Postreform
Dez 131994
 

Post mortem

Nichts als Ärger

(ef/noa) Wie von den Interessenvertretern des Kapitals nicht anders zu erwarten, wurden Postreform I und II so geschnitzt, daß erst einmal die profitablen Bereiche privatisiert werden; der Rest wird durch Leistungsabbau auf Kosten von Kunden und Personal so lange reduziert, bis es sich rechnet.

Allein in Wilhelmshaven wurden die Poststellen Rüstersiel und Neuengroden und die Postämter Ebertstraße und Genossenschaftsstraße vor Jahresfrist geschlossen. Da halfen auch keine Bürgerproteste, und Briefe der Postbenutzer an Postminister Bötsch wurden nicht einmal beantwortet. Der Widerstand des Rates der Stadt und der Parteien war auch nicht sonderlich stark. Bei den verbliebenen Postämtern wurden die Öffnungszeiten reduziert und das Personal verringert. Dies hat zur Folge, daß sich ehemalige DDR-Bewohner bei uns nun so richtig heimisch fühlen, denn Schlangestehen war für sie alltägliche Übung. So steht nun hintereinander, was hintereinander gehört. Im Postamt Heppens ist die Schlange oft so lang, daß der Raum nicht ausreicht und die Tür offenstehen muß.

Die Post spart – die Kundschaft zahlt drauf

Die betagte Frau A. aus der Raabestraße will ihrem Urenkel zur Konfirmation 50 DM per Einschreibebrief schicken. Früher brauchte sie 10 Minuten, um zum Postamt Neuengroden zu kommen. Jetzt muß sie zur nächsten Bushaltestelle (Hauffstraße) gehen und kann frei entscheiden: Fährt sie zum Postamt Altengroden (mit Linie 1 bis zur Bachstraße, dann umsteigen in die 6), oder zum Postamt Heppens (auch mit Linie 1 und umsteigen in die 2 am Bismarckplatz), oder fährt sie nach Fedderwardergroden (ohne umsteigen zu müssen, aber mit der Aussicht auf eine längere Schlange am Schalter)? Entscheidet sie sich für F’Groden und hat ganz viel Glück (keine Schlange), dann schafft sie es vielleicht, mit dem 60-Minuten- Ticket zu 2,50 DM wieder nach Hause zu kommen -im Regelfall (großer Andrang, egal in welchem Amt) muß sie allerdings für die Rückfahrt noch einmal 2,50 DM bezahlen. Der Brief hat jetzt schon 9,50 DM (4,50 DM fürs Einschreiben plus 5,00 DM Fahrgeld) gekostet und über eine Stunde Zeitaufwand statt früher 20 Minuten.

Zweites Beispiel: Frau N. muß eine Überweisung in die Schweiz vornehmen. Das geht bei der Post preiswerter als bei der Bank. Es scheint aber schwieriger zu sein; die Postbeamtin muß sich bei einem anderen Postamt telefonisch schlaufragen, wie das geht; hinter Frau N. sammelt sich eine Schlange an. Bedingt durch einen Übermittlungsfehler kann die Post die Überweisung nicht vornehmen, Frau N. bekommt 6 Wochen später von der Postbank Saarbrücken einen Scheck über die Einzahlungssumme (selbstverständlich ohne die 20 DM Überweisungsgebühr) und beschließt, es noch einmal zu probieren und noch einmal 20 DM an Gebühren zu entrichten. Beim ersten Versuch erfährt sie nach über einer Viertelstunde des Wartens, daß die Maschine defekt ist, und sie muß am nächsten Tag wiederkommen. Diesmal (wieder nach längerem Warten) ist zwar die Maschine in Ordnung, doch der Beamte sieht sich außerstande, den postamtlichen Scheck anzunehmen, da Frau N. sich nicht ausweisen kann. „Gibt es ein Postamt, bei dem Sie persönlich bekannt sind?“ fragt er. Frau N. ist seit vielen Jahren regelmäßige Postkundin dieses Amtes und meint, dort bekannt zu sein. Aber bei der dauernden Arbeitshetze kommen die Beschäftigten gar nicht dazu, sich ihre KundInnen anzusehen. Frau N. blieb nichts anderes übrig, als den Postscheck ihrer Sparkasse zur Gutschrift vorzulegen. – Frau N.’s Freundin, die für denselben Zweck Geld in die Schweiz überweisen wollte, hatte weniger Ärger: Sie wurde von einer Schalterbeamtin gleich zu ihrer Bank geschickt, „da so etwas per Post nicht geht.“
Der Ärger der PostkundInnen entlädt sich ungerechterweise meistens beim Schalterpersonal; da ist es verständlich, wenn ein ehemaliger Schalterbeamter in einem Leserbrief an „Post“, Organ der DPG, schreibt: „Ich war mal mit Begeisterung im mittleren Postdienst. Ich bin jetzt aber froh, für die abzusehende negative Entwicklung den Postkunden nicht mehr Rede und Antwort stehen zu müssen.“

Alles wird anders

Angesichts solcher Vorkommnisse, wo doch erst der erste Schritt einer grundlegenden Postreform durchgeführt ist, können wir uns nicht vorstellen, wie die Ziele der Postreform II denn verwirklicht werden können die da lauten: „Verbessertes Leistungsangebot und höhere Qualitätsstandards“ und weiter: „… a1s wichtigste Aufgabe ein flächendeckendes Angebot moderner und preisgünstiger Post- und Kommunikationsdienstleistungen“ sicherzustellen unter „Berücksichtigung allgemeiner sozialer Belange“. Deshalb haben wir uns bei den Personalratsmitgliedern Frerich Goosmann und Rainer Singelnstein erkundigt, welche personellen und sonstigen Auswirkungen die Reform weiter haben wird.
Zunächst mußten wir eine ganze Menge lernen. Ab 1.1.1995 wird es keine Postämter mehr geben, sondern Niederlassungen und Filialen, denn unsere gute alte Post wird aufgeteilt in drei Aktiengesellschaften: Deutsche Post AG, Deutsche Postbank AG und Telekom AG. Wilhelmshaven wird seine Postverwaltung verlieren; die Verwaltungsangelegenheiten werden künftig in Leer (Schalterdienst), Oldenburg (Briefdienst) und Bremen (Frachtdienst) geregelt werden. Aus bislang 18 Postämtern mit Verwaltung im Bezirk Weser-Ems werden 7 als Niederlassungen überleben.

Sowohl für „längergediente“ Postbeschäftigte als auch für junge Leute, die bei der Post anfangen wollen, entfallen damit die Möglichkeiten beruflichen Aufstiegs. Überhaupt ist fraglich, ob hier weiter ausgebildet werden kann. Schon zum 1.8.1994 wurden nicht einmal mehr zehn Auszubildende eingestellt, für die die Chance auf Übernahme minimal sein dürfte.
„Die Stimmung ist auf jeden Fall anders als in den Hochglanzbroschüren beschrieben“, schätzt Goosmann ein. Zum Beispiel werden durch die Installierung privater Postagenturen in Kaufhäusern u.ä. Arbeitsplätze vernichtet. Die aktuellste Sorge ist jedoch, daß ab 1.1.1995 nach dem Willen der Regierung Lizenzen zur Beförderung von Katalogen und Prospekten über 250 g – ein Jahr später gar ab 100 g – an private Anbieter vergeben werden sollen. Die Verwaltung rechnet dann mit einer Einsparung von 17.000 Stellen; die Deutsche Postgewerkschaft dagegen befürchtet, daß dadurch bis zu 40.000 Stellen vernichtet werden. In Wilhelmshaven wären das etwa 60 Arbeitsplätze, schätzt Goosmann.

Da muß man sich fragen, woher die zusätzlichen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich, die unser aller Bundeskanzler in seinen Wahlreden angekündigt hat, kommen sollen, wenn im größten Dienstleistungsbetrieb Stellen abgebaut werden.

Übrigens:
„Unsere“ beiden Bundestagsabgeordneten Erich Maaß (CDU) und Gabriele Iwersen (SPD) haben bei der namentlichen Abstimmung zur Postreform 2 mit „Ja“ gestimmt. Frau Iwersen wurde bei der Podiumsdiskussion der Arbeitsloseninitiative am 6. Oktober deswegen zur Rede gestellt. Sie stand zu ihrem Wort: Die Postämter, die da geschlossen wurden, seien kaum noch von der Bevölkerung genutzt worden, da heutzutage doch jeder ein Faxgerät habe, so verteidigte sie ihr Votum im Parlament. (noa)

 

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