Jadeport
Jul 141999
 

Jumbo touchiert Jadeport

Jadeport: Unverzichtbare nationale Aufgabe oder zusätzliches Häppchenangebot für wählerische Reedergaumen am Nordsee-Hafenbuffet?

(jm) Wilhelmshaven bietet Investoren mit dem Projekt JadePort weltweit die einmalige Möglichkeit, in Deutschland einen Container- und Mehrzweckhafen nach eigenen Vorstellungen zum eigenen Nutzen auszubauen und selbstverantwortlich zu betreiben. Dieses vom WHV-Präsidenten John H. Niemann autorisierte Angebot wird sicher Eingang in die Notizbücher der internationalen Transportwirtschaft gefunden haben.

Denn einen mit öffentlichen Geldern gebauten Hafenkörper JadePort durch Aufstellen eigener Massengut- bzw. Containerbrücken auszubauen, das könnte für potentielle Hafenbetreiber als Ausgangspunkt offener Verhandlungen akzeptabel sein. Die Autoren des JadePort Gutachtens deklamieren jedenfalls, dass ein hiesiger Container-Terminal – sollte er denn gebaut werden – in erster Linie die Chance hätte, als Umladestation zwischen Großcontainerschiffen (Jumbos) auf der Ostasienroute und Zubringerschiffen (Feeder) im Skandinavien- bzw. Baltikumdienst genutzt zu werden.
Die Begründungen dafür – Transportzuwachsraten erforderten mehr Schiffsliege- und Lagerkapazität und die mit der Schiffsgrößenentwicklung steigenden Betriebskosten tideunabhängige Fahrwasser – sind sicherlich richtig. Doch auch die etablierten Häfen wollen in diesem Geschäft bleiben und forcieren ihren weiteren Ausbau. Sie sind aus Wettbewerbsgründen dazu gezwungen, sich unter Missachtung des volkswirtschaftlichen Nutzens den von den Transporteuren geforderten Strukturvorleistungen zu unterwerfen. Und dementsprechend handeln sie (bis kein Geld mehr dafür aufzutreiben ist).
Aber auch die Reeder stehen unter Druck! Um Wettbewerbsvorteile zu ergattern, steigern sie unablässig die Transportleistung, indem sie immer größere und schnellere Containerschiffe in Fahrt bringen. Im Gegensatz zu den öffentlichen Hafeninvestoren müssen sie bei der Bauplanung allerdings den wirtschaftlichen Grenznutzen bei den Schiffsbetriebskosten beachten: Zum einen die Abstimmung der Ladekapazität mit der Menge der zur Beförderung bereitstehenden Container. Und zum anderen die Optimierung zwischen Kosten senkender Verkürzung der Reisedauer und exponentieller Zunahme des Brennstoffverbrauchs bei Erhöhung der Schiffsgeschwindigkeit.
Eine dritte Möglichkeit der Leistungssteigerung bietet die Verkürzung der Hafenliegezeiten.
Deshalb sind die Reeder bestrebt, die Reiseroute bzw. die Reisedauer der Jumbos auch dadurch zu verkürzen, dass sie möglichst nur einen Haupthafen anlaufen, von wo aus die Container kostengünstiger weitertransportiert werden können. Darüber hinaus suchen sie sich nach Möglichkeit den schnellsten Hafen aus – also einen Hafen ohne Wartezeiten und mit hoher Umschlagleistung. Nicht nur die tideunabhängige Erreichbarkeit spielt dabei eine Rolle; mehr noch die Garantie, dass bei Ankunft auch der Liegeplatz frei ist und eine Vielzahl schneller rund um die Uhr arbeitender Containerkräne die Liegezeit verkürzt. Bei Tageskosten zwischen 50.000 und 70.000 $ können bereits wenige Stunden Verzögerung empfindlich zu Buche schlagen. (Handelsblatt, 11.03.99)

Just to touch a port

lautet daher die Reederdevise. Und darauf müssen sich die Häfen einstellen, wenn sie die Schiffe halten oder neue anlocken wollen. Denn die Hafenkonkurrenz in der Nordrange zwischen Antwerpen und Hamburg ist groß. Sie wird – was die Infrastruktur und die (bezuschusste) Suprastruktur betrifft – weder unter betriebswirtschaftlichen noch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten betrieben. Vielmehr ist die so genannte Bürgermeisterkonkurrenz der Motor spekulativer Hafenerweiterungen – Investor ist der Steuerzahler. Ergebnis sind nicht selten schlecht ausgelastete Liegeplätze und verschwendete Landschaft. Letztere verschwindet auf diese Weise unter dem Asphalt schlecht ausgelasteter Containerstellplätze.

Aus dem Entwurf Gemeinsame Plattform für die Seehafenpolitik in Deutschland und der EU des Bundesverkehrsministeriums:

  • Die Hauptzuständigkeit für die deutschen Seehäfen liegt nach dem Grundgesetz bei den Ländern; dem Bund obliegt neben den beteiligten Ländern die Vorsorge für die Erhaltung und Leistungsfähigkeit der Seehäfen.
  • Bund, Länder und Kommunen lassen sich bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele vom Grundsatz des fairen und lauteren Wettbewerbs leiten. (…)
  • Die Vorhaltung der Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe, die sich durch schiffseigene Entgelte nicht refinanzieren lässt. (…)

Würden die damit verbundenen Strukturmaßnahmen den Transportkosten zugerechnet, dann würde mit Sicherheit so manche Fahrwasservertiefung oder Hafenerweiterung geringer ausfallen oder ganz unterbleiben. Dies wiederum hätte Rückwirkungen auf die Transportlogistik. Aber solange der Steuerzahler für eine unregulierte, sich den Reederinteressen unterordnende Hafenpolitik zur Kasse gebeten werden kann, bleibt es bei dieser volkswirtschaftlichen Schieflage.
Ein bezeichnendes Licht auf die Rosinenpickerei der Reeder am Nordsee-Buffet wirft der Hafenumzug der Reederei Maersk: Als Hamburg sich weigerte, ihr Exklusivrechte über ein Stück Terminal zuzugestehen, verhandelte sie mit Bremen. Dort ging man auf die Reederwünsche ein. Maersk und das Transportunternehmen Sea-Land – die beiden bilden zusammen die weltgrößte Reeder-Allianz in der Containerschifffahrt – haben sich daraufhin auf einem Teilstück des Bremerhavener Container Terminals (CT) niedergelassen. Sie sind jetzt offenbar dazu in der Lage, den CT-Betrieb ganz mit den Fahrplänen ihrer Schiffe in Einklang zu bringen und dadurch zu verhindern, dass reedereifremde Schiffe ihnen dort die Liegeplätze streitig machen können.
Zwar herrscht über die Woche gesehen weiß Gott kein Gedränge an den CTs. Aber der Verkehrsfluss verläuft nicht gleichmäßig sondern stoßweise (und das hat wiederum etwas mit den immer größer werdenden Jumbos zu tun!). Da der Stoßverkehr zu Warteschlangen an bestimmten Wochentagen führen kann, ist es natürlich für einen Reeder von Vorteil, Exklusivrechte über ein Stück Terminal zu besitzen.
Doch solche Regelungen fördern nicht gerade die Kaiproduktivität, bzw. den Auslastungsgrad der Umschlageinrichtungen, denn die anderen Reeder werden nicht hintan stehen wollen. Und damit sie nicht abwandern, muss dann der Terminal eben für einige hundert Millionen Mark vergrößert werden. Im Falle einer weiterhin so maßlos angebotsorientierten Hafenpolitik wäre es denkbar, dass sich die Ressourcen- und Steuerverschwendung mit dem Bau eines JadePorts fortsetzten ließe…
Ein zur Bewirtschaftung feilgebotener JadePort könnte in solchem Falle einen Reeder durchaus dazu bewegen, dort ein Teilstück (mit Erweiterungsoption) zu belegen, wenn er dadurch die vorrangige Abfertigung seiner Schiffe und seiner Ladung sicherstellen könnte.
In Anlehnung an die von Maersk/Sea-Land angekündigte Kaiproduktivität – Verdoppelung des Jahresumschlages auf 400.000 Container (TEU) in wenigen Jahren am 600 Meter langen North Sea Terminal Bremerhaven (NTB) – wäre folgendes Szenario denkbar:
Ein im Haus- zu Hausverkehr zwischen Ostasien und Nordosteuropa tätiges Transportunternehmen mietet im JadePort ein 600 Meter langes Stück Stromkaje mit rückwärtiger Stellplatzfläche. Alle 14 Tage kommt ein Jumbo teilbeladen mit 4.500 TEU. Von denen werden 3.000 Stück auf drei Zubringerschiffe umgeladen, die zwischen Skandinavien bzw. dem Baltikum und der Jade hin- und herpendeln. Die restlichen 1.500 gehen ins Binnenland. Die Zubringer haben aber auch 3.000 Transitcontainer für den Jumbo (zum Weitertransport nach Ostasien) mitgebracht. Außerdem lädt der Ozeanriese noch 1.500 Exportcontainer aus dem Binnenland zu. Es werden also im Zwei-Wochen-Rythmus 15.000 TEU umgeschlagen bzw. 390.000 TEU pro Jahr.
Das wäre – bei 10 Tonnen Gewicht pro TEU – ein Jahresumschlag von 3,9 Millionen Tonnen. Sicher ein gern wahrgenommener Anlass für kommunale Schwergewichte, mal wieder einen neuen Rekord auszuposaunen. Aber bei nüchterner Betrachtung: Welche wertschöpfenden Arbeitsleistungen stecken dahinter?
Um eine grobe Vorstellung darüber zu gewinnen, nehmen wir einmal an, es ständen acht Umschlagbrücken zur Verfügung, die je 1,5 Minuten pro umgeschlagener TEU benötigen. Dann würde die Ent- und Beladung aller vier Schiffe 47 Stunden dauern. Im Jahr wären die Umschlaganlagen bei einem 14-Tage Fahrplan demnach 51 Tage ausgelastet – 314 Tage herrscht Stillstand an der Kaje.
Nun prognostizieren die Verfasser der JadePort Studie, dass – falls ihr Studienobjekt im Jahre 2006 betriebsklar wäre – schon vier Jahre später ein Umschlagvolumen von 1,23 Millionen TEU erreicht werden könne. Und wie viele Meter Stromkaje müssten dafür zur Verfügung gestellt werden? Nehmen wir dafür den NTB (s.o.) als Anhaltspunkt:
Bei einer Kaiproduktivität von 400.000 TEU pro Jahr auf 600 Meter Kailänge (lt. letzter vorliegender Hochrechnung werden dort nur knapp 200.000 TEU erreicht) würden bis zum Jahre 2010 rund 1.850 Meter Kaiplatz vom JadePort vergeben sein.
Für das Jahr 2020 rechnen die Gutachter mit einem möglichen Umschlagvolumen von 4,13 Millionen TEU. Danach wären bis dahin gemäß vorstehender Berechnungsgrundlage 6.200 Meter Kaianlagen vergeben. Ein JadePort mit dieser Kailänge passt aber nicht mehr zwischen Niedersachsen- und WRG-Umschlagbrücke, weil dazwischen ’nur‘ 4.200 Meter Platz ist. Was tun?!
Wie eingangs erwähnt, soll der JadePort als Mehrzweckhafen konzipiert werden, in dem auch Massengut wie Erz und Kohle umgeschlagen werden soll. Also Niedersachsenbrücke abreißen und durch Verlängerung der Stromkaje des JadePorts Richtung NWO ersetzen? Wie viele Kaimeter müsste man dann für den Massenguthafen einkalkulieren? Platz für drei Massengutfrachter à 350 Meter Länge und für drei Binnenkähne à 110 Metern Länge? Wie auch entschieden wird: Ein Betreiber würde sich sicherlich im Ansiedlungsvertrag eine Erweiterungsoption nach Süden bis hart an die NWO-Umschlagbrücke ausbedingen. Also kommt das Gebiet vor dem Rüstersieler Groden und dem Maadesiel für Containerumschlag kaum in Frage.
Also nach Norden expandieren! Aber was soll dann aus der WRG-Umschlagbrücke werden!? Auf Kosten des Steuerzahlers abreißen und durch einen neu zu bauenden Öl/Flüssiggas-Terminal in den JadePort integrieren? Ca. 300 Meter Kajenlänge für zwei Tankerliegeplätze wären dafür erforderlich. Außerdem würde die WRG mit Sicherheit zusätzlich eine Bunkerstation für Küstenschiffe und Binnentanker fordern; Länge rund 100 Meter. Zusammen ergebe das demnach etwa 400 Kaimeter für den Umschlag von Ölprodukten.
Nördlich davon wären dann bis zur EVC-Brücke noch etwa 1.600 Meter Platz. Doch Halt: Da gibt es ja noch die Deutsche Flüssigerdgas Terminal Gesellschaft (dftg)! Die hat eine Baugenehmigung für eine 600 m lange Umschlagbrücke für Flüssiggastanker aus dem Jahre 1979 (neunzehnhundertneunundsiebzig). Diese soll südlich an die EVC-Umschlagbrücke angefügt werden. Daraus folgernd stehen – statt 1.600 Metern – dort nur noch 1.000 Meter Containerkai zur Verfügung.
Insgesamt könnte demnach vor dem Wilhelmshavener Stadtgebiet ein Container Terminal mit maximal 5.200 Meter Stromkaje angeboten werden – also 1.000 Meter zu wenig. Insgesamt könnten für den JadePort zwischen dftg und Maadesiel ca. 7.400 Kaimeter angeboten werden.
Doch im Handelsblatt vom 11.03.99 muss man dazu Folgendes lesen: Die Marinestadt verfügt nicht nur über eine tiefe Fahrrinne, sondern kann auch einen 10 km langen und 2 km tiefen Küstenstreifen zum Bau eines Containerhafens zur Verfügung stellen. Wer hat dem Artikelschreiber das denn in die Feder diktiert – haben einschlägige Informanten das Watt zwischen Hooksiel und Schillig etwa gleich mitverplant?!

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