Schulplauderei
Sep 012011
 

Wilhelm Busch [Public domain], via Wikimedia CommonsAuch unser Kultusminister hat gemogelt

Als ich im Radio hörte, dass auch Bernd Althusmann bei seiner Doktorarbeit geschummelt hat, fand ich es im ersten Augenblick blöd, dass man das ausgerechnet am letzten Schultag vor den Sommerferien meldet. Dann fiel mir ein, wie lange Guttenberg rumgehaffelt hat, bis er eindeutig entlarvt war und seinen Abschied nahm, und ich dachte: So ein Thema hält sich einige Zeit – auch die verreisten SchülerInnen und LehrerInnen werden es gewahr werden. Das hat sich bestätigt: Die ganzen großen Ferien über gab es immer mal wieder Neues vom neuesten Plagiator zu hören und zu lesen. „Demütig“, „blass und sichtlich nervös“, so meldete die WZ am ersten Ferientag auf ihrer Niedersachsenseite, lauschte Althusmann den Fragen der Journalisten auf der Pressekonferenz, zu der er selber eingeladen hatte. So schlimm wie bei Guttenberg und Koch-Mehrin seien seine Fehler nicht, und bei der Untersuchung seiner Dissertation handle es sich lediglich um eine „wissenschaftliche Auseinandersetzung über die korrekte Zitierweise und nicht um Textübernahme ohne Quellenangabe.“ (WZ, 7.7.11) (So ist doch auch Geogios Chatzimarkakis bei Anne Will aufgetreten, allerdings mit der zusätzlichen Frechheit, seine Uni erlaube diese irreführende Art des Zitierens.) WZ, 8.7.: Während Wissenschaftler und Opposition im Landtag Althusmanns Abschied wenigstens als Präsident der Kultusministerkonferenz fordern, stellt sich der Ministerpräsident entschieden hinter ihn (wenn von vorne geschossen wird, ist der Platz hinter dem Ziel auch der sicherste!) und lobt seine Verdienste als Kultusminister. Das kennen wir doch von der Affäre Guttenberg: Stand da nicht auch die Frau Merkel, lobte Theos Arbeit als Bundesverteidigungsminister und erklärte, sie habe ihn ja nicht als Doktoranden oder wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt? „Der Minister will schnellstmöglich und mit möglichst großer Sorgfalt wissenschaftlich auf die Vorhalte reagieren“, lasen wir am 9.7. in der WZ. Und wir fragten uns: Wie will er das machen, wo er doch schon bei seiner Diss die wissenschaftlichen Standards nicht einhalten konnte? „An der Uni Potsdam beschäftige sich der für Althusmann zuständige Dekan mit den Vorwürfen“, und dann werde man sehen, ob eine Kommission einberufen wird. Nun, die wurde dann einberufen, wie die WZ am 28.7. meldete, und wie vor ihm Theo Guttenberg pfiff Althusmann laut im Keller: „Gelassen“ sagte er: „Eine neue Sachlage ist im Grundsatz nicht eingetreten“, doch die Landtagsopposition schimpfte und spottete (Beispiel: „Es bleibe fraglich, wie der Minister Schülern noch gegenübertreten und über Bildungsstandards sprechen wolle, ‚ohne dass die Gegenseite das Lachen anfängt’“,…), und am nächsten Tag wusste die WZ schon von „Spekulationen über Nachfolge“. Dass die „CDU verärgert über neue Plagiatsvorwürfe“ sei, berichtete die WZ am 5.8. Dabei waren es keine neuen Vorwürfe, sondern die seit einem Monat bestehenden Vorwürfe waren noch einmal erneuert worden. „Der Münchener Rechtswissenschaftler Volker Rieble hatte Althusmanns Leistung in seiner Dissertation erneut als „Abschreiben“ bezeichnet und gesagt: „Wer unterschiedliche Zitierweisen selektiv verwendet, weiß, was er tut“, und „auch die geschicktere Form sei als Plagiat zu werten“. Nun, warten wir doch einfach ab, zu welchem Urteil die von der Uni Potsdam eingesetzte Kommission diesbezüglich kommt. Die hat am vergangenen Freitag erstmals getagt, doch anders als Kommentator Marco Seng auf der Niedersachsenseite der WZ mutmaßte („Das Schicksal von Bernd Althusmann könnte sich bereits an diesem Freitag entscheiden“), ist erst mal noch gar nichts passiert. Die Kommission hat bislang nur beschlossen, dass Althusmann „seine umstrittene Doktorarbeit persönlich verteidigen“ soll, wie der NDR meldete. Außerdem will die Kommission „auch den Doktorvater des Kultusministers und den Zweitgutachter der Arbeit persönlich hören.“ Das könnte pikant werden, da Althusmann sogar aus Publikationen seines Doktorvaters abgekupfert haben soll. Wird der Kollege das verniedlichen und entschuldigen, oder wird er sauer sein? „Althusmann kannte seinen Doktorvater, den Betriebswirt Dieter Wagner, noch von seinem Studium an der Bundeswehruniversität. Später wechselte der Professor nach Potsdam. Um dort als Fachfremder überhaupt den Doktortitel erwerben zu dürfen, benötigte Althusmann eine Sondergenehmigung. Die Fakultät wertete das Pädagogikstudium in Kombination mit dem FH-Abschluss in Betriebswirtschaft als ausreichende Qualifikation – ‚ein Grenzfall’, sagt Wagner.“ So stand es gleich nach Bekannt werden der Plagiatsvorwürfe gegen Althusmann auf ZEIT ONLINE. Dort kann man auch große Teile der Diss des Kultusministers nachlesen und mit den Quellen vergleichen. Ich habe es getan und finde, wir sollten vielleicht alle nicht so streng mit dem obersten Dienstherrn aller Lehrer und Lehrerinnen Niedersachsens umgehen. Nach meinem Dafürhalten ist es nach dem Maßstab, der an Aufsätze von Hauptschülern angelegt wird, eine sehr gute Inhaltsangabe. Und dass es wissenschaftlich nicht sauber ist („handwerkliche Fehler“ nennt Althusmann – wie vor ihm schon Guttenberg – seinen Schmu), ist mit der Note „ausreichend“ doch schon hinreichend geahndet.

Oberschule

Ein Minister muss an mehreren Dingen gleichzeitig arbeiten können, hatte es zu Beginn der Berichterstattung über Althusmanns Dissertation geheißen, und dass er das kann, bewies er z.B. mitten in den Ferien: In seiner Eigenschaft als Präsident der Kultusministerkonferenz gab er die Einschätzung ab, dass die Oberschule (Zusammenlegung von Haupt- und Realschule) bundesweit zu erwarten sei. (vgl. WZ, 22.7.11) Die Bundesländer werden ihre Schulsysteme aneinander angleichen. Jetzt schon dauere die Grundschule in den meisten Ländern vier Jahre, und es werde wohl darauf hinauslaufen, dass es danach überall zweigliedrig weitergehen werde mit der Oberschule und dem Gymnasium. Seine Parteifreunde in Wilhelmshaven sehen das „vorerst“ anders. Am 28.7. berichtete die WZ, dass die hiesigen CDU-Schulpolitiker Möhle und Kunze wie auch Kreisvorsitzender Felbier hier „weder Bedarf noch Chance“ für die Oberschule sehen; das sei eher etwas für den ländlichen Raum. 132 Oberschulen niedersachsenweit haben am 18. August den Betrieb aufgenommen. Im Nachbarkreis Friesland gibt es schon Oberschulen in Sande und in Hohenkirchen. Die WZ war in Sande beim ersten Schultag dabei und zitiert Hans-Joachim Vogt, den Leiter der Oberschule Sande, mit den Worten, in der Verschmelzung der Haupt- und der Realschule liege für „leistungsschwächere Schüler eine bessere Chance, sich zu stärkeren entwickeln zu können“. (WZ, 20.8.) Dieser Gedanke liegt dem Wunsch der Landtagsopposition und unzähliger Eltern und Kinder nach der flächendeckenden und verbindlichen Integrierten Gesamtschule zugrunde. Mal sehen, ob die Oberschule sich auf lange Sicht als Wegbereiter zu diesem Ziel erweist oder eher als Faktor, der das gegliederte Schulwesen zementiert.

Untergang des Abendlandes?

In Horumersiel gibt es jetzt Kombiklassen an der Grundschule. Laut WZ vom 8.7. werden im Schuljahr 2011/12 die Klassen 1 und 2 und die Klassen 3 und 4 zusammengefasst. Die Alternative wäre die Schließung der Grundschule gewesen; weitere Schulwege für die Kleinen wären die Folge gewesen. Zwei Kinder wurden deswegen von ihren Eltern abgemeldet und woanders eingeschult, und weitere Eltern machen sich große Sorgen. Wir erinnern uns aus der schulpolitischen Diskussion in Wilhelmshaven an die immer mal wieder geäußerten Hinweise von Werner Biehl über das finnische Schulsystem. Seine Absicht dabei ist die Propagierung der gemeinsamen Beschulung aller Kinder. Doch in Finnland gibt es in etwas abgelegeneren Gegenden auch Schulen, in denen alle Schuljahrgänge gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden – mit Erfolg. Der wangerländische Schulausschussvorsitzende wies laut WZ darauf hin, dass Schüler verschiedener Jahrgänge voneinander viel lernen können, „die bestplatzierten Länder bei der Pisa-Studie machten das vor.“ Wenn ich die SchülerInnenzahlen in der Grundschule Horumersiel lese, wird mir warm ums Herz: 24 Kinder in Klasse 1-2, 19 Kinder in Klasse 3-4. Ich selber habe während meines Studiums im sog. Landschulpraktikum eine Kombiklasse 3-4 mit 48 Kindern unterrichtet! – Na gut, das ist schon lange her.

Müssen wir das ertragen?

Die WZ hat eine Serie „Wirtschaft im Dialog“, in der Lutz Bauermeister, Hauptgeschäftsführer des Allgemeinen Wirtschaftsverbandes Wilhelmshaven/Friesland, sich (ausgerechnet!) über soziale Themen äußert. Am 17. August fragt er „Warum gratis studieren?“ Bei seinen Absonderungen im Vormonat über das Bildungs- und Teilhabepaket für bedürftige Kinder konnte ich mich ja noch bremsen, doch jetzt klappen sich mir die Zehnägel hoch! Die „Umsonst-Unis“ sind nicht voller als die „Gebühren-Unis“, stellt Bauermeister fest, und er verweist auf die „Studienfinanzierung über Bafög, Stipendium oder Kredite sowie die Möglichkeit von Zuverdiensten z.B. in den monatelangen Semesterferien“. Unser Redaktionsmitglied Matthias hat in diesem Jahr sein Abitur geschafft, muss aber sein Studium aufschieben. Er muss erst einmal das Geld für die Immatrikulationsgebühr verdienen, denn für die gibt es keinen Kredit.

Kein Problem mit dem doppelten Abiturjahrgang?

Ein Plus von 35 % bei den Bewerbungen um Studienplätze vermeldet am 20.7. die Uni Oldenburg. 14.000 Menschen wollen da ihr Studium beginnen. 700 zusätzliche Studienplätze stellt die Uni im Hinblick auf den doppelten Abijahrgang und die Aussetzung der Wehrpflicht bereit. Moment mal! Für annähernd 4000 zusätzliche BewerberInnen 700 zusätzliche Plätze?

Anette Nowak

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