Stadtbild
Jun 071994
 

Was die Bomben verschonten ...

Arbeitskreis „Wilhelmshavener Stadtbild“ stellt Broschüre vor.

(hk) Die wohl einzige kritische Publikation zur 125. Wiederkehr der Namensgebung der Stadt Wilhelmshaven will der Arbeitskreis Wilhelmshavener Stadtbild pünktlich zum Jubiläum der Öffentlichkeit vorstellen.

bombenAnhand von gut einem Dutzend Beispielen beschreibt der Arbeitskreis in seiner Broschüre, was Wilhelmshaven in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg verloren hat: „Unsere Heimatstadt Wilhelmshaven ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten um vieles ärmer geworden. Ärmer an landschaftlicher Schönheit (qualitativ wie quantitativ), ärmer an aussagefähigen Geschichtszeugnissen, ärmer an Ortsbildkultur und lokaler Eigenart. Nicht von außen – wie noch im Bombenkrieg – wurden der Stadt diese Verluste zugefügt. Die „neue Armut“ ist selbstgemacht.“ (aus dem Nachwort).
Ganz bewußt soll die Broschüre zum 125. Namenstag der Stadt erscheinen: „Wilhelmshaven zu seinem 125jährigen Stadtjubiläum – es hätte mehr, es hätte Besseres sein können. Deshalb diese – wohl einzige – kritische Jubiläums-Publikation. Ohne Hochglanz. Finanziert ohne öffentliche Mittel und ohne kapitalkräftige Sponsoren, im wesentlichen von den Autoren selber. Von Menschen gemacht, die ihre Heimatstadt lieben, denen Wilhelmshaven viel bedeutet. Texte geschrieben mitunter aus blutendem Herzen. Besonders schmerzt, daß Werte, die den Stadtverantwortlichen unserer Jahre und Nachkriegsjahrzehnte von früheren Generationen geschenkt wurden, keine gebührende Achtung fanden. ( … )
Am 17. Juni 1869 gab der preußische König und spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. unserer Stadt seinen Namen. „Sein“ Wilhelmshaven entwickelte sich zum dualistischen Brennpunkt konservativen Preußentums und (r)evolutionärer Umwälzung.
Die steinernen Zeugen dieser deutschen Geschichte waren 1945 noch restaurationsfähig vorhanden: die Häuser an der Adalbertstraße, Paul Hugs Banter Lokal „Zur Arche“, Keimzelle der sozialdemokratischen Bewegung in Norddeutschland , und die Tausendmann-Kaserne, der Ort des Spartakistenaufstandes.
Wilhelmshavens Nachkriegspolitik machte allen den Garaus. Preußen, Paul-Hug-Sozialdemokratie und Spartakus – sozusagen eine Schicksalsgemeinschaft, gemeinsam leidend an „ihrem“ Wilhelmshaven. Und während man dem Preußenkönig nun als Namensgeber zwar, doch politisch umstritten, ein neues Denkmal setzt, zertrümmert man dreihundert Meter weiter den – keiner politischen „Bruchstelle“ verdächtigen – wilhelminischen Bahnhof und ist hierauf auch noch stolz.
Konzeptionelle Überlegungen, das die gesamte Dauer unserer 125jährigen Stadtgeschichte begleitende, die Stadtmitte prägende Gebäude in die Neugestaltung des Bahnhofskomplexes einzubeziehen, wurden von keiner politischen Kraft aufgenommen. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr – das ganz ins Zeichen historischer Wertbesinnung gestellt wurde- vollzieht man, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, die Hinrichtung des ältesten Gebäudes unserer Stadt. “
Der Arbeitskreis möchte mit seiner Broschüre die Kulturverantwortlichen und möglichst viele Bürger für die Problematik baupolitisch-planerischer Fehlentwicklungen sensibilisieren. Denn der Bahnhof, auch das wird in der Broschüre verdeutlicht, ist längst nicht das letzte Gebäude, welches in den Köpfen der Planer bereits abgerissen ist.

Broschüre: „Was die Bomben verschonten … vernichtete die Nachkriegspolitik“
Kostenlos zu beziehen über: Peter Hopp, Brahmsstraße 53, 26386 Wilhelmshaven

Broschüre hier als download

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