Grüne im Wahlkampf
Mrz. 111991
 

Ist weniger mehr?

Was ist los bei den Grünen?

(hh) Trotz Mitgliederschrumpfung gehen die GRÜNEN optimistisch in den Kommunalwahlkampf. Der GEGENWIND sprach mit den beiden Ratsherren Werner Biehl und Gerhard Kläne über Zukünftiges und bisher Erreichtes.

Gegenwind: In der Bundestagswahl fielen die GRÜNEN unter die 5 %. Wie erklärt ihr euch das? Jetzt steht hier die Kommunalwahl vor der Tür. Wie ist die Grundstimmung bei den GRÜNEN?
Kläne: Meiner Meinung nach hatten die GRÜNEN bundesweit falsche Themen. Hinzu kommt, daß jene, die man zum grünen Potential zählt, die Wichtigkeit dieser Wahl nicht erkannt haben und einfach nicht hingegangen sind.
Biehl: Ich habe mit diesem Wahlergebnis gerechnet. Unsere Partei hat sich auf Bundesebene stellenweise wie ein wilder Haufen dargestellt. Da muß man sich nicht wundern. Zwischen Bundesgrünen und uns hier in der Kommune muß man in der Hinsicht einen Trennungsstrich ziehen. Vor der nächsten Kommunalwahl habe ich überhaupt keine Sorgen. Wir haben in den letzten vier Jahren viel, gut und wahnsinnig fleißig gearbeitet und werden als Gesprächspartner und Entscheidungsträger ernstgenommen.gw106_grüne

Gegenwind: Werdet ihr wieder mit der Frauenliste koalieren oder gibt es Überlegungen, von vornherein mit der Frauenliste anzutreten?
Biehl: Im Prinzip halte ich es für unökonomisch, wenn zwei Gruppen gegeneinander antreten, deren Programmpunkte zu 95 % übereinstimmen. Ich verstehe es allerdings, wenn die Frauen das grundsätzlich ohne die Männer machen wollen. Unser Vorstand ist damit beauftragt, offiziell mit der Frauenliste Kontakt aufzunehmen.
Kläne: Im Wahlkampf ist die Frauenliste, obwohl das jetzt hart klingt, mein Gegner. Mein Ziel ist es, die grünen Vorstellungen in reiner Form in den Rat zu bekommen.

Gegenwind: Gibt es konkrete Themen, mit denen ihr in den Wahlkampf geht?
Kläne: Unsere Schwerpunkte sind die Abfallwirtschaftspolitik, die Verkehrspolitik und natürlich die Stadtsanierung.
Biehl: Ich würde mich weiterhin verstärkt um die Schulsituation kümmern; hier liegt noch immer sehr viel im Argen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Integration behinderter Kinder. Auch der Landschaftsverbrauch muß unbedingt gebremst werden. Ein weiterer Punkt ist die Einrichtung des Küstenmuseums in der Weserstr. 47. Wir werden uns bemühen, das Thema Marinemuseum endgültig zu begraben und die Marinegeschichte gleichberechtigt neben anderen in das Küstenmuseum zu integrieren.

Gegenwind: Die GRÜNEN in Wilhelmshaven – sie sind im Stadtrat – doch wenn wir uns die Wahlergebnisse ansehen – auf dem absteigenden Ast. Wie erklärt ihr euch das?
Kläne: Sicher gibt es einen kleinen Abschwung; von einem absteigenden Ast kann man aber nicht sprechen. Früher bekamen wir eine Reihe von Stimmen von Menschen, die ihre Interessen bei den Altparteien nicht vertreten sahen. In der Zwischenzeit haben diese Parteien, zumindest verbal und in ihren Programmen, nachgezogen und alte WählerInnen zurückgewonnen.

gw106_grüneGegenwind: Wie sieht eure konkrete Politik aus, was macht ihr im Stadtrat?
Kläne: Ein Großteil der Arbeit geschieht in den Ausschüssen. Ich bin Vorsitzender des Umweltausschusses, Mitglied im Bauausschuß und im Landwirtschaftsausschuß. Das paßt gut zusammen, weil immer wieder Naturschutzbelange tangiert werden. Wir haben dabei etliche Themen angestoßen, die bei den anderen Parteien etwas in Gang gebracht haben. Festgefahrenes, wie z. B. die Innenstadtsanierung, haben wir wieder völlig neu in die Diskussion gebracht.
Biehl: Es ist uns gelungen, mit beiden großen Parteien ins Gespräch zu kommen. Interessant ist dabei, daß es manches Mal einfacher ist, mit der CDU zu verhandeln, als mit einer SPD, die ununterbrochen in Flügelkämpfen und innerfraktionellen harten Auseinandersetzungen ist. Konkrete Politik heißt für mich, auch nach Kompromissen zu suchen.

Gegenwind: Wie hat sich rückblickend eure Position als „Zünglein an der Waage“ ausgewirkt? Konnten dabei nach Absprache auch eigene Projekte durchgesetzt werden?
Biehl: In der Praxis hat sich gezeigt, daß man immer dann „Zünglein an der Waage“ sein kann, wenn sich die Großen nicht einigen können. Ein Großteil der Beschlüsse ist jedoch nicht strittig.
Kläne: Es sind leider meistens die kommunalpolitischen Brosamen, bei denen wir das „Zünglein an der Waage“ spielen können. Wir haben beispielsweise dem Haushalt im letzten Jahr, zusammen mit der SPD, zugestimmt. Da waren auch taktische Überlegungen im Spiel. Das GRÜN/ROTE Experiment auf Landesebene muß sich erst durchsetzen. Die gute und gedeihliche Zusammenarbeit in Hannover sollte durch uns nicht gefährdet werden.

Gegenwind: Wieviel Beschlüsse tragen eure Handschrift (prozentual)? Wo habt ihr euch durchgesetzt, bzw. gestalterisch gewirkt?
Biehl: Da wäre zum Beispiel das Musikerhaus. Ein weiteres Beispiel ist die Getränkeverpackungssteuer, obwohl die SPD das als ihre Idee verkaufen wollte. Wichtig sind auch die Beschlüsse, die wir verhindert haben, besonders im Bereich der Innenstadtsanierung. Ergebnis unserer Arbeit war auch, daß der Stadtrat Prottengeier gehen mußte. Weiterhin haben wir daran mitgewirkt, den Hillebrand-Deal mit der Weserstraße 47 zu verhindern.
Kläne: Nehmen wir einmal die Müllverbrennungsanlage: Wären wir nicht im Rat gewesen, hätte die SPD im Jahre 1989 entsprechend dem Bezirksabfallplan mit Sicherheit dafür gestimmt. Das Abfallwirtschaftsprogramm, das jetzt hier praktiziert wird, enthält bis ins Detail die Forderungen unseres Kommunalwahlprogramms von 1986. Weiterhin haben wir das Thema Naturschutz wieder mehr ins Bewußtsein gerückt. Man sieht an den jetzigen Vorlagen der Bauverwaltung, daß durchaus Lehren aus der Diskussion der letzten Jahre gezogen worden sind. Meiner Meinung nach haben wir in den letzten Jahren das Feld bereitet. Vielleicht kann man in der nächsten Wahlperiode auch ein bißchen ernten.

Gegenwind: Wie ist euer Verhältnis zu den großen Parteien?
Kläne: Ich erwarte eigentlich, daß auch die CDU in der Zukunft bereit sein wird, das ein oder andere Thema von uns aufzugreifen. Ich hoffe, dass sich gutes Miteinander auf lange Sicht positiv auswirkt.
Biehl: Es fällt der CDU in der Debatte sehr viel leichter, unsere Ideen mitzutragen als der SPD. Da heißt es immer, das Thema muß erst einmal „verSPDt“ werden. Erst wenn unsere Ideen sehr viel später als SPD-Ideen auftauchen, können sie durchgesetzt werden.
Kläne: Trotzdem haben wir natürlich mehr Berührungspunkte mit der SPD.

Bild: Erwin Fiege

Bild: Erwin Fiege

Gegenwind: Gibt es noch eine grüne Basis? Basisdemokratie, ein Schlagwort, das den Altparteien das Fürchten lehrte, wie sieht es damit in Wilhelmshaven aus? Wie ist das Verhältnis: Funktionäre/Ratsmitglieder/Basis?
Kläne: Die Basisarbeit hat, genau wie das gesamte politische Interesse, nachgelassen. Diese Schwierigkeit gibt es aber bei allen Parteien. Die Dinge, die wir im Rat machen, wirken auf viele auch ziemlich abgehoben. Man ist eben gezwungen, sich zu spezialisieren. Wenn wir dann erzählen, sind einige abgeschreckt, und wir erkennen das oft gar nicht mehr.
Biehl: Bei uns gibt, es prozentual gesehen eine höhere Anzahl von Aktiven als bei den anderen Parteien. Als Personen betrachtet sind es natürlich wenige. Wir brauchen dringend neue Mitglieder, die sich aktiv engagieren. Leider müssen wir auf sehr vielen Hochzeiten tanzen und können uns nicht politischen Schwerpunkten widmen. Wir sind hier in Wilhelmshaven zwei Ratsmitglieder und vier Personen im Vorstand; das sind 50%. Die aktiven Mitglieder bilden die anderen 50%. Das sind zu wenig, es ist sehr bedauerlich und führt dazu, daß wir sehr viel alleine machen müssen.

Gegenwind: Wie kann es angehen, daß ihr hier kaum noch Leute findet, um einen funktionierenden Vorstand zu besetzen? Haben sich die GRÜNEN vielleicht selbst überlebt, oder gibt es noch echte grüne Themen, deren sich die anderen Parteien noch nicht intensiv angenommen haben?
Kläne: Wir haben jetzt einen funktionsfähigen Vorstand, der bereit ist etwas zu tun und mit Schwung an die Vorbereitung der Kommunalwahl geht. Es kommen auch eine Reihe von jungen Leuten; das ist sehr erfreulich. Die anderen Parteien haben sich zwar verbal der Themen der Grünen angenommen; intensiv hat sich keine der Altparteien gekümmert.

Gegenwind: Wo liegen die Schwächen der GRÜNEN in Wilhelmshaven, wo ihre Stärken?
Kläne: Eine Schwäche ist mit Sicherheit das Fehlen einer aktiven Basis. Durch den Mangel an Aktiven haben wir Probleme damit, für die kommende Kommunalwahl unsere Listen zu füllen. Es sind Überlegungen im Gang, eventuell offene Listen zu bilden, aber das ist noch nicht spruchreif.
Biehl: Unsere Stärken sind vor allem die Solidarität und das Vertrauen der Mitglieder. Die Probleme mit den Fundamentalisten sind vom Tisch; sie sind größtenteils ausgetreten. Es gibt keine Heckenschützen irgendwelcher Art. So kann die vorhandene Kraft optimal umgesetzt werden. Innerparteiliche Auseinandersetzungen haben wir nicht.

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