Großmarkt
Jan 151984
 

Teegeflüster

Der wundersame Rückzug Familas von der Jade

(woku) Den Wilhelmshavenern bleibt ein weiterer Verbraucher-Großmarkt erspart. Die Famila-Gruppe aus Oldenburg stoppte laut WZ „überraschend“ ihr „beginnendes Engagement an der Jade“. Gründe erfährt der zahlende Zeitungsleser wohlweislich nicht. Könnten sie ihm zu tiefe Einsichten in das vermitteln, was man „soziale Marktwirtschaft“ nennt?

Das geplante Famila-Engagement in Wilhelmshaven war gut vorbereitet. Nach sorgfältigen Analysen vor Ort hatte der Ludwigsburger Gutachter P. Vogels eine unterdurchschnittliche Attraktivität des Wilhelmshavener Einzelhandelsfestgestellt. Mit 175,2 Millionen Mark (das sind 17,4%) fließt aus Wilhelmshaven und Umgebung weit mehr Kaufkraft nach auswärts ab als anderswo. Davon wollte Famila 47 Millionen in die eigenen Kassen lenken.
Ein Famila-Großmarkt am Stadtrand, das hätte nicht nur die ohnehin nicht sehr lebendige Wilhelmshavener Innenstadt noch weiter verödet. Das hätte für die Verbraucher vielleicht auch niedrigere Preise, mit Sicherheit aber eine schärfere Konkurrenz in der bislang von der NVA (Plaza, Comet, Jadezentrum, Citycenter …) unumstritten beherrschten Jadestadt bedeutet.
Der drohende Konkurrent rief den Einzelhandel auf den Plan – ersetzt doch ein Arbeitsplatz im Großmarkt zweieinhalb im traditionellen Einzelhandel. Das freie Spiel der Kräfte war nicht mehr gefragt. Bei einer Anhörung im Verwaltungsausschuß des Stadtrates forderte Verbandsvertreter Leffers, daß die Stadt die bestehenden Marktanteile sichere. Und die Großen an der Jade, EDEKA (VMS) und NVA warnten vor dem „Ausbluten“ des „kleinen, selbständigen Handels“. Marktriese NVA drohte sogar mit der Schließung des Jadezentrums, der Aufgabe verschiedener Bäckereien. ja sogar mit der Verlegung der NVA-Zentrale von Wilhelmshaven nach Hamburg – und als Folge all dessen mit steigender Arbeitslosigkeit an der Jade. Außerdem winkten der Handel und die ebenfalls nicht gerade der Planwirtschaft verpflichtete CDU mit einer alten – eigentlich sehr vernünftigen – Ratsvereinbarung, die keine weiteren Großmärkte mehr vorsieht.
Doch plötzlich waren die vom hiesigen Einzelhandel so hart ins Gebet genommenen Politiker gar nicht mehr gefragt. Anfang Dezember bekundeten zwei Famila-Vertreter in einem Gespräch mit dem
Stadtkämmerer Dr. Norbert Boese „überraschend“ (WZ), daß Famila freigiebig auf 47 Millionen Jahreseinnahmen verzichte.
Gutinformierte Kreise, zu denen kein Geringerer als Famila-Gesprächspartner Boese selbst zählt, wollen wissen, daß Famila gar nicht so ganz freiwillig zurückgezogen habe. Des Rätsels Lösung soll im Teedurst der Ostfriesen und Wilhelmshavener liegen.
teeEin Viertel allen deutschen Tees fließt durch die Kehlen der Küstenbewohner. Ein bedeutender ostfriesischer Teeproduzent, die Firma Bünting aus Leer, setzt nach Auskunft ihres Sprechers Lindner sogar über die Hälfte ihres Tees in unserer Region ab. Ein – wie Lindner sagt – „sehr großer Abnehmer von Bünting-Tee ist aber die NVA (Sitz: Wilhelmshaven), die zwischen Ems und Jade zahllose Einzelhandelsgeschäfte betreibt, in denen sie Bünting-Tee anbietet. Ganz zufällig nun – so Insider – habe NVA entdeckt, daß Famila knapp zur Hälfte (genau zu 49%) der Firma Bünting gehöre. Was habe da näher gelegen, als daß Teekäufer NVA den Teeproduzenten Bünting auf die gemeinsamen Interessen in Sachen Tee und den möglichen Einfluß Büntings auf Famila aufmerksam gemacht habe. Wer würde es nicht bedauern, wenn sich auf NVA-Regalen kein Bünting Tee mehr fände? Freilich, die teils verärgerten, teils verschreckten Dementis der befragten Firmensprecher verunklarten zunächst den Sachverhalt nicht weniger als gute Sahne von NVA klaren Bünting-Tee trüb und lecker macht.
NVA-Sprecher Frerichs hielt Dr. Boeses Theorie für „Unsinn“ und „kaufmännisch unsinnig“. NVA habe keinen Druck auf Bünting ausgeübt. Dem wollte sich auf Gegenwind-Anfrage Bünting-Chef Ludwig Klopp jedoch nicht anschließen. Klopps Äußerungen war zu entnehmen, dass sich Bünting auch in der Vergangenheit schon mehrfach in der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen durch die Wilhelmshavener NVA beeinträchtigt sah. Immerhin: offensichtlich hat uns Großmarktbesitzer NVA einen weiteren Großmarkt vom Halse gehalten.
Die WZ kannte diesen Sachverhalt – und enthielt ihn ihren Lesern vor. Verständlich: Laut Werner Ehlert verantwortlich für den Anzeigenteil der WZ – ist NVA zwar nicht der größte, aber doch ein „sehr potenter Anzeigenkunde“.
PS. Die nächste Runde steht schon an: Nach Ansicht des CDU-Ratsherrn Focke Hofmann lässt sich der für des Olympia-Gelände geplante 20.000 m2 Verkaufsfläche weite Großmarkt durch die vorgesehenen rechtlichen Schritte der Stadt allenfalls aufschieben, aber nicht verhindern.

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