Revolution 1918…
Dez 011978
 

...in Wilhelmshaven

– oder wer bedroht die Demokratie

1918, 6. November, Mittwoch gegen 8.00 Uhr morgens. Von der Torpedo-Divisions-Kaserne in der Rheinstraße setzt sich ein Demonstrationszug in Richtung Innenstadt in Bewegung. Die Teilnehmer – zum größten Teil Matrosen – haben sich rote Tuchfetzen an ihre Mäntel geheftet und führen rote Fahnen mit sich. Man fordert das sofortige Ende des Krieges, menschliche Behandlung durch die Offiziere und vor allem: Essen.

rd05_plakatSofern die Soldaten Waffen tragen, halten sie den Lauf ihrer Gewehre friedfertig nach unten. Überall schließen sich ihnen Arbeiter, ja selbst Urlauber mit vollem Gepäck an. Unter den Klängen des Sozialistenmarsches bewegt sich der bald nach Zehntausenden zählende Zug durch die Marktstraße, den Metzer Weg und die Peterstraße zurück zum Stationsgebäude in der Adalbertstraße.

Ein wild mit seinem Degen herumfuchtelnder Offizier wird von den Massen beiseitegeschoben und das Stationsgebäude besetzt. Soldaten und Arbeiter übernehmen die Macht in Wilhelmshaven und bilden einen Arbeiter- und Soldatenrat.

Stichwort:

Das Volk organisierte sich in Räten d.h. alle Politisch-Verantwortlichen wurden von der Basis gewählt, waren ihr verantwortlich und konnten jederzeit wieder abberufen werden. Diese Basisdemokratie wurde von der SPD-Führung, die sich geschickt an die Spitze der Bewegung gesetzt hatte, geschickt unterlaufen. Aus Furcht vor dem „bolschewistischem Chaos“ verbindet sie sich mit den reaktionären Militärs und scheute sich nicht, gewaltsam gegen die eigenen Genossen vorzugehen.

Die Bewegung setzt sich rasend fort: Stuttgart, Dresden, München. Fürsten und Kaiser werden von ihren Thronen gefegt, in Berlin, am 9.11. die Republik ausgerufen. Der Krieg ist zu Ende; die Kriegstreiber sind entmachtet.
Vor weit über hunderttausend Menschen auf dem Grodenschulplatz bei der Elisenlust ruft am 10. November der Wilhelmshavener Oberheizer Bernhard Kuhnt die „Sozialistische Republik Oldenburg“ aus. Das erste Mal in der deutschen Geschichte schien eine demokratische Volksbewegung den Sieg davongetragen zu haben.

1958 – 40 Jahre später. Die Berliner CDU fordert, zwei Straßen umzubenennen, die an die beiden Wilhelmshavener Matrosen Reichpietsch und Köbis erinnern. Sie wurden noch vor dem Ausbruch der Revolution als „abschreckendes Beispiel“ hingerichtet – weil sie nichts anderes als menschliches Behandlung und ausreichende Verpflegung forderten.

1978 – 60 Jahre später. In Kiel widersetzt sich die CDU sozialdemokratischen Bemühungen um ein würdiges Denkmal zur Erinnerung an die Novemberrevolution, die uns immerhin die erste politische Demokratie auf deutschem Boden bescherte. Die Kieler Marine zog ihre zunächst zugesagte Unterstützung zurück.

Wieso?

Gewiß, daß was im November 1918 geschah, war deutschen Zuschnitts unvorbereitet, begrenzt und ohne Perspektive. Die deutsche Revolution fand nicht ihren Cromwell, Mirabeau oder Lenin. Die revoltierenden Kriegsteilnehmer hatten kaum einen sehnlicheren Wunsch, als das Weihnachtsfest daheim bei ihren Familien zu verbringen.
Gewiß, auch der Sozialdemokratie gelang es nicht, die neue Republik gestaltend zu prägen. Aber dennoch bleibt uns die Revolution als Akt elementaren menschlichen Aufbegehrens in Erinnerung. Geknechtet und gedemütigt, den wahnwitzigen Kriegszielen deutscher Militärs und Industrieller geopfert, nahm das Volk seine Geschicke selbst in die Hand.

Die Arbeiter- und Soldatenräte waren Keimzellen der Demokratie. Der „kleine Mann“ konnte über seine Geschicke mitbestimmen. Seine Forderungen: „Ende des Krieges und der Diktatur“ waren maßvoll – maßvoll – auch der Versuch ihrer Verwirklichung.
Offenbar zu maßvoll. Denn bereits wenige Tage nach dem befreienden Umsturz rührte sich auch in Wilhelmshaven die Konterrevolution. Als schließlich Ende Januar 1919 nach dem Vorbild des Berliner Spartakusaufstandes auch in Wilhelmshaven eine kommunistische Gruppe aus der Tausendmann-Kaserne das Gesetz des Handelns an sich reißen wollte, schlug die Konterrevolution zu. Ohne die Vermittlungsversuche des Arbeiter- und Soldatenrats zu berücksichtigen, schossen Deckoffiziere und Berufssoldaten die Aufständischen zusammen. Den Rest besorgte der Sozialdemokrat Noske, der am 20.Februar konservativ gesinntes Militär in Wilhelmshaven einrücken, den hiesigen Rat auflösen und die „Sozialistische Republik Oldenburg“ beseitigen ließ.
Doch zurück zu unserer Frage: Warum weicht die CDU dem Gedanken an den demokratischen Frühling im November 1918 aus? Wem fühlt sich die „Volkspartei“ CDU eigentlich mehr verbunden: den demokratischen Volksmassen oder den volksfeindlichen Kräften der Gegenrevolution? Die demokratischen Traditionen unserer Marine und unseres Staates liegen nicht bei Hindenburg und Tirpitz, deren Andenken noch heute in Wilhelmshaven gefördert wird. Sie liegen bei den wirklichen Vertretern der Rechtes des Volkes, bei Bebel, Ebert und Liebknecht, bei Reichpietsch und Köbis.

Wir Jungsozialisten fordern wie der General a.D. Beermann das ehrende Andenken an Reichpietsch und Köbis und zusammen mit dem SPD-Ortsverein Villenviertel/Tonndeich die Errichtung eines würdigen Gedenksteines zur Erinnerung an die Novemberrevolution in Wilhelmshaven.

Wie stellen sich Marine und CDU in unserer Stadt dazu? Wir verlangen Antwort!


ACHTUNG !! Weitere Informationen auf der Veranstaltung des Stadtjugendringes und der Wilhelmshavener Jusos im Pumpwerk am Sonntag, den 17.12.78 mit C.v.Ossietzky-Songgruppe und den Likedeelers.

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