Reform der Stadtverwaltung
Feb 071996
 

Alles neu...

Die Reform der Stadtverwaltung ist nun beschlossene Sache – Was heißt das?

(noa) Ein haushaltsloses Jahr ist ins Land gegangen; ob Wilhelmshaven 1996 einen genehmigungsfähigen Haushalt haben wird, steht derzeit noch in den Sternen. Der Schuldenberg jedenfalls ist beträchtlich, Wilhelmshavens Finanzsituation ist desolat.

Die beiden größten Ausgabenbereiche sind der Sozialhilfetopf und die Personalkosten. Für die hohen Ausgaben im Bereich Sozialhilfe trifft die Stadt keine Verantwortung. Die Abwälzung der Kosten der Arbeitslosigkeit auf die Kommunen ist Folge der Bundesgesetzgebung. Was die Stadt in diesem Bereich kürzen kann, hat sie schon gekürzt: Nirgendwo sonst sind die einmaligen Beihilfen für SozialhilfeempfängerInnen so niedrig wie in Wilhelmshaven. Es wird hier immer nur der Mindestsatz gezahlt.
Daß die Stadt Wilhelmshaven ihre Ausgaben für das Personal kürzen soll, verlangt die Kommunalaufsicht schon seit Jahren. Und obwohl die Stadtverwaltung schon kräftig verschlankt wurde, liegen die Personalausgaben immer noch über denen vergleichbarer Kommunen im Regierungsbezirk, und die Bezirksregierung verlangt weitere Kürzungen.
Die Notwendigkeit der Senkung öffentlicher Ausgaben trifft nicht nur Wilhelmshaven. Andere Kommunen wie auch die Bundesländer stehen vor derselben Situation, wenn auch vielleicht nicht so kraß wie Wilhelmshaven. Stellenabbau durch Einstellungsstop führt nun bei unveränderter Verwaltungsstruktur im allgemeinen zu erheblicher Mehrbelastung des verbleibenden Personals und dadurch zu Unzufriedenheit und erhöhtem Krankenstand.
Der Bund hat sich zwei große Zuschußbetriebe, die Bahn und die Post, vom Halse geschafft. Privatisierung ist eine Möglichkeit, öffentliche Kassen zu entlasten. Die Beschäftigten bei Post und Bahn können ein Lied davon singen, wie massiv ihre neuen Arbeitgeber rationalisieren, um die Personalkosten zu senken, und die KundInnen dieser Aktiengesellschaften haben die Sparmaßnahmen auch schon zu spüren bekommen (neuer Telekom-Tarif, Ausdünnung der Fahrpläne etc.)
Die Alternative zur Privatisierung ist die Umstrukturierung der Verwaltung. Die Verwaltungsreform des Landes Niedersachsen ist schon in vollem Gange, und einige Kommunen sind ebenfalls dabei, ihre Verwaltungen zu reformieren. Seit dem Sommer letzten Jahres ermittelten Berater der KGSt consult Kommunalberatung den Modernisierungsbedarf der Stadtverwaltung in Wilhelmshaven.
Die Vorarbeiten sind nun abgeschlossen; Ende November legte das Institut ein „Strategisches Handlungskonzept“ für die Verwaltungsreform vor. In seiner Dezembersitzung stimmte der Rat diesem Reformprojekt zu – ohne Gegenstimmen. Der „Modernisierungsbedarf bezieht sich … sowohl auf grundlegende strukturelle Veränderungen als auch auf den Abbau zahlreicher motivations- und leistungshemmender Faktoren, die den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschweren“, heißt es im Vorwort der Studie.

Motivations- und leistungshemmende Faktoren

Fangen wir mit diesen letzteren an. Die Mitarbeiterbefragung per Fragebogen, die die Beratungsfirma im Sommer durchführte, ergab: Über ein Drittel der städtischen Verwaltungsangestellten erhält nicht oder nicht immer die für die tägliche Arbeit erforderlichen Informationen – auf Amtsleiterebene steht es in diesem Punkt sogar noch schlimmer: Über die Hälfte von ihnen beklagt Kommunikationsprobleme mit den Dezernenten bzw. dem Oberstadtdirektor.
59 % derer, die einen Fragebogen erhalten und ausgefüllt haben, kennen keine regelmäßigen Dienstbesprechungen – da ist es fast schon wieder erstaunlich, daß doch immerhin fast zwei Drittel im allgemeinen gut informiert sind.
Die Beschäftigten, die solche regelmäßigen Teamsitzungen erleben, sind zu 23 % unzufrieden mit den Inhalten und je zu 26 % unzufrieden mit der Leitung und mit den Ergebnissen. Mangelhafte Vorbereitung und schlechte Gesprächsleitung führen zu unbefriedigenden Ergebnissen – es werden keine klaren Arbeitsaufträge formuliert und keine klaren Zuständigkeiten festgelegt, und Entscheidungen werden nicht als verbindlich betrachtet und zum Teil wieder umgestoßen. Kritisiert wird auch, daß Entscheidungen gefällt werden, ohne daß berücksichtigt wird, was für Auswirkungen sie auf andere Abteilungen haben.
Nicht nur hier wird ein Führungsdefizit deutlich. Weit über 60 % der MitarbeiterInnen bekommen von ihren Vorgesetzten nie oder selten eine Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit, und wenn Feedback kommt, ist es häufig nur negatives.
Ein Kernproblem der Stadtverwaltung ist die Thematik „Aus- und Weiterbildung“: Über ein Viertel der Beschäftigten nimmt seltener als alle vier Jahre an Fortbildungsveranstaltungen teil, und weit über ein Drittel hat noch nie Fortbildung genossen.
Daß trotz all dieser Mißstände die Arbeitszufriedenheit groß ist (fast 90 % der Befragten arbeiten gerne oder überwiegend gerne an ihrem Arbeitsplatz), ist erstaunlich und zeugt von einer großen Frustrationstoleranz der städtischen Beschäftigten.

Elemente der Reform

Mit der Einführung von Dienstbesprechungen und der Erhöhung der Mittel für Fort- und Weiterbildung läßt sich noch keine Verwaltungsreform durchführen. Das Handlungskonzept der KGSt consult nennt als weitere Maßnahmen: Dezentrale Ressourcenverantwortung, Budgetierung, Produktentwicklung, Controlling und Berichtswesen, Kontraktmanagement, Prozeßoptimierung und Personalmanagement.

Dezentrale Ressourcenverantwortung

„Bisher können einzelne Dienststellen die ihnen obliegenden Aufgaben nur indirekt steuern, da sie zwar die Fach- und damit die Ergebnisverantwortung haben, sie können aber keinen Einfluß auf die steuerungsrelevanten Ressourcen wie z.B. Personal, Finanzen und Organisation nehmen“, stellt KGSt consult fest. So soll jedes Amt flott und gut arbeiten, und nach Möglichkeit auch noch wirtschaftlich dazu, aber wenn eine frei werdende Stelle nicht wiederbesetzt wird, ein wichtiges Arbeitsmittel verschlissen ist und nicht neu beschafft wird oder wenn zusätzliche Arbeit (etwa durch mehr Inanspruchnahme durch die „Kundschaft“) anfällt, dann kann es sehen, wo es bleibt – hier ist dann ein anderes Amt zuständig.
Durch die unterschiedlichen Zuständigkeiten mangelt es an Kostentransparenz und damit häufig an Kostenbewußtsein. Die einzelnen Ämter haben keine Einflußmöglichkeiten. Um dies zu ändern, sollen die herkömmlichen Querschnittsbereiche wie z.B. das Personalamt künftig Dienstleister für die Fachämter sein. Das Zusammenspiel zwischen dem Servicebereich, den Facheinheiten und der Steuerung wird durch Vereinbarungen geregelt werden. Die einzelnen Ämter werden nicht nur für ihre Arbeitsergebnisse, sondern auch für die benötigten Ressourcen verantwortlich sein.

Produktentwicklung

Eine Stadtverwaltung ist ein Dienstleistungsunternehmen. Begriffe wie „Produkt“, „Produktgruppen“ oder „Produktbereiche“ muten hier zunächst einmal seltsam an. Man kann aber durchaus die Erstellung eines Wohngeldbescheides, die Einrichtung eines Sprachkurses oder die Ausstellung eines internationalen Führerscheins als Produkte einer Stadtverwaltung begreifen. Dann liegt es nahe, auch die Kosten, die für die Erstellung eines solchen Produkts eingesetzt werden müssen, zu untersuchen; es kann eine Kosten – und Leistungsrechnung vorgenommen werden. Bestandteil der Reform wird also die Aufstellung eines Produktkatalogs sein.

Budgetierung

Budgetierung heißt, daß die einzelnen Ämter ein Budget zur Verfügung gestellt bekommen, innerhalb dessen sie selbständig wirtschaften können. Sie ist nicht ganz neu in Wilhelmshaven, sondern wurde schon vor der Reform erprobt – allerdings nur aus finanzwirtschaftlichen Erwägungen heraus, um durch Zusammenfassung von Haushaltspositionen Einspareffekte zu erzielen, und es wurden schon einzelnen Bereichen der Verwaltung „Belohnungen“ gewährt, sofern sie innerhalb eines eingeräumten Budgets wirtschaften konnten. Echte Budgetierung als Teil der Verwaltungsreform wird allerdings einhergehen mit der dezentralen Ressourcenverantwortung sowie der Schaffung von Instrumenten zur Selbststeuerung der Fachbereiche.

Controlling und Berichtswesen

„Wer benötigt welche Informationen zu welchem Zeitpunkt?“ Diese Frage soll den Zusammenhang zwischen Controlling und Berichtswesen verdeutlichen. Es handelt sich also um mehr als Kontrolle im herkömmlichen Sinn (Vorgesetzter kontrolliert Untergebene) und ist ein Instrument zur umfassenden Information aller Beteiligten.

Kontraktmanagement

Die herkömmliche hierarchische Struktur der Verwaltung (von oben wird bestimmt, was unten getan werden muß) soll abgelöst werden durch Leistungsabsprachen, in denen die Verantwortung für die Erstellung definierter Leistungen festgelegt und die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden.

Prozeßoptimierung/Qualitätszirkel

In der MitarbeiterInnenbefragung (s.o.) wurde deutlich, daß in der Stadtverwaltung hoher Bedarf an Verbesserung des Informationsflusses und an qualifizierterer Führung besteht. Deshalb soll auch die Prozeßoptimierung ein Reformbestandteil sein. Wenn Qualitätszirkel das bisherige Vorschlagswesen (das in der Regel nach dem Motto „Vorgesetzter streicht den Ruhm für gute Ideen der Mitarbeiter ein“ funktioniert) ablösen, kann das ein Schritt zu einer sich selbstverbessernden Organisation sein. Dass die Verwaltungsbeschäftigten bereit sind, ihn zu gehen, ergab die Befragung. Die Frage „Wären Sie bereit, persönliche Arbeitsleistung in den Reformprozeß Ihrer
Stadtverwaltung einzubringen?“ wurde von 54 % mit „Ja“, von 33 % mit „Weiß noch nicht“ und nur von 9 % mit „Nein“ beantwortet.

Personalmanagement

Am Ende der Reform werden die Beschäftigten andere Rollen innehaben als gegenwärtig – es macht einen Unterschied, ob man im gewohnten Trott seine Arbeit wie immer verrichtet oder ob man Einflussmöglichkeiten auch auf die Ressourcen hat. Umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen werden die Reform begleiten müssen. Daß auch und gerade die Vorgesetzten der Schulung bedürfen, wurde schon erwähnt. Die Entwicklung eines Führungskonzeptes wie eines Konzeptes für eine integrierte Personalplanung wird Bestandteil der Reform sein müssen.

Pilotbereiche

Die Reform einer Stadtverwaltung dieser Größenordnung kann nicht innerhalb weniger Tage oder Wochen passieren. So bauen die oben skizzierten Elemente der Reform aufeinander auf und werden nicht alle gleichzeitig angegangen. Auch werden die ersten Projekte nicht in allen Ämtern gleichzeitig eingeführt, sondern sollen in Pilotbereichen erprobt werden. Das Beratungsinstitut verspricht sich davon einen Schneeballeffekt: Ist z. B. in einem Amt die Budgetierung erfolgreich eingeführt worden, wird dieser Schritt in anderen Ämtern leichter zu gehen sein. Diese Pilotbereiche sind das Ordnungsamt, die Volkshochschule und das Planungsamt.
Soweit das strategische Handlungskonzept. Die Umsetzung steht auf einem anderen Blatt. Die Bezirksregierung, in haushaltslosen Zeiten die Instanz, die jeden Pfennig genehmigen muß, den Wilhelmshaven ausgibt, unterstützt die Reform und wird dann ja wohl auch die erforderlichen Mittel bewilligen. Woran oder an wem der Verwaltungsumbau scheitern könnte, danach wurden die Beschäftigten in der Fragebogenaktion auch gefragt. Nach den fehlenden Finanzen war die zweithäufigste Nennung: „Die Verwaltungsführung“. Die befragten Amtsleiter befürchteten in der Umfrage eher, daß „die Gewerkschaften“ ein Scheitern der Reform verschulden werden. Vielleicht liegt dieser Befürchtung die Dienstvereinbarung zugrunde, die ÖTV und DAG mit dem Land Niedersachsen für die Landesverwaltungsreform ausgehandelt und abgeschlossen haben. Die Schutzbestimmungen für das Personal sind dort so weitreichend, daß selbst Gewerkschaftsmitglieder fragen, ob und inwieweit da noch eine Reform durchführbar sein wird.
Die KGSt consult hat schon andere Kommunen in ihrer Verwaltungsreform beraten und begleitet. Ihr Konzept zielt in erster Linie auf Effektivierung der Verwaltung und damit größere Zufriedenheit der Beschäftigten und der BürgerInnen – die Einsparung, die durch das Steuerungsmodell zu erzielen ist, ist vom Konzept her ein willkommener Nebeneffekt.
Wilhelmshaven strebt die Verwaltungsreform jedoch zunächst einmal unter dem Druck der leeren Kassen an. Man wird sehen, ob durch diese Voraussetzungen das Konzept verwässert oder mißbraucht werden soll oder kann – nicht zuletzt wird das davon abhängen, ob und inwieweit die Beschäftigten sich in den Reformprozeß einbringen und aufpassen.
Im nächsten Gegenwind werden wir darüber berichten, wie der Gesamtpersonalrat zur Verwaltungsreform steht und was er tun wird, um die Beschäftigten zu schützen.

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