Beratung, Kommunikation und Arbeit
Mai 081996
 

Raum für Phantasie

BKA will Störtebeker Park besser nutzen

(ft/noa) Ein etwas anderer Freizeitpark wird in Wilhelmshaven in diesem Jahr eröffnet. Es gibt aber keinen Eröffnungstermin, keine Eröffnungsfeier, keine Eröffnungsrede. Es ist eben ein etwas anderer Freizeitpark, und deshalb gibt es eine etwas andere Eröffnung.

Die Rede ist vom Störtebeker Park, an der Freiligrathstraße zwischen Stadtreinigung und Kreuzelwerk gelegen, der seit nunmehr fünf Jahren in der Trägerschaft von Beratung, Kommunikation und Arbeit e.V. entsteht und noch nicht fertig ist. Er wird auch nicht „fertig“ werden, sondern in gewisser Weise immer weiter entstehen.
Daß das so ist, hat etwas mit der „Philosophie“ des Trägervereins zu tun: BKA etabliert Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekte, bei denen Menschen, die z.T. jahrelang arbeitslos waren, für ein, zwei oder drei Jahre einen Arbeitsplatz finden, bei denen aber „nebenbei“ etwas entstehen soll, das Sinn und Zweck hat. störtebekerparkAus dieser Philosophie heraus wurde im Dezember 1988 in einer Kneipe die Idee eines Parks geboren und auf der Rückseite eines Flugblattes skizziert. Das Projekt sollte arbeitsintensiv sein, der Phantasie viel Raum bieten, dem ersten Arbeitsmarkt nichts wegnehmen und für Wilhelmshaven eine Bereicherung bringen.
Was bisher auf dem gut zwei Hektar großen Gelände entstanden ist, kann sich schon sehen lassen. Vieles davon ist aber auch unsichtbar.
Z.B. die Tatsache, daß durch dieses Projekt schon mehrere Millionen DM nach Wilhelmshaven gekommen sind, die auf andere Weise woanders hin geflossen wären. Mit Mitteln aus unterschiedlichen Töpfen (ABM, Europäischer Sozialfonds) haben für jeweils zwei Jahre je 15 Menschen eine versicherungspflichtige Arbeit gefunden, dadurch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und eine Umschulungsberechtigung erworben, Steuern entrichtet, die Sozialhilfekasse entlastet. Und zahlreiche Wilhelmshavener Unternehmen haben dem Verein Materialien verkauft.burg
Gegenwärtig arbeitet die dritte Gruppe von 15 Leuten im Park, fünf von ihnen Handwerker, zehn ohne handwerkliche Ausbildung, aber z.T. mit Berufserfahrung. Ein Projektleiter und eine Sozialpädagogin begleiten und betreuen diese Gruppe. Zwischen dem Backhaus, wo auf althergebrachte Weise Brot gebacken werden kann, dem Pfannkuchenhaus, wo Kindergruppen sich selber Pfannkuchen backen können, und all den anderen Gebäuden werden in den nächsten Monaten Spielgeräte aufgebaut werden, und eine Wasserspiellandschaft wird entstehen.
Freizeitpark? Es ist auch ein Umweltpark. Regenwasserreservoir, Windmühle, Feuchtbiotop und Schilfkläranlage führen die Mitarbeiter und die Gäste (ohne erhobenen Zeigefinger) an den Umweltgedanken heran.
Es ist auch ein Abenteuerspielplatz. Eine Grundschulklasse hat im Rahmen eines Unterrichtsprojektes über Klaus Störtebeker einen Tag in der Siebethsburg verbracht und Seeräuber gespielt. Weitere Kindergartengruppen und Schulklassen haben den Störtebeker Park schon für eine andere Art von Unterricht genutzt und werden das künftig weiterhin tun.
Es ist also auch ein Lernpark. Vor Jahren hat das Fach Sachkunde die alte Heimatkunde abgelöst – hier kann eine neue Art von Heimatkundeunterricht stattfinden. So ist z.B. geplant, ein Funktionsmodell des Rüstersieler Siels auszustellen. Und in der Mini-Siebethsburg kann man lernen, wie „damals“ das Burgleben ablief.
1993 bis 1995 lief bei BKA das erste Frauenprojekt. Gemäß der oben dargestellten Philosophie von BKA stellten sechs Frauen, angeleitet und betreut von einer Projektleiterin und einer Sozialpädagogin, das „Innenleben“ (Möbel, Figuren) der Siebethsburg her und verwandelten die Miniaturburg in einen historischen Guckkasten. Sie lernten dabei nicht nur den Umgang mit Holz, Metall, Stoff, Papier usw., sondern auch Heimatgeschichte, denn der Produktion ging ein intensives Quellenstudium voraus.
st_parkDas zweite BKA-Frauenprojekt hat gerade begonnen. Am 2. Mai hat eine Gruppe von 16 Frauen mit drei Anleiterinnen ihre Tätigkeit im Störtebeker Park aufgenommen. Da ihre Arbeit wie alle Aktivitäten von BKA qualifizierenden Charakter und gleichzeitig einen Sinn haben soll, ist ihre Aufgabe die Öffnung des Parks, nicht zu einem bestimmten Termin mit Feuerwerk und Schirmherrenansprache, sondern peu à peu, learning by doing. So werden, von diesen Frauen vorbereitet und organisiert, in diesem Jahr vermehrt Veranstaltungen stattfinden, in dem Tempo, in dem die Frauen es allein schaffen können.
Was noch alles passieren kann und wird im Störtebeker Park, das wird sich zeigen. Bei BKA gibt es keine Planung, die an einem Büroschreibtisch ausgearbeitet und mit einem festen Zeitrahmen durchgeführt wird, sondern eine projektbegleitende Planung. Eine feste Planungsgruppe, bestehend aus den Projektleitern, den Anleiterinnen, einem Architekten, Mitarbeitern der Freizeit GmbH und des Tiefbauamtes, nimmt immer wieder auch Ideen und Anregungen der Mitarbeiterinnen und der BesucherInnen auf, so daß so ungefähr alles möglich ist – vorausgesetzt, es bringt Beschäftigung und Qualifizierung und hat einen Sinn.

Arbeit soll einen Sinn haben
Der Verein Beratung, Kommunikation und Arbeit e. V. wurde 1984 gegründet. In der 1994 erschienenen Dokumentation zum 10jährigen Bestehen des Vereins schreibt Geschäftsführer Peter Siefken:
,,’Arbeit‘ kann nicht nur als ‚Bestreiten des Lebensunterhalts‘ gesehen werden, sondern ist … das wesentliche ‚lebenstiftende Element‘. Der Arbeitsplatz ist für die meisten Menschen der Ausgangspunkt für die Bestimmung des eigenen gesellschaftlichen Standortes. Er bildet die Voraussetzung für eine unabhängige, selbständige und eigenverantwortliche Lebensführung.
Die Ausgrenzung aus der Arbeitswelt bedeutet für viele Menschen auch den Verlust der sozialen Identität. Das Gefühl des ‚Nicht-Gebrauchtwerdens‘ oder des ‚Überflüssigseins ‚ bildet häufig den Ausgangspunkt für psychische Krisensituationen, die sich dadurch verschärfen, daß die Betroffenen ihren Lebensunterhalt allein aus öffentlicher Unterstützung bestreiten müssen.
Diese Überlegungen bildeten den Ausgangspunkt für die ersten Aktivitäten des Vereins … und haben bis heute ihre Gültigkeit behalten.“
Diese Überlegungen liegen sämtlichen Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekten von BKA zugrunde. Menschen sollen nicht irgendwie beschäftigt werden, nur um Geld zu verdienen, sondern das, was sie tun, soll einen Sinn haben.
In diesem Sinn wurden der Soziale Möbeldienst und der Nähdienst eingerichtet, die einerseits Arbeitsplätze schaffen (Aufbereiten von gebrauchten Möbeln, Gardinen etc.), andererseits Mitbürgerinnen mit geringem Einkommen die Möglichkeit geben, über das Sozialamt ihren Bedarf an Einrichtungsgegenständen zu decken.
In diesem Sinn arbeitet die Restaurierungswerkstatt, die Handwerkern einen Arbeitsplatz bietet und im Auftrag von Museen und anderen im öffentlichen Interesse tätigen Institutionen und Organisationen Restaurierungsarbeiten durchführt.
In diesem Sinn sichert der Recyclinghof nicht nur einigen Menschen Lohn und Brot, sondern sorgt auch für eine Reduzierung der zu deponierenden Sperrmüllmenge durch Rückbau von Waschmaschinen, Wiederherrichtung von Gebrauchsgegenständen usw.
In diesem Sinne wird in der Metall- und der Holzwerkstatt nicht einfach nur geübt oder gar für den Schrottcontainer produziert, sondern es werden dort unter anderem Ausstattungsgegenstände für den Störtebeker Park hergestellt.

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