EXPO 2000
Okt 181995
 

Das Millionenspiel

Die Welt zu Gast in Wilhelmshaven? – Gegenwind-Gespräch mit der EXPO-GmbH

(noa/ub) Die Zahlen liegen auf dem Tisch. 87 Mio. DM soll die Expo am Meer mindestens kosten. Wer das bezahlen soll, wird allenfalls schemenhaft deutlich. Das jetzt von den Wilhelmshavener Expo-Planern in Hannover vorgelegte Finanzierungsmodell weist eine Deckungslücke von 47 Mio. DM auf. Der Rat der Stadt – seit langem gewohnt, jede Mark zweimal umzudrehen – muss in seiner Sitzung am 18. Oktober einen Beschluss über die städtische Eigenleistung in vermutlich zweistelliger Millionenhöhe fassen. Der GEGENWIND sprach mit dem Geschäftsführer der Expo-GmbH Lutz Bauermeister und dem Expo- Gesellschafter Rolf Fleckstein nicht nur über das jetzt vorgestellte Zahlenwerk.

Euphorie ist ausgebrochen.

Quer durch die Wilhelmshavener Parteienlandschaft herrscht Einigkeit: Die Expo 2000 muss ans Meer! Die Erwartungen sind riesig. Die Ausstellung soll der wirtschaftlich schwachen Region einen ,,Kick“ geben. Diese ,,einmalige Chance“ (Oberstadtdirektor Schreiber in der WZ am 10.10.95) will man sich nicht entgehen lassen. Die Welt soll auf Wilhelmshaven blicken. Im dritten Jahrtausend nach Christi Geburt wird man unsere kleine Schleuseninsel womöglich in einem Atemzug nennen mit dem Brüsseler Atomium und dem Pariser Eiffelturm. Was sind da schon die 4,2 bis 23 Mio. DM, die das Weltausstellungsspektakel die Stadt kosten soll? Und so plädieren denn auch Oberbürgermeister Eberhard Menzel und CDU-Ratsherr Bernhard Rech ,,leidenschaftlich für einen Finanzierungsbeschluss“ (ebenda). Der GEGENWIND wollte wissen, womit die Wilhelmshavener Bevölkerung rechnen muss, wenn sie denn kommt, die ,,Expo 2000 am Meer“.

Gegenwind: Uns ist aufgefallen, dass die unterschiedlichsten Zahlen über die Finanzierung der Expo genannt wurden. Zwischen 40 und 120 Mio. DM, das wirkt geradezu beliebig. Wie setzt sich der Zahlenbereich tatsächlich zusammen?
Bauermeister: Die Kostenannahmen – Annahmen deshalb, weil es sich dabei um eine ganz lose Schätzung handelt – wandeln sich aus verschiedenen Gründen. Man hat Projekte drinnen oder draußen, z.B. Stichwort Hafentorbrücke, oder man fragt diesen oder jenen Experten. Man sammelt immer neue Erfahrungen und bekommt neue Informationen hinsichtlich des Kostenvolumens. Man muss hier aber auch eines sagen: Wir sind nicht für alle Zahlen verantwortlich, sondern nur für die, die wir rausgeben. Und das sind die, die Sie heute (am 10.10.1995 in der WZ, Anm. der Red.) gelesen haben.

Wenn die Zahlen sich laufend ändern, müssen wir daraus dann schließen, dass auch diese Zahlen sich wieder ändern werden?
Bauermeister: Diese Zahlen sind auf jeden Fall nicht richtig in dem Sinne, dass man sagt, so bleiben sie. Sie werden sich verändern, aber wir sind der Überzeugung, dass eine andere Zahl heute kaum anzunehmen ist. Sie können zu jeder Zahl auch plus oder minus 5 oder 7,5 Mio. DM schreiben. Das steckt in dem Begriff Annahme.
Fleckstein: Die Zahlen, die wir jetzt veröffentlicht haben, sind ehrliche Zahlen. Wir sind völlig unpolitisch, wir brauchen Zahlen nicht für irgendjemanden zu schönen oder zu manipulieren.

Eine Botschaft an die Stadt

Nun muss der Rat der Stadt am 18. Oktober über die städtische Eigenbeteiligung für das Projekt Expo entscheiden. Da ist eine Spanne von 4,2 bis 23 Mio. DM angegeben. Eine große Spanne für eine Stadt, die pleite ist. Wie ist die große Spannweite der möglichen Eigenbeteiligung zu erklären?
Fleckstein: Da müssten Sie am besten die Stadt fragen. Die Stadt sieht sich in ihrer Rechnung verantwortlich für den Anteil, den sie als Stadt bei einem solchen Vorhaben aufzubringen hat, wie z.B. Erschließungskosten. Sie rechnet nicht mit ein, was sonst noch zu finanzieren ist. Das weist sie einem noch zu findenden Träger zu. Wir aber differenzieren nicht zwischen Stadt und Träger, denn heute ist die Stadt zugleich auch Träger. Und deshalb rechnen wir erst mal nur die Finanzierungslücke von 47 Mio. DM und sagen, die muss mit einem namhaften Eigenbeitrag angefüllt werden. Wenn man öffentliche Unterstützung einwerben will, muss man erst mal zeigen, was man kann. Man kann nicht sagen: Gebt ihr erst mal, und gebt reichlich, damit wir möglichst geschont werden.

Diese Botschaft haben Sie an die Stadt gerichtet?
Bauermeister: Ja, und das ist wohl auch rüber gekommen.

Ist der städtische Beitrag konkret benannt in Ihrem Zahlenwerk, das Sie in Hannover abgegeben haben?
Bauermeister: Nein. Das geht uns auch nichts an. Wir sind nur angetreten, den Finanzbedarf zu analysieren. Mit der Finanzierungslücke muss der gegenwärtige Träger, die Stadt Wilhelmshaven, politisch umgehen.

Ist das Zahlenwerk für Hannover ausreichend gewesen?
Bauermeister: Das werden uns die Herren mitteilen. Man wird uns sagen: Kommt erst wieder, wenn ihr die Finanzierungslücke geschlossen habt, oder man wird uns sagen; O.K.! Wir wissen, wie groß die Probleme sind, aber sie scheinen nicht unüberwindbar zu sein, und wir machen weiter.

Wie setzen sich die 40 Mio. DM erwartete Einnahmen zusammen?
Fleckstein: Zunächst einmal durch einen erwarteten Zuschuss von der Expo 2000 Hannover GmbH, die gesagt hat, jeder Außenstandort soll etwa mit 10 Mio. DM bedient werden. Dann setzen wir 15 Mio. DM Eintrittsgelder an, und der Rest ergibt sich aus zu erwartenden Zuschüssen vom Land, Zuschüssen, die jeder in Anspruch nehmen kann, der etwas baut oder Verkehrsverbindungen schafft; sowie aus Mieten und Lizenzen für die Zeit der Expo.

Gibt es schon konkrete Interessenten?
Bauermeister: Kommt darauf an, was Sie unter konkret verstehen. Es gibt viele Interessenten, und die Interessenbekundungen durchlaufen das Spektrum von sehr hart bis ganz vage.

Detaillierte Zusagen unter Vorbehalt

Im Masterplan konnten wir lesen: ,,Wilhelmshaven hat detaillierte Zusagen für herausragende Ausstellungsstücke, für schwimmende Exponate, für helfende Unterstützung von Wirtschaft, Forschung, Wissenschaft, Marine usw.“ Wie sehen diese detaillierten Zusagen aus?
Bauermeister: Da ist vieles sehr detailliert ins Auge gefasst. Aber es steht nach wie vor alles unter Vorbehalt. Wir haben uns auch bewusst zurückgehalten, weil wir sagen, wir haben so viel zu tun, dass wir auf dieses Terrain der Akquisition nicht gehen, weil wir eben Zusagen nur unter Vorbehalt bekommen können. Unsere Aufgabe ist es, die Plattform zur Verfügung zu stellen. Dann wird es leichter sein. Wenn wir registriert sind, wird es einen gewissen Schub geben.
Fleckstein: Dies ist eine Weltausstellung. Das darf man nicht unterschätzen. Es kommt, pathetisch gesagt, die Welt nach Wilhelmshaven.

Vor ca. zwei Jahren haben wir über eine Untersuchung der Uni Oldenburg berichtet, die sich mit dem zu erwartenden Besucher- und Verkehrsaufkommen beschäftigte. Die Vorstellung, dass täglich 10.000 Menschen durch die Ebertstraße zur Ausstellung laufen, finden wir nicht gerade attraktiv.
Bauermeister: Das wird auch nicht passieren. Der Besucherandrang wird den Stadtkern umfahren.

Diese Oldenburger Untersuchung ging aber davon aus, dass ca. die Hälfte der Besucher mit der Bahn kommt, und die müssen dann durch die Ebertstraße.
Fleckstein: Wir gehen davon aus, dass die überwiegende Masse der Besucher sich aus den Touristen rekrutiert, die sowieso da sind. Die werden dann ihren Ausflug schon aus Neugierde nach Wilhelmshaven machen. Ein Großteil der Touristen, die Ostfriesland besuchen, wird auch mal bei der Expo reinschauen.
Bauermeister: Sicherlich ist das eine oder andere von so großem Interesse, dass das vom Ausland angesteuert wird. Es wird mit Sicherheit ,,Packettours“ geben, d.h. internationale Expo-Touren, die dann die Außenstandorte mit im Programm haben.
Aber wenn wir Weltausstellung sind, dann auch publizistisch. Viel mehr noch als durch praktischen Besuch gehen wir über die Medien in die Welt.

Nicht den Kopf der anderen zerbrechen

Noch einmal zurück zur Kostenaufstellung. Es ist bekannt, dass es im Gebiet um die Schleuseninsel erhebliche Altlasten gibt. Ist die Beseitigung dieser Altlasten schon in Ihrer Berechnung enthalten? Wer ist für ihre Beseitigung zuständig?
Fleckstein: Das ist eine interessante Frage. Der Grund und Boden gehört dem Land. Ein Interesse an der Ausstellung hat die Stadt.
Bauermeister: Wie man sich da politisch einigt, das ist deren Problem. Wir haben da gewisse Vorstellungen, aber wir wollen uns da jetzt Ihnen gegenüber nicht den Kopf anderer Leute zerbrechen.

Haben Sie eine Vorstellung, in welcher Größenordnung sich das Problem der Altlasten bewegen wird?
Fleckstein: Wir haben eine Summe von etwa 2,5 Mio. DM eingesetzt. Alle Informationen, die wir haben, weisen darauf hin, dass nur mit geringen Altlasten zu rechnen ist. Wenn überhaupt, werden Kriegsaltlasten vermutet in den damals zugeschütteten Schleusenkammern, insbesondere in den Schleusenkammern der 3. Einfahrt. Dabei handelt es sich um Schutt und Dreck, also keine explosiven Sachen. In unserer Planung versuchen wir, in diesen Bereichen möglichst nicht in den Boden zu gehen. Man kann auch davon ausgehen, dass im Hafenbecken nichts Gefährliches liegt.

Die Beseitigung der Altlasten ist also ein kleines Problem?
Fleckstein: Ich denke ja. Wir haben da auch nur rein prophylaktisch einen Betrag eingesetzt. Auf jeden Fall müssen Untersuchungen durchgeführt werden, die auch Geld kosten.

Auf die unverzichtbare Hafentorbrücke muss verzichtet werden

Was wird denn nun aus der ursprünglich geplanten Hafentorbrücke als Hauptverbindung zum Ausstellungsort Schleuseninsel?
Fleckstein: Die Hafentorbrücke ist kein Reizwort mehr. Noch im Masterplan wurde sie als unverzichtbar bezeichnet, aber das Land gewährt keine Zuschüsse für die Erschließung der Schleuseninsel zum Zwecke der Expo. Es gewährt nur Zuschüsse im Rahmen der Verbesserung des Verkehrskonzeptes der Stadt. Es wäre eine Verbesserung der Verkehrsführung, wenn der Verkehr von der Autobahn über den Friesendamm in diesen Teil Wilhelmshavens kommt, um z.B. zum Helgolandkai zu ge­langen. Das hat das Wirtschaftsministerium sofort eingesehen. Also: Entlastung der Innenstadt wird gefördert. Das Land fördert die Trassenführung zur späteren Brücke, die Brücke selbst jetzt noch nicht. Dafür ist kein Geld da. Das Land fördert die Brücke aber später, nach dem Jahr 2000. Das ist interessant für eine wirtschaftliche Nachnutzung. Wir wollen einem interessierten Investor sagen können, dass er kein Risiko eingeht, wenn er auf der Schleuseninsel investiert, da eine Brücke und damit ein Autobahnanschluss auf jeden Fall gebaut wird.

Kurzum, die Brücke wird nicht zur Expo fertig, kommt aber auf jeden Fall?
Fleckstein: Ja, das kann man so sagen. Die Förderung des Projekts Hafentorbrücke ist expounabhängig. Diese Förderung ist vielleicht das Verlässlichste, was wir an Zusagen in diesem Bereich haben. Das ist für die Stadt jetzt schon ein Gewinn.

Wie stellen Sie sich die Nachnutzung vor?
Bauermeister: Natürlich gibt es da keine Garantien. Wir gehen davon aus, dass nicht alle, die zur Expo kommen, auch Nachnutzer sind. Das ist ein unbestimmter Prozentsatz, den wir uns vorstellen. Der Anreiz zu Investitionen ist aber bei einer Weltausstellung viel größer als bei einem Gewerbegebiet.

Wenn die Expo kommt, was ist dann für die Schleuseninsel geplant?
Bauermeister: Wir haben uns als Arbeitsmotto gegeben: ein Kern und ein Angebot. Wir beschäftigen uns mit dem Kern und machen ein Angebot, indem wir Planungssicherheit auf Flächenverfügbarkeit an Nutzer und Investoren herbeiführen. Also, ein wie auch immer geartetes Unterwassererlebnis (Ozeanarium) kann durchaus kommen. Wir können nichts versprechen hinsichtlich der Nutzung unseres Angebots, aber möglich ist vieles.

Offerten und Visionen

Wie sieht denn der Kern jetzt aus?
Bauermeister: Es wird sicherlich ein Hallentyp bzw. ein Pavillontyp vorgehalten werden.

Nur für die Expo oder schon für die Nachnutzung?
Bauermeister: Sowohl als auch. Zum Kernangebot: Es soll auf der Schleuseninsel ein sogenanntes Expomarium entstehen. Es gibt die Offerte, hier auch ein Hotel zu errichten, und die Vision, auf der Schleuseninsel eine Arena zu nutzen als Schwimmbühne für z.B. Rockkonzerte und Veranstaltungen anderer Art.

Da treten dann die Stones auf?
Bauermeister: Ja, da wackelt dann sozusagen die Wand, wenn sich diese Granitquader in Bewegung setzen. Aber hier merken Sie auch, das ist schon wieder ein bisschen visionär. Mir lag Woodstock auf der Zunge, aber das darf man von den Quantitäten und von der historischen Dimension wohl nicht vergleichen. Aber das Ambiente kann schon sehr witzig sein.

Sie sprechen neuerdings von siedlerschonender Planung. Welche Rolle spielt das Kleingartengelände in der aktuellen Expoplanung?
Bauermeister: Es gibt nach wie vor ein gewisses Konfliktpotential. Man muss sich arrangieren und auf einander Rücksicht nehmen, die Siedler auf die Weltausstellung und die Weltausstellung auf die Siedler.
Fleckstein: Der Masterplan ging noch davon aus, dass alle Siedler weg müssen, aber das ist jetzt nicht mehr der Fall. 2/3 der Siedler können bleiben.

Wollen Sie den Siedler, die weichen müssen, Ersatzflächen zur Verfügung stellen?
Bauermeister: Dafür sind wir nicht zuständig. Wir halten das für plausibel, aber das ist nicht unser Job. Wir haben diese Ersatzflächen nicht, da ist die Stadt gefordert.

Was ist mit dem Gebiet, das unter Naturschutz steht?
Bauermeister: Das bleibt unangetastet Vielleicht wird ein Pfad darum herum angelegt.

So dass es Exponat wird?
Bauermeister: Das bestimmt nicht. Wir sehen die Welt im Jahre 3000 nicht als einen Ökopark. Ein Beispiel: Statt von den Chinesen zu verlangen, dass sie weiterhin Fahrrad fahren, müssen wir ihnen Katalysatoren verkaufen. Also: Wir werden auf der Expo nicht sagen: Völker der Welt, schaut euch diese Störche an!

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

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