Arbeitsplatzinitiative für Frauen
Sep. 131993
 

Zittern und Bangen

Arbeitsförderungsgesetz nimmt keine Rücksicht auf Strukturen

(noa) Eine eingängige Abkürzung – API – hat sich eingebürgert, doch die Initiatorinnen wünschen sich, daß der Vereinsname „Arbeitsplatzinitiative für Frauen e.V.“ mehr im Bewußtsein präsent sein möge, denn er nennt gleichzeitig das Anliegen und Programm.

1985 wurde der Verein von sieben Frauen gegründet, die angesichts der Feststellung, daß der Arbeitsmarkt sie trotz hoher Qualifikation offensichtlich nicht will, beschlossen, sich Arbeitsplätze selber zu schaffen.
1986 gab es den ersten Arbeitsplatz über ABM, die Nähstube. Hier wird für Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen kostenlos genäht; lediglich die Materialkosten müssen von den KundInnen getragen werden. Wer möchte, kann sich dort auch beim Selbernähen helfen und anleiten lassen.
Der nächste Schritt im Aufbau des Vereins war die Beratungsstelle, eine Erst-Anlaufstelle für Leute, die mit einem Formular nicht klarkommen, Ehe- oder Erziehungsschwierigkeiten haben oder die aus sonstigen Gründen Beratung brauchen. Wo die Beraterin nicht weiterhelfen kann, überweist sie an eine der anderen Beratungsstellen (Drogenberatung, Schuldnerberatung etc.).
Seit über zwei Monaten kann nur noch Notfallberatung stattfinden: Nach dem Auslaufen der letzten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gab es keine Verlängerung. Ein neuer Antrag auf Förderung ist gestellt worden, doch ob dafür wieder ABM-Mittel bewilligt werden, ist unklar. Der Verein ist mangels Eigenmittel nicht in der Lage, einen Dauerarbeitsplatz in diesem Bereich zu versprechen, und diese Garantie wäre die Bedingung für eine AB-Maßnahme nach der Prioritätenliste des 200 Mrd. DM-Notprogramms (vgl. GEGENWIND 116: „Noch mal davongekommen“).
Ein völliges Wegbrechen der Beratungsstelle wäre besonders drastisch für API, denn sie ist das Herzstück des Vereins. Alle weiteren Aktivitäten der Arbeitsplatzinitiative entstanden für den in den Beratungsgesprächen festgestellten Bedarf.
So stellte sich schnell heraus, daß besonders junge Frauen in Wilhelmshaven von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es sind in Wirklichkeit noch mehr, als die Arbeitslosenstatistik ausweist, denn nach den Erfahrungen der API melden viele SchulabgängerInnen sich erst gar nicht beim Arbeitsamt. 1987 lief deshalb die erste“Arbeit und Lernen“-Maßnahme im Bereich Textiles Gestalten für 20 junge Frauen an, ein Jahr später kam eine Maßnahme im Bereich Mechanisches Theater (heute heißt sie Holz/Metall/Mechanik) hinzu. Diese Arbeit und Lernen-Maßnahmen laufen jeweils ein Jahr und verbessern die Chancen arbeitsloser Frauen auf einen „regulären“ Arbeitsplatzerheblich: Etwa 50 % der A und L-Teilnehmerinnen sind danach ausbildungsfähig.
Nicht nur bei den Teilnehmerinnen handelt es sich um Frauen, die zunächst auf dem regulären Arbeitsmarkt keine oder nur geringe Chancen haben. Auch im Unterweisungsbereich arbeiten Frauen, die der erste Arbeitsmarkt nicht will. So unterrichten in der Mechanik-Werkstatt z.Zt. zwei junge Industrieelektronikerinnen, denen ihre Qualifikation aufgrund ihres Geschlechts auf dem ersten Arbeitsmarkt nichts nützt.
Der ABM-Stopp in diesem Jahr traf die Arbeitsplatzinitiative in diesem Bereich eiskalt: Nach dem Ende der Mechanikmaßnahme im Februar gingen auf einen Schlag 31 Arbeitsplätze verloren, indem die Folgemaßnahme zunächst nicht bewilligt wurde. Durch das Notprogramm konnte am 1.6. eine neue Maßnahme (wenn auch nur mit zwei statt den notwendigen vier Anleiterinnen) anlaufen, doch ab März machte sich das Fehlen von 20 A und L-Teilnehmerinnen und ihren Anleiterinnen schmerzlich bemerkbar, denn das jüngste Projekt, der Kindergarten, geriet dadurch in Gefahr. Die Mitarbeit dieser Frauen an der Einrichtung des Kindergartens war eingeplant, und nur durch unbezahlte Wochenend- und Feierabendarbeit der Vereinsmitglieder konnte der Eröffnungstermin 1.Mai gehalten werden.
Die Anregung, einen Kindergarten einzurichten, kam vom Arbeitsamt. Zusammen mit der städtischen Frauenbeauftragten und dem Arbeitsamt ermittelte API die Bedarfszahlen, die dann den Ausgangspunkt für die Kindergartenplanung bildeten. Im „Drachennest“ gibt es nun 50 Kindergarten- und 15 Krippenplätze zu Öffnungszeiten, die den berufstätigen Eltern besonders entgegenkommen: Von 6 bis 21 Uhr, auch in den Ferien, können die Kinder hier betreut werden.
Momentan stehen bei API 82 Frauen und 4 Männer in Lohn und Brot. Die meisten dieser Arbeitsplätze sind AB-Maßnahmen. 3 Stellen werden im Rahmen der Stammkräfteförderung vom Land Niedersachsen bezahlt. Auch diese Zuschüsse sind jeweils nur für ein Jahr gesichert, und selbstverständlich ist die Landesförderung immer abhängig von der Zuweisung von AB-geförderten Teilnehmerinnen durch das Arbeitsamt. Es ist jedes Jahr ein Zittern und Bangen; die Planungsunsicherheit zerrt an den Nerven der Vorstandsmitglieder, die persönlich haften.
Das Arbeitsförderungsgesetz wird etwa jährlich geändert, und kein Träger kann sich darauf verlassen, die Infrastruktur, die vorgehalten wird und die ja Geld kostet, im nächsten Jahr weiter bedarfsgerecht vorhalten zu können. So wünschen sich die Frauen von API regionale Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitsämter. Der Strukturwandel läuft regional unterschiedlich ab, das AFG gilt jedoch ungeachtet dieser Unterschiede bundesweit gleich. Es ist notwendig, daß die Landes- und die kommunalen Arbeitsämter die Möglichkeit erhalten, an den tatsächlichen Bedarf angepaßt Mittel zuzuteilen, so daß die freien Träger bedarfsgerecht arbeiten können.

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