Gegenwind-Gespräch: Hartmut Büsing
Mrz 261997
 

Die Militarisierung der Kultur

Wurde das Küstenmuseum nur geschlossen, um vom Marinemuseum ausgeplündert zu werden?

(hk) Während dem im Aufbau befindlichen Marinemuseum unverhohlen Sympathie und Unterstützung aus allen offiziellen und privaten Ecken zuteil wird, ist das Überleben des Küstenmuseums in Frage gestellt. Kriegsgerät und Gewalt haben Hochkonjunktur. Dieser neue touristische Anziehungspunkt wird ab 1998 Wilhelmshavens Image wohl endgültig in die militaristische Ecke stellen.

Das, was da im ehemaligen Scheibenhof für viele Millionen gebaut wird, war Thema eines Gespräches mit Hartmut Büsing vom Historischen Arbeitskreis des DGB.
Gegenwind: Der Historische Arbeitskreis hat sich mit vielen Veröffentlichungen um die Stadt- und auch um die Marinegeschichte verdient gemacht. Jetzt gibt es eine weitere Institution, die sich mit viel Geld an die Errichtung eines Museums für Marinegeschichte heranmacht. Seid ihr oder die Gewerkschaften auch mit dabei?
Hartmut Büsing: Wir haben mit diesem Verein überhaupt keine Berührungspunkte. Wir sind nicht an die Leute herangetreten, und die nicht an uns. Warum auch?

Das Küstenmuseum wird ausgeplündert

Gegenwind: Das heißt, daß ihr andere Vorstellungen habt?
Hartmut Büsing: Unsere Vorstellungen waren und sind, daß im Küstenmuseum eine Abteilung Marinegeschichte eingerichtet wird. Marinegeschichte als Teil der Stadtgeschichte. Die Geschichte unserer Stadt ist ja zum großen Teil die Geschichte der Marine und der Werft. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was in einem Marinemuseum, so wie es hier in Wilhelmshaven geplant ist, groß über die Marine gesagt werden wird.

Gegenwind: Da soll doch wohl die Geschichte der Marine von 1848 bis heute dargestellt werden.
museum Erwin FiegeHartmut Büsing: Wenn man die Diskussion und die Empfindlichkeiten über die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht betrachtet – die Marine war eine Teilstreitkraft dieser Wehrmacht. Die Kriegsmarine war hier zur Bewachung des Konzentrationslagers am Alten Banter Weg eingesetzt. Auf den Märschen zu den Arbeitsstellen wurden die Zwangsarbeiter von Soldaten der Kriegsmarine bewacht. Was will man dann hier noch ausstellen? Der Marinemuseumsverein kauft jetzt bundesweit irgendwelche Exponate – ich kann mir schon vorstellen, was das letztendlich wird. Wir hatten ja schon einen kleinen Vorgeschmack darauf durch diese Ausstellung im Gebäude der Motorenwerke – und das war nichts. Da hingen so ein Admiralsmantel, ein paar Uniformen und ein Messer von der Paradeuniform eines Offiziers. Wenn ich die gedankliche Verbindung mit der sinnlosen Schließung des Küstenmuseums herstelle – das hat auch damit zu tun. Ich kann mir vorstellen, daß der Förderverein Marinemuseum großes Interesse an einigen Dokumenten des Stadtarchivs hat. Und natürlich auch an den Ausstellungsexponaten. Insbesondere wohl an den hervorragenden Schiffsmodellen.

Marine als Teil der Stadtgeschichte

Gegenwind: Du meinst, daß das Küstenmuseum geschlossen wurde, um dem Marinemuseum Material verfügbar zu machen?
Hartmut Büsing: Ich gehe einfach davon aus. Im Förderverein des Marinemuseums sitzen wichtige Leute der Stadt. Die Schließung des Küstenmuseums hatte nicht den geringsten Spareffekt. Warum wird es dann geschlossen? Ich bin der Meinung, daß das Küstenmuseum ausgeplündert werden soll. Da muß der Förderverein zur Rettung des Küstenmuseums aufpassen. Wir brauchen ein Küstenmuseum, in dem die Stadtgeschichte etwas systematischer und umfangreicher dargestellt wird. Und das Küstenmuseum braucht die Dokumente und Exponate. Die gehören in eine Ausstellungsabteilung zur Stadtgeschichte und nicht in ein Marinemuseum. Was die mit den Modellen machen, kann ich mir schon vorstellen: Nämlich gar nichts. Das wird einfach irgendwo hingestellt. Aber an einem solchen Schiffsmodell, zum Beispiel der Tirpitz – da kann man doch unsere Stadtgeschichte dran darstellen. Was hieß es, so etwas zu bauen, unter welchen Bedingungen wurde es gebaut, welcher Sinn steckte dahinter und wie schlug das auf Wilhelmshaven zurück und so weiter.
Daß das jetzt mit dem Förderverein Marinemuseum gemacht wurde, finde ich überhaupt nicht gut. Da werden Kräfte abgezogen, die nötig wären, um das Küstenmuseum zu erhalten und auszubauen.

Gegenwind: Das Marinemuseum ist unserer Meinung nach in erster Linie auf populistische Effekthascherei aufgebaut. Es geht nur darum, für Wilhelmshaven einen neuen Anziehungspunkt zu errichten. Da ist für inhaltliche Erwägungen nicht viel Platz.
Hartmut Büsing: Was wollen die denn da ausstellen? Schiffsmodelle, Uniformen, ein paar Dokumente und Fotos. Wir haben uns ausgeklinkt, als wir sahen, in welche Richtung das geht. Wir werden das Museum nicht verhindern können, aber wir werden auf keinen Fall da mitarbeiten. Das soll ein Anziehungspunkt für Touristen werden. Und ich sehe die Gefahr, daß da unkritisch ein Bogen von der ersten Marine 1848 bis zur Bundesmarine gezogen wird. Ich befürchte, daß die Bundesmarine dann eben in die Tradition der anderen Marinen gestellt wird. Und das dient auch der Bundeswehr nicht.

Gegenwind: Vielen Dank für das Gespräch.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top