Reha-Klinik
Sep 141992
 

Ein Lehrstück in Sachen Bürgerferne

(hk) Während die städtischen Gremien noch bei der Entscheidungsfindung sind, städtischen Mitarbeitern eben wegen der noch nicht getroffenen Entscheidung untersagt wird, an Bürgerversammlungen teilzunehmen, werden bei Geithner schon die Betonplatten gegossen, hat FRANKI bereits den Auftrag für die Gründungsarbeiten erhalten, kontrollieren Gutachter den Zustand der Häuser in der Umgebung usw. Die REHA-Klinik: Ein Lehrstück aus dem Verwaltungshandbuch „Bürgerferne“.

Nachdem für den Träger der Reha-Klinik (St. Willehad-Hospital e.V.) bereits im Herbst 1988 „die heiße Phase“ begann und Ende 1991 die Entscheidung für den Bau der Reha-Klinik fiel, erfuhren Wilhelmshavens BürgerInnen erst einen knappen Monat vor der für den 10.Oktober 1992 vorgesehenen Grundsteinlegung, was da wo geplant ist.
So ist es nicht verwunderlich, daß sich Naturschützer und Anwohner überrumpelt fühlen und, wenn auch noch zaghaft, ihren Widerstand ankündigen. Tröpfchenweise sickerten Anfang bis Mitte September die ersten spärlichen Informationen an die Öffentlichkeit (Siehe Kasten).
Dabei steht außer Frage, daß die Ansiedlung der Reha-Klinik positiv für Wilhelmshaven ist. Und es hätte mit Sicherheit kaum Protest gegeben, wenn seitens der Stadtverwaltung nicht eine solche Geheimniskrämerei um dieses Projekt stattgefunden hätte, die BürgerInnen und Verbände der Stadt also frühzeitig in die Planung des Projektes einbezogen worden wären.

Im folgenden fassen wir einige der Hauptkritikpunkte zusammen:

Personal

Etwas seltsam mutet die dünne Personaldecke der Klinik in Fachkreisen an. Andere Reha-Kliniken desselben Fachbereiches liegen da wesentlich höher. Ein Verhältnis Patienten zu Personal von 1:1 ist da fast als Regel anzusehen. So werden auch schon erste Vermutungen laut, daß die Klinik nur eine Bettenburg wird, während die Behandlungen größtenteils im St. Willehad durchgeführt werden.

Verkehr

Der Standort der Klinik liegt mitten in der Stadt. Für die Klinik sollen 83 Parkplätze gebaut werden: 4 Behindertenplätze direkt an der Klinik und 79 Plätze an der Flensburger Straße. Diese Parkplätze müssen ausreichen für 127 Mitarbeiter, 220 Patienten und deren Besucher.
Wie die Verkehrsführung ablaufen soll, ist noch nicht klar bzw. wurde aus den bisher bekannt gewordenen Ausführungen der Planer nicht ersichtlich. Besondere Brisanz erhält das Verkehrsproblem durch die beinahe zeitgleiche Bebauung des Bahnhofsplatzes – der Verkehrskollaps für die Innenstadt ist vorprogrammiert.

Naturschutz

gw110_rehaAuf dem Gelände der Klinik sollen 340 Bäume stehen, von den 41 abgeholzt werden sollen. Seltsam mutet es dabei an, dass die Klinik bis zum den Platz durchschneidenden Rad-/Fußweg reichen soll, die Baumzählung allerdings auch die westlich dieser Grenze stehenden Bäume mit berücksichtigt.
Für die abgeholzten Bäume muß Ersatz geschaffen werden. Dafür wird eine Kuhweide am Stadtpark (östlich der Fr.-Paffrath-Str. in Höhe des TuS Schaar-Platzes) mit Bäumen bepflanzt. Warum wurde eigentlich die Klinik nicht an diesen Platz gesetzt? 30.000 m2 Gelände, direkte Nähe zum Stadtpark, Autobahnzubringer, ruhige Lage, …. Des weiteren ist von „umfangreichen Naturschutzgutachten“ die Rede – wer da was begutachtet hat, das weiß wohl nur der heilige Willehad.

Informationspolitik

Die Ansiedlung der Klinik geistert zwar seit vielen Monaten immer wieder durch die Presse und füllt die Reden der leitenden Verwaltungsbeamten – nur einen konkreten Hinweis darauf, wie weit das Projekt bereits gediehen ist, gab es nie. Nachfragen bei Mitgliedern des Bauausschusses machten deutlich, daß diese meist noch weniger als die Bürger wußten.
Wäre es zu einer frühzeitigen Information und öffentlichen Diskussion über das Projekt gekommen, hätte so manches, was heute eher wie ein Schildbürgerstreich anmutet, im Vorfeld ausgeräumt werden können.
Die Krönung der Bürgerferne war der Umstand, daß der für eine von der CDU organisierte Bürgerversammlung im Gorch-Fock-Haus (16.9.) angekündigte Stadtbaurat Kottek an der Versammlung nicht teilnehmen konnte, weil der Verwaltungsausschuß erst einige Tage später die Ansiedlung beschließen wird.
Kurz vor seinem unrühmlichen Abgang sagte der ehemalige Oberstadtdirektor Dr. Eickmeier unter dem Eindruck der Bürgerbewegung gegen die ICI-Ansiedlung, daß zukünftig Planungen erst dann an die Öffentlichkeit kommen, wenn alles unter Dach und Fach ist. Er ist der Lehrmeister des Herrn Schreiber.

Auftragsvergabe

Wie uns aus Wilhelmshavener Baukreisen mitgeteilt wurde, erging der Auftrag für den Bau der Klinik ohne öffentliche Ausschreibung an die Firma Geithner – angesichts der Investitionssumme von 47 Mio. DM ein Unding. Wie sicher sich die Betreiber der Anlage sind, daß ihr Bauantrag ohne Probleme die parlamentarischen Hürden der Stadt passieren wird, zeigt neben der frühzeitigen Auftragsvergabe auch der de-facto-Baubeginn (Fertigung von Betonteilen, Vergabe der Gründungsarbeiten usw.), bevor das Projekt von den Ausschüssen und vom Rat beschlossen wurde.
Und hier ist sicherlich auch der Grund für die Abschottung des Projektes zu finden: Der Investor setzt der Stadt die Pistole auf die Brust, nennt Termine und Arbeitsplätze, und die Verwaltung springt.
Vom politischen Schaden, der durch solche Handlungsweisen hervorgerufen wird, berichten die wohl als bekannt voraussetzbaren Meinungsumfragen über das Ansehen von Politikern und über das veränderte Wahlverhalten der BürgerInnen.

REHA-KLINIK

Auf 11.200 m2 des Gorch-Fock-Platzes soll die Reha-Klinik entstehen.

  • Therapiebereich: Anschlußbehandlung nach neurologischen sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates;
  • Träger: St. Willehad-Hospital e.V.
  • Kostenträger: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berufsgenossenschaften, Landesversicherungsanstalten
  • Bettenzahl: 220
  • MitarbeiterInnen: 127
  • Investitionssumme: 47 Mio. DM
  • Baubeginn: Anfang Oktober 1992
  • Inbetriebnahme: 1994

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