Altlasten
Jun 071994
 

Chefsachen

Deponie Kirchreihe und ICI-Deponie: Gefährdungen der Bevölkerung

(hk) Heute weiß jeder, daß der Hausmüll mit Giften durchsetzt ist -„Getrenntsammlung“ heißt heute das Zauberwort, um Gifte von den Deponien fernzuhalten. Das war früher nicht so und ist auch heute nicht immer so.

deponieÜber die seit mehr als 10 Jahren erfolgte Deponierung von dioxinhaltigen Klärschlämmen aus der PVC-Produktion der Firma ICI auf der Deponie Nord berichteten wir bereits im letzten GEGENWIND. Als Nachtrag zu dieser unglaublichen Schlamperei seitens der Aufsichtsbehörden und der Firma ICI bleibt zu berichten, daß die Untersuchungsergebnisse dem Umweltministerium schon lange vor der Pressekonferenz Ende März bekannt waren. Das Umweltministerium wartete mit der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse bis nach der Landtagswahl. Grund für diese Verzögerung: Man wollte verhindern, daß die GRÜNEN durch das Bekanntwerden dieses Umweltskandals zusätzliche Stimmen bekommen!
Was jetzt mit den dioxinverseuchten Abfällen auf der Hausmülldeponie geschieht, steht in den Sternen. In der Stadtverwaltung wurde die Angelegenheit zur „Chefsache“ erklärt, was einer totalen Informationssperre gleichkommt.

Altlasten

Größere Kopfschmerzen als neuere Mülldeponien machen naturgemäß die alten Deponieflächen, auf denen sämtliche Abfälle der frühen Konsumgesellschaft ihre letzte Bleibe fanden. Heute sind diese Deponien grasüberwuchert, mit Siedlungen, Schulen und Kleingärten überbaut. Doch die Sünden der frühen Jahre suchen sich ihren Weg ans Licht.

Deponie Kirchreihe

pvc
Bevor Wilhelmshavens Abfälle auf der Deponie im Heppenser Groden entsorgt wurden, gelangte der städtische Müll (seit 1927) auf die Müllkippe nördlich der Kirchreihe. Das Gelände der ehemaligen Müllkippe ist heute überbaut mit Sportforum, Eishalle, Freibad, Stadion und Kleingärten. Die Gräben im Bereich der ehemaligen Müllkippe sind mit den Gräben der Kleingartenkolonien im Areal zwischen Friedrich-Paffrath-Straße, Stadtpark, Neuengrodener Weg und Friedenstraße verbunden. Seit vielen Jahren hält sich das Gerücht, daß der Stadt Wilhelmshaven Untersuchungsergebnisse vorliegen, dass das gesamte Gelände nördlich der Kirchreihe stark schadstoffbelastet sei. Doch aus dem Rathaus kamen immer nur Dementis. Jetzt wurde das gesamte Gelände erneut untersucht. Mehrere hundert Proben wurden gezogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen alarmierend sein. Doch aus der Stadtverwaltung ist wieder einmal kein Ton zu vernehmen. Die Vermutung, daß die Stadt Wilhelmshaven hier mal wieder etwas verschleiern will, bekommt dadurch Nahrung, weil den Fachämtern die Zuständigkeit entzogen wurde. Auch die Müllkippe Kirchreihe wurde zur Chefsache erklärt – zuständig sind nur noch Stadtdirektor Frank und Bauamtsleiter Sonnemann.

 

Kommentar:

Während in Wilhelmshaven Arbeitsplatzabbau, Pleiten und Skandale (ICI, FMW, Marine, Dioxine, Fehlbildungen… ) unverändert das Tagesgeschehen bestimmen, die Arbeitslosigkeit eine Höhe erreicht hat, die nur in einigen wenigen Arbeitsamtsbezirken der ehemaligen DDR übertroffen wird, betreibt unser Oberstadtdirektor verantwortungslose Schönfärberei.
Dazu einige Kostproben aus dem von Arno Schreiber verfaßten Aufsatz: „Wilhelmshaven: Volle Kraft voraus!“ „Wilhelmshaven ist nicht wiederzuerkennen. Es tut sich Unglaubliches in der Nordseestadt. Vor wenigen Jahren noch machte sich Resignation breit, wurden strukturelle Schwächen, unausweichliche Betriebsumstellungen, zeitbedingte Wachstumsrückstände und sektorale Konjunktureinbrüche zu Horrormeldungen ausgewalzt. Jetzt verbreitet sich in der Stadt eine ungeahnte Aufbruchstimmung, die mitreißt und ansteckt. Die Schwarzmalerei von gestern ist vergessen und entschlossenem Selbstbewußtsein gewichen. Die Aufwärtsentwicklung in Wilhelmshaven ist es wert, als Botschaft über die Stadtgrenzen hinausgetragen zu werden. Behutsame Pflege vieler zarter Pflänzchen hat das Feld für konkrete Ansatzpunkte und realistische Projekte bestellt.“
Was sind das für zarte Pflänzchen? Etwa der Unternehmer aus Schortens. der schlechtes Fleisch zu guten umstempeln läßt? Oder der Unternehmer dem schon vor Betriebsaufnahme das Geld ausgeht? Oder ist ICI, deren Chemiker über mehr als ein Jahrzehnt nicht in der Lage waren Dioxine im Klärschlamm zu entdecken? Ist vielleicht die Beta-Raffinerie, die ihre Tankschiffe übers Hohe-Weg-Watt schicken möchte, ein solches zartes Pflänzchen?
„Lügen haben kurze Beine“ heißt eines unserer Sprichwörter. Wie lange wird es dauern, bis unser Oberstadtdirektor vom Rathausturm heruntersteigt und sich ernsthaft um die Probleme unserer Stadt kümmert?

Hannes Klöpper

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