Der „Fall“ Siegfried Steiner
Nov 081982
 

Vergangen Vergessen Vorbei?

Von der Schwierigkeit, mit einem Berufsverbot zu leben

(red.) Solidaritätsveranstaltungen hat er viele erlebt. Doch das ist lange her. Siegfried Steiner (33) ist etwas mutlos geworden. Der Wilhelmshavener Lehrer mit Berufsverbot hört nach drei Jahren nur noch wenig von Freund und Feind. Er jobt sich durchs Leben – stets von Arbeitslosigkeit bedroht.

steiner_siegfriedDabei hatte alles ganz hoffnungsvoll angefangen. Als die niedersächsische Landesregierung im Herbst 1979 dem ausgelernten Französisch- und Geschichtslehrer wegen z.T. acht Jahre zurückliegender flüchtiger KBW-Kontakte Berufsverbot erteilte, brandete eine große Solidaritätswelle auf.beweise
Steiner Schüler, der Stadtjugendring, der Stadtschülerrat, Falken, DFG/VK und SDAJ riefen zum Protest auf. SPD und JUSOS unterstützten ihren Genossen medienwirksam stadt- und bezirksweit. Der DGB und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) solidarisierten sich mit ihm in einer Großveranstaltung mit viel Prominenz. Evangelische Kirche, Rundfunk, FDP-Mitglieder, Pumpwerk, Gruppen und Parteien aus Dänemark und Holland – alle waren sie dabei. Der SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Theilen brachte den Fall sogar vor den Landtag.
Und dann kehrt der „Berufsverbote-Alltag“ ein. 1980/81 erfolglose Klage vor dem Arbeitsgericht. Beim Verwaltungsgericht liegt Steiners Klage seit über zwei Jahren. Vor 1983 wird sich da auch nichts tun, heißt es. Steiner hofft und wartet. – Soll er umsatteln? Aber welche Alternativen gibt es? Was macht ein Ex-Lehrer mit Geschichte und Französisch? Das Lehrerstudium eröffnet nicht viele Möglichkeiten. Und zudem: Würde er jemals – auch in der Privatwirtschaft – den Makel des Berufsverbotenen loswerden? Weder beruflich noch privat kann er sich so recht festlegen, solange das Verwaltungsgerichtsverfahren schwebt.
Und die regierungsamtlich zugefügte Demütigung frißt an Steiners Selbstwertgefühl. Das Mitleid und die Hilflosigkeit der Freunde tun ein Übriges. Von den meisten derer, die vor drei Jahren nicht laut genug für ihn kämpfen konnten, hört er ohnehin nichts mehr.
Sein Schicksal verschwindet wie das vieler Berufsverboteopfer in einem Riesenberg von mehr als 30.000 arbeitslosen Lehrern. Was macht schon ein altes Berufsverbot, wo heute doch sowieso drei von vier Lehreranwärtern arbeitslos werden?
Auch die damaligen Hauptträger der Unterstützungskampagne für Siegfried Steiner scheinen ihren Schützling vergessen zu haben. Seit vielen Monaten schon schweigen SPD, Jusos, DGB, GEW und Stadtjugendring. Steiner erreichen gelegentlich noch Einladungen zu einschlägigen Arbeitskreisen. Neue „Fälle“ drängten mit der Wucht ihrer Aktualität in den Vordergrund: Hartmut Ring, Ulrike Marks, Dorothea Vogt. Bleibt zu hoffen, das ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie Siegfried Steiner!

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