Spieler
Apr 091990
 

Theorieinduziertes Phänomen

Wer ist hier eigentlich abhängig?

(ub) Auf den Schlips getreten fühlt sich die Informationsgemeinschaft Münz-Spiel GmbH (IMS). Ausgerechnet Dr. Gerhard Meyer von der Universität Bremen hatte die SOS Jugendberatung anläßlich einer Informationsveranstaltung zum Thema „Droge Glücksspiel“ eingeladen. In Fachkreisen als der Experte auf dem Gebiet des pathologischen Spielens angesehen, ist er der Automatenbranche schon lange ein Dorn im Auge.

In einem Schreiben an die SOS Jugendberatung weist die IMS, eine Organisation, die – vorsichtig ausgedrückt – der Automatenindustrie sehr nahe steht, darauf hin, daß „Dr. Meyer sich mit seinen Auffassungen gegenüber der übrigen deutschen Wissenschaft in der Minderheit“ befinde.
Mit Bedauern nimmt diese Informationsgemeinschaft zur Kenntnis, daß die „SOS-Jugendberatung und Treffpunkt“ „keinen Vertreter der Mehrheitsmeinung eingeladen“ hatte. Für alle Fälle empfiehlt die IMS eine ganze Reihe von „Experten“ mit klangvollen Titeln.
Im Anhang des Schreibens gibt sie dann eine „Übersicht zum Stand der Wissenschaft zum Thema Spielen: In einem als „vertraulich“ gekennzeichneten vierseitigen Schreiben erläutert Dr. Christian von Quast, Leiter des Instituts für psychologische Forschung und Beratung in München, warum das Spielen an Geldspielgeräten nicht zur Sucht werden könne.
Aus dieser „Zusammenfassung einiger Forschungsergebnisse“ zwei besonders originelle Stilblüten, die schon erkennen lassen, warum man dieses Papier „vertraulich“ behandeln soll: Wenn Mitglieder der „Anonymen Spieler“ von Entzugserscheinungen (Schwitzen, Zittern etc.) berichteten, so unterlägen sie lediglich einem Gruppen- bzw. theorieinduzierten Phänomen. Dr. von Quast: „Je länger Gruppenmitglied, desto mehr Entzugserscheinungen.“
An anderer Stelle heißt es: „Das Glücksspiel verfolgt einen positiven Effekt: emotionale Erregung und Gewinnorientierung. Somit ist das Glücksspiel von einem gänzlich anderen psychologischen Prinzip gesteuert als eine Sucht, nämlich durch das Prinzip der positiven Verstärkung.“
Solch zweifelhaft verquerte Logik hat die SOS Jugendberatung denn auch auf Umwegen erreichen müssen. Die Jugendberatungsstelle hatte lediglich gezielt Fachöffentlichkeit und Vertreter der Parteien zu dieser Veranstaltung angeschrieben und eingeladen; die IMS ist jedoch über die Aktivitäten von Herrn Dr. Meyer anscheinend immer bestens informiert, und so erschien dann auch auf der gut besuchten Veranstaltung in der Stadthalle „rein zufällig“ und uneingeladen ein sogenannter „Vertreter der Mehrheitsmeinung“, sprich: der Automatenindustrie. Ein üblicher Vorgang, wie Herr Dr. Meyer in einem anschließenden Gespräch erklärte.

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