Radio Jade
Okt 181995
 

SCHON GEHÖRT?

WZ trickst gegen Meinungsvielfalt 

(noa/ef) Hannover, 4. September, Versammlung der Landesmedienanstalt, und in Wilhelmshaven warteten viele gespannt auf einen Anruf. Würde Wilhelmshaven dabei sein, wenn die endgültigen Versuchsgebiete für das Projekt ,,Nichtkommerzieller Lokalfunk“ festgelegt werden?

Wilhelmshaven ist dabei!


Irgendwann in den ersten Monaten des kommenden Jahres wird ein lokaler Radiosender den Betrieb aufnehmen. Noch steht nicht fest, wer den Sender betreiben wird. Es gibt zwei Gruppen, die sich um die Lizenz bewerben, der Verein Radio Jade Lokalrundfunk e.V. und die Interessengemeinschaft Lokalradio Wilhelmshaven/Friesland.
Weder von der einen noch der anderen Gruppierung war bis zum vergangenen Monat in der Wilhelmshavener Zeitung zu lesen. Wer sich ausschließlich aus der einzigen lokalen Tageszeitung informiert, wusste bis vor kurzem buchstäblich nichts über die Radio-Bestrebungen. Das lag nicht etwa daran, dass die WZ-Redaktion ihrerseits an einem Mangel an Information gelitten hätte. Sie ist im Gegenteil während der ganzen Zeit auf dem laufenden gewesen.
„Radio Jade“ versorgte die WZ regelmäßig mit Informationen und Ankündigungen, und der Redakteur Schmid (-id) war auch bei der Veranstaltung, in der der Verein sich kurz nach seiner Gründung der Öffentlichkeit präsentierte. Und über die ,,Interessengemeinschaft“ ist die WZ gut informiert, weil sie sie initiiert hat.

WZ in Konkurrenz zu Radio Jade

Im Mai erklärte der Chefredakteur der WZ, Jürgen Westerhoff, gegenüber dem ,,Radio Jade“-Vorstandsmitglied Rüdiger Schaarschmidt, die WZ könne und wolle über „Radio Jade“ nicht berichten, da zum einen der DGB und der Gegenwind dort mitmachten und zum anderen das Verlagshaus Brune ja in der anderen Initiative und damit ein Konkurrent sei.
Der Einfluss der WZ geht so weit, dass auch der Pressesprecher der Stadt Wilhelmshaven, Michael Konken, erklärte, aufgrund seiner Position und der Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit mit der Presse bleibe ihm nichts anderes als eine Mitgliedschaft bei der „Interessengemeinschaft“.
Als „Radio Jade“ routinemäßig und eigentlich ohne Hoffnung auf Veröffentlichung der „Neuen Rundschau“ eine Erklärung zuschickte, die dann auch tatsächlich unverändert gedruckt wurde, kam ,,-id“ endlich in die Puschen. „Radio Jade“ sollte sich mal nicht allzu sicher sein, die Lizenz zu kriegen, schließlich gebe es auch noch die ,,Interessengemeinschaft“, und die vertrete doch ein breites gesellschaftliches Spektrum, so der Tenor des ersten Artikels zum Thema Lokalfunk.
In diesem Zusammenhang wird zum Beispiel die IG Medien genannt. Dem Vernehmen nach sind Beschäftigte eines bedeutenden Wilhelmshavener Verlages von ihrem Arbeitgeber in die „Interessengemeinschaft“ hineingenötigt worden mit dem Hinweis, ein ,Radio Jade‘ würde ihre Arbeitsplätze gefährden.

Sehr viel sachlicher und aufschlussreicher als die WZ berichtete das Informationsblatt der evangelisch-lutherischen Gemeinden Wilhelmshavens, „Kontakte“. Die Titelseite der Oktober-Ausgabe brachte endlich Licht in das Geheimnis, warum der ev. Kirchenkreis, Gründungsmitglied von „Radio Jade“, in der WZ (wie auch in einem Schreiben des Rechtsanwalts Harald Naraschewski an die Mitglieder des Rates der Stadt) als Mitglied der „Interessengemeinschaft“ genannt wurde: Die Kirche ist in beiden Vereinen und wird also auf jeden Fall dabei sein, wenn es losgeht.
Auf jeden Fall? Nicht, wenn die Information zutrifft, die aus „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen“ (die aber oft für sich behalten, was sie wissen) entwich, dass nämlich die ,,Interessengemeinschaft“ gar nicht am Radiomachen, sondern nur am Verhindern von „Radio Jade“ interessiert sei. Sie kämpfe pro forma um die Lizenz, wolle sie dann aber nicht nutzen, hoffe so aber ein wirklich unabhängiges Medium auszuschalten, so lautet dieser Tipp.
Wenn es denn tatsächlich so kommen sollte, dann wären alle angeschmiert, die hier in Wilhelmshaven und Umgebung Radio machen wollen!

Gesprächsbereit

„Für Radio Jade gibt es in diesem Stadium erst mal nur Radio Jade“, so der 2. Vorsit­zende, Rüdiger Schaarschmidt, jüngst auf der Mitgliederversammlung. Auf die neuerdings erhobenen Vorwürfe, „Radio Jade“ verschließe sich einem Gespräch mit der „Interessengemeinschaft“, antwortet der Verein nach Gesprächen einzelner seiner Mitglieder mit den Leuten der anderen Gruppe nicht mehr. Mit solchen Schein-Auseinandersetzungen kann man viel Kraft vergeuden, und die tut man bei „Radio Jade“ lieber in die Arbeit.
Das soll nicht heißen, dass man sich nicht in der Öffentlichkeit mit den „Konkurrenten“ auseinandersetzt, wenn sich die Situation ergibt. Dies wird am 24. Oktober (20.00 Uhr) im Ratskeller anlässlich einer von der FDP veranstalteten Podiumsdiskussion der Fall sein.
Während die FDP beide Bewerber für einen Lokalsender gleichzeitig einlädt, haben ,,Radio Jade“-Vertreter Kontakt zu anderen Politikerinnen aufgenommen. Der Schortenser Bürgermeister Peter Torkler gab seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass die „Interessengemeinschaft“ überhaupt noch „im Rennen“ ist, da sie als Verlegerinitiative ja doch laut Landesmediengesetz gar keine Chance haben dürfe. Gabriele Iwersen wünscht „Radio Jade“ viel Erfolg, und Wilfrid Adam (der ja als Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt „bei der Konkurrenz ist“), hob zu Beginn seines Gespräches mit ,,Radio Jade“ noch stark darauf ab, beide Gruppierungen zusammenbringen zu wollen, erklärte dann aber am Ende des Gespräches, er habe nun „einen ganz anderen Eindruck“ von „Radio Jade“ als vorher.RadioJade

Öffentlichkeitsarbeit

Einerseits um gut vorbereitet zu sein, wenn der Sender seine Arbeit aufnehmen kann, andererseits um die eigenen Chancen auf die Lizenz zu vergrößern, arbeiten die aktiven „Radio Jade“-Mitglieder unermüdlich. (Dies übrigens schon seit vielen Monaten – sie waren schon in Hannover beim Ausschuss der Landesmedienanstalt vorstellig, als es die ,,Interessengemeinschaft“ noch gar nicht gab.) Der Verein hat bereits ein vorläufiges Redaktionsstatut erarbeitet. Die zweite Ausgabe der Zeitung ,,O-Ton“ ist gegenwärtig im Umlauf. Einzelne Mitglieder haben Menschen gewonnen, die dem Sender finanzielle Unterstützung verbindlich zugesagt haben. Auf öffentlichen Veranstaltungen ist „Radio Jade“ mit einem Informationsstand vertreten, hält die Bevölkerung auf dem laufenden und wirbt weitere Mitglieder. Es sind schon drei Seminare gelaufen, in denen Radiointeressierte von zwei radioerfahrenen Journalisten, Rüdiger Schaarschmidt und Michael Diers, lernen konnten, wie man eine Sendung macht; weitere Termine für diese „Radiowerkstatt“ sind geplant. Derzeit gestalten Wilhelmshavener Künstler eine ,,Aktie“, mit deren Erwerb (Stückpreis DM 100) Fördermitglieder den Sender finanziell unterstützen können.
All dies ist wichtig, weil die Fördermittel aus Hannover durch Eigenmittel ergänzt werden müssen. Jährlich rund 70.000 DM, im ersten Jahr wegen der Anfangsinvestitionen sogar 90.000 DM muss „Radio Jade“ aufbringen, um den Sendebetrieb aufnehmen und am Laufen halten zu können, und ein glaubwürdiger Nachweis dafür, dass dieses Geld zur Verfügung steht, wird sicherlich eine entscheidende Rolle spielen bei der Frage, welche Gruppe nun den Zuschlag erhält.
70.000 bzw. 90.000 DM, das ist ein Haufen Geld. So erleben die Aktiven von ,,Radio Jade“ es öfter mal, dass Leute. die sie ansprechen, ungläubig fragen: „Ja, glaubt ihr wirklich, dass ihr das schafft?“ In diesen Summen stecken jedoch auch eingesparte Löhne durch eigene Arbeit. Wer den Sender ermöglichen und unterstützen will, aber nur wenig oder kein Geld beisteuern kann, hat ja vielleicht Zeit und Lust, einige der erforderlichen 1.500 Stunden Arbeit zu spenden.
Im neuen ,,O-Ton“ heißt es: ,,Jedes neue Mitglied, sei es eine Person oder ein Verein, stellt Radio Jade auf festere Füße. Ziel des Vereins ist es, irgendwann buchstäblich einmal zum Tausendfüßer zu werden.“

Für alle, die mit Geld und/oder Muskelkraft beitragen wollen, nennen wir hier die 

Kontakt-Telefonnummern:04421-82099 und 0442142215.

 

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