenn eine Stadt so klein ist, dass sie nur eine weiterführende Schule haben kann, dann soll das bitte eine Gesamtschule sein. § 3 des Gesetzentwurfs legt fest, dass die „Vollen Halbtagsschulen“ (die die Landesregierung aus Kostengründen abschaffen will) erhalten bleiben.

Die Initiative „Volksbegehren für gute Schulen in Niedersachsen“ braucht 600.731 Unterschriften innerhalb eines Jahres. Schafft sie das, dann ist der Landtag gezwungen, „den Gesetzentwurf innerhalb von sechs Monaten im Wesentlichen unverändert anzunehmen. Wenn das Landesparlament den Entwurf nicht als Gesetz annimmt, findet nach Ablauf dieser Frist ein Volksentscheid über den Gesetzentwurf statt.“ (aus dem Prospekt der Initiative)

Wie die WZ meldete, unterstützt die SPD in Wilhelmshaven und Friesland das Volksbegehren. Auch die Kreisverbände Wilhelmshaven und Friesland der LINKEn beteiligen sich daran und sammeln Unterschriften.

Anette Nowak

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