Mumia Abu-Jamal
Nov 101999
 

„Legale“ Folter

Die US-amerikanische Justiz ist derzeit in aller Munde: Ein kleiner Junge sitzt im Knast, weil er sich an seiner Schwester vergangen haben soll. Doktorspiele, von einer allzu aufmerksamen Nachbarin ganz im Sinne der sauberen Clinton-Gesellschaft kolportiert. Die Welt schreit auf. Zu recht.

MumiaDer kleine Raoul, bis jetzt vielleicht ein normaler Junge, wird, wann immer er das Gefängnis verlässt, nie wieder ein normaler Mensch sein können. Aber er und Tausende jugendlicher Mitgefangener in US-Knästen sind nur die Spitze des Eisbergs, in dem das „freieste Land der Welt“, die „Hüter der Menschenrechte“, alles einfrieren, was nicht in ihre Ordnung passt. Das System wird so unerbittlich sauber gefegt wie die Straßen. Über Raoul dürfen wir die anderen nicht vergessen. Zum Beispiel Mumia Abu-Jamal, der seit fast 20 Jahren in der Todeszelle auf seine Hinrichtung wartet. Der afroamerikanische Journalist setzte sich für die Menschenrechtsbewegungen Black Panther und Move ein, war Präsident der Vereinigung der Schwarzen Journalisten von Philadelphia und hatte den Beinamen „Voice of the Voiceless“ – Stimme der Unterdrückten. Er war der Stachel im Fleisch einer Gesellschaft, die von der Unterdrückung der Andersdenkenden, der Andersfarbigen, der Armen lebt, und musste aus dem Weg geräumt werden. 1982 wurde er wegen des angeblichen Mordes an einem weißen Polizisten zum Tode verurteilt. Die tödlichen Projektile stammten jedoch nicht aus seiner Waffe (die er, als Taxifahrer arbeitend, bei sich trug); immer neue Belastungszeugen wurden mit immer neuen Aussagen in das grausame Spiel gebracht, während Entlastungszeugen unter immer neuen Vorwänden abgelehnt wurden. Jamals „Schuld“ besteht darin, friedlich für die Freiheit aller Amerikaner gekämpft zu haben; selbst aus der Todeszelle publizierte er weiter und weiter. Der Abgeordnete McGeehahn aus Pennsylvania brachte es auf den Punkt: „Ob er einen Polizisten umbringt oder einen Buchvertrag im Gefängnis unterschreibt – für das eine wie das andere wird er büßen!“ 1995 wurde erstmals ein Hinrichtungstermin festgelegt – und wegen weltweiter Proteste wieder aufgehoben. Im Oktober 1999 unterschrieb der Gouverneur von Pennsylvania erneut eine Anordnung zur Hinrichtung für Anfang Dezember, die nun wieder aufgehoben wurde.

Die Existenz der Todesstrafe, die eine „zivilisierte“ Gesellschaft als barbarisch entlarvt, und die „normalen“ Todeszellen sind schon schlimm genug; doch mit Unterzeichnung der Hinrichtungsanordnung wird der Verurteilte in eine Plexiglaszelle verbracht, die 24 Stunden am Tag beleuchtet und von einer Kamera überwacht wird. Der „Sinn“ dieser seelischen Folter besteht darin, die Verurteilten und ihre Anwälte so unter Druck zu setzen, dass sie die ihnen verfassungsgemäß zustehenden Möglichkeiten zur Revision bzw. Verfahrensprüfung nicht hinreichend ausschöpfen können. Diese Folter endet mit der Hinrichtung oder, wie jetzt im Fall Jamal, mit der Rückverlegung in den Todestrakt und einer Wiederaufnahme des Verfahrens. In den letzten beiden Instanzen, die Jamal und seinem Verteidiger zur Verfügung stehen, scheinen sie nach aktuellen Berichten zum ersten Mal auf einen Richter zu stoßen, der weniger voreingenommen ist und wirklich zuhört.
Wieder sind weltweite Aktionen notwenig, um Jamal, symbolisch auch für alle Leidensgenossen, zu unterstützen. Gefordert sind die endgültige Aufhebung des Todesurteils und endlich ein faires Verfahren, das zu seiner Freilassung führt. Wie schon 1995 fordern das Antifaschistische Bündnis und die Bürgerinitiative gegen Ausländerfeindlichkeit alle WilhelmshavenerInnen auf, sich an diesen Protestaktionen zu beteiligen. Jede/r kann mit einer vorbereiteten Postkarte die genannten Forderungen an den Gouverneur von Pennsylvania stellen. Die Karten sind für DM 2.- (Portokosten) bei den Initiatoren zu beziehen.
Weiterhin wird es zwei Informations- und Diskussionsveranstaltungen geben:
am 10.11.99 mit einem Film über Mumia Abu-Jamal
am 24.11.99 mit einem Film über die Bewegung „Schwarze Panther“
(jeweils mittwochs, 20 Uhr Gewerkschaftshaus, Kieler Straße, Willy-Bleicher- Zentrum – Obergeschoss).
Das Antifaschistische Bündnis trifft sich jeden Mittwoch um 20 Uhr im Willy-Bleicher-Zentrum. Postkarten für das Gesuch an den Gouverneur und weitere Informationen sind dort erhältlich oder über Rolf Meyer, Tel. 04421-44044. (iz)

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