Facebook für Fortgeschrittene
Okt 062015
 

Erst denken, dann posten

Im Eifer des Vorwahlkampfgefechts verlieren manche Parteigänger das Wesentliche aus den Augen

fieserfriese

Grafik: Gegenwind

Wenig überraschend, gibt es auch in Wilhelmshaven einige „Besorgtbürger“, die nicht Nazis genannt werden wollen. Wenig überraschend, toben sie sich auch auf „Facebook“ aus. Dort haben sie die Gruppen „Wilgida“ und „Nein zum Heim in Ebkeriege“ gegründet, denen man keine übermäßige Beachtung schenken sollte, denn diese Geisteshaltung ist deutschlandweit aus den „sozialen“ und anderen Medien hinlänglich bekannt. Die richtigen Leute und auch der Staatsschutz behalten im Blick, was sich dort abspielt. Heute sorgten einige „Likes“auf diesen Seiten allerdings für einen Shitstorm zwischen verschiedenen politischen Gruppierungen in Wilhelmshaven. Und eine interessante Kleinigkeit am Rande wurde dabei übersehen.

Die Freien Wähler hatten bemerkt, dass Ratsherr Michael von den Berg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Al Chafia Hammadi (SPD) die Besorgtbürgerseite „Nein zum Heim in Ebkeriege“ geliked hatten.

Der SPD Kreisverband Wilhelmshaven hatte bemerkt, dass OB Andreas Wagner auf derselben Seite einen Post  geliked hatte, worin zur Gründung von Bürgerwehren im Umfeld von Asylbewerberheimen aufgerufen wurde.

Sofort wurden die Vergehen per Screenshots gesichert, und schon fielen Entdecker der „Likes“ über die Verdächtigen her. Nur Michael von den Berg hielt sich mit vorschnellen Vorwürfen gegen den OB zurück und forderte eine Richtigstellung. Die SPD fasste sich eher kurz (und entschuldigte sich später), die Freien Wähler stimmten eine unterirdische Tirade insbesondere gegen Hammadi an (der 1990 als Bürgerkriegs-Flüchtling aus dem Libanon nach Deutschland kam), deren Details viel zu blöd sind, um sie hier nochmal wiederzugeben.

Stattdessen ein paar Tipps von uns:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, warum jemand eine Facebook-Seite oder einen einzelnen Post mit „Gefällt mir“ markiert, obwohl ihm die Seite oder der Eintrag eigentlich gar nicht gefällt:

1. aus Versehen, weil der Finger zu dick ist für die Smartphone-Tastatur

2. jemand anders hat den den Facebook-Account des Betroffenen geknackt und postet unter dessen Namen – das merkt der/die Betroffene allerdings in weitreichendem Umfang, als schnelle Ausrede geht es deshalb nicht durch

3. ihm/ihr gefällt diese Seite überhaupt nicht, genau deshalb möchte er/sie aber mitlesen, was sich dort so ereignet.

Wenn man nun darüber stolpert, dass jemand was „gefällt“, was gar nicht zu dieser Person passt oder passen sollte, dann kräht man das nicht gleich vorwurfsbeladen in die Facebookwelt hinaus, sondern versucht erstmal mittels einer „PN“, einer persönlichen Nachricht, oder noch besser im (Telefon-)Gespräch zu klären, was da los ist.

Tja, es sei denn, es geht nicht um Klärung, sondern darum, jedes potenzielle Haar in der Suppe politischer Konkurrenz zu einem Skandal aufzublähen. Wilgida liest das digitale Gemetzel übrigens auch mit, postet die Screenshots der Screenshots und freut sich einen Wolf. Glückwunsch!

Das ging im Rat der Stadt schon mal anders. Wann immer in den letzten 10, 20 Jahren ein Vertreter der Rechtsextremen ein Mandat ergattert hatte, wurde er von den übrigen Parteien durch kollektives Ignorieren ins Abseits befördert. Kein Redebeitrag, kein Antrag wurde ernst genommen. Aber das war in den Zeiten vor Facebook, als man sich noch Zeit nahm, um nachzudenken und miteinander zu reden.

Die Freien Wähler haben sich mit dieser Aktion ins politische Abseits befördert. Die Selbstdarstellung scheint ihnen wichtiger zu sein als die parteiübergreifende Solidarität, ohne die man dem rechten Rand nicht entgegentreten kann.

Auf Nachfrage erklärte der OB, er sei möglicherweise beim Durchscrollen auf den „Like“-Button gekommen. „Wir beobachten diese Leute auf Facebook, damit wir politisch handeln können“, erklärte er.

Zuordnungsverwirrung

Bei all dem Durchscrollen, Beobachten und Screenshooting ist eines anscheinend bisher keinem aufgefallen. Fast keinem: Bereits am 21.9. wurde jemand stutzig, dass die Gruppe „Nein zum Heim in Ebkeriege“ das Wilhelmshavener Stadtwappen, den Rüstringer Friesen, in ihrem Titelbild führt, und fragte im Rathaus nach. In der Hauptsatzung der Stadt steht zu lesen: „Eine Verwendung des Stadtwappens zu nicht behördlichen Zwecken ist nur mit Genehmigung des Oberbürgermeisters zulässig.“ Aha. Trotz mehrfacher Nachfrage prangt das Stadtwappen noch immer dort und ist auf den Screenshots zu sehen, mit denen sich die Kontrahenten der bürgerlichen Mitte die fragwürdigen „Gefällt mir“-Angaben um die Ohren hauten.

Dass Facebook sehr hartleibig ist, wenn es um das Löschen bestimmter Einträge geht, ist bekannt. Nur Posts, die unbedeckte primäre oder sekundäre Gesschlechtsmerkmale zeigen, werden in Lichtgeschwindigkeit eliminiert; bei brutaler Gewalt in Wort und Bild sind die Admins des Netzwerk-Titanen hingegen sehr tolerant. Hier geht es jedoch weder um Nippel noch um Brutalität, sondern um ein hoheitliches Zeichen, das die Werte einer Kommune repräsentiert.

Die Verantwortlichen der „Nein-zum-Heim“-Seite (wie auch der Wilgida-Seite) halten sich bedeckt, namentliche Posts oder Impressum Fehlanzeige. Das macht es dem Rechtsamt der Stadt nicht leicht, aber es gibt auch andere Wege: Statt auf der Seite nur rumzuklicken, könnte der OB dort einfach mal Tacheles posten, wenn ihm daran gelegen ist, dass das Stadtwappen dort verschwindet. Diese Idee wurde schon ans Rathaus weitergereicht, aber bisher nicht umgesetzt.

Vor einem Jahr beantragte der Kreisverband Wilhelmshaven der Partei DIE PARTEI die Nutzung des Stadtwappens und erhielt folgende Antwort:

Grafik: Die PARTEI Wilhelmshaven.

Grafik: Die PARTEI Wilhelmshaven.

„Der Oberbürgermeister hat die Verwendung des Stadtwappens in Verbindung mit Ihrem „Partei“-Logo nicht gestattet … Gesetzlich begründet ist dies durch den Namensschutz, welcher sich aus §22 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz ergibt. Durch diesen namensrechtlichen Schutz ist das Stadtwappen gegen unbefugten Gebrauch geschützt. Von unbefugtem Gebrauch im Sinne der Vorschrift kann dann gesprochen werden, wenn der Gebrauch dazu geeignet ist, eine sogenannte „Zuordnungsverwirrung“ hervorzurufen. Das hieße in diesem Fall, die Stadt würde zu einer Einrichtung, hier „Die Partei“, in Beziehung gesetzt, mit der sie nichts zu tun hat, womit für den objektiven Betrachter der Eindruck entstünde, als stehe die Stadt selbst für die Wappenverwendung. Dies wäre schon dann zu bejahen, wenn die falsche Vorstellung hervorgerufen wird, die Gemeinde habe dem Verwender des Wappens dessen Nutzung gestattet.“ 1

 

Aktuell entsteht für den objektiven Betrachter der Eindruck, als stehe die Stadt hinter „Nein zum Heim in Ebkeriege“ bzw. zur WILGIDA.

In einem Erwiderungsschreiben auf die Ablehnung hat DIE PARTEI nachgefragt, in welcher Beziehung die Stadt denn z. B. zum Golfclub, zur WZ, zur CDU oder zur Schlaffaria Schlicktonnia steht, die allesamt das Stadtwappen führen.

 

 

 

 

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