JadeWeserPort 1
Nov 101999
 

Hafenroulette

Für den JadeWeserPort zeichnen sich jetzt schon mehrere riskante Unwägbarkeiten ab. In der Jadeport-Analyse ist darüber allerdings nichts zu finden.

(jm) Die anhaltende weltweite Entwicklung der Schiffsverkehre mit immer größer werdenden Schiffseinheiten und der Kapazitätserschöpfung der traditionellen deutschen und europäischen Seehäfen lenkten in den letzten Jahren verstärkt den Blick auf den deutschen Tiefwasserhafen Wilhelmshaven. Die sich bietende Entwicklungschance galt es für Wilhelmshaven aufzugreifen (aus WZ, 18.06.99 Warum JadePort/WeserPort? von WHV-Präsident John H. Niemann). Die Tatsache, dass Hamburg und Bremen ständig ihre Häfen ausbauen, ihre Zufahrten der Schiffsgrößenentwicklung angepasst wurden und in den dort bereits vorhandenen Umschlaganlagen und Lagerflächen riesige Produktivitätsreserven ruhen, kann seinen Blick nicht trüben. Wozu auch?! Die WHV hat ja die JadePort-Analyse, die sie als Rechtfertigung für ihr Bemühen vorweisen kann. Die darin diffus eingestreuten Relativierungen (s. dazu Gegenwind Nr. 145, Das Orakel) überliest man ja auch leicht angesichts des darin angelegten optimistischen Grundtenors.
Es gibt aber auch Risiken, die in der JadePort-Analyse überhaupt nicht angesprochen werden: Während alles auf den Hafenmoloch Rotterdam starrt, entwickelt sich am Mittelmeer eine Konkurrenz für die gesamte Nordrange (Häfen zwischen Le Havre und Hamburg)- bis vor die Haustüren von Hamburg und Rotterdam!
Dazu ein Zitat des Generaldirektors des Baseler Transportunternehmens ICF, Sören Rasmussen:
Wir rechnen in den südeuropäischen Häfen mit einem überproportionalen Wachstum. Dies wird ausgelöst durch die Politik der großen Reedereien insbesondere im Far-East-Trade. Wir gehen davon aus, dass europäische Regionen, die bisher überwiegend von den Häfen der Le Havre-Antwerpen-Hamburg-Range bedient worden sind, künftig verstärkt von Feederdiensten erreicht werden, die von mediterranen Hubs (Hub: Radnabe – Transithafen auf einer transozeanischen Transportachse, von der aus die Container auf den verfügbaren Verkehrswegen Seeweg, Binnenwasserstraße, Schiene, Straße (Speichen) weitertransportiert werden. Ein JadeWeserPort käme allenfalls als solch eine Containerschleuse in Frage.) aus organisiert werden. ICF baut das eigene Blockzug-System (Zusammenfassung und logistische Steuerung von Containern nach Zielorten im Schienenverkehr) der Nachfrageentwicklung gemäß aus. (…) Die Transportdauer wird neben der Frachtrate ausschlaggebend für die Hafenwahl sein. Im Far-East-Trade werden die Häfen des Mittelmeerbereiches bis zu sieben Tage schneller bedient werden können als die Häfen des Nordkontinents. Dadurch verändert sich auch die Haus-Haus Bedienung. Die Transitzeit zum Hinterland in Zentral- und Osteuropa ist für die Nord- und Südhäfen vergleichbar. Daraus müssten sich Vorteile für die Südhäfen ergeben (Verkehrswirtschaft 10/96).
Dieses Transportunternehmen ist selbstverständlich nicht das einzige, das es ans Mittelmeer zieht:
Da ist z.B. das Hamburger Containerumschlagunternehmen Eurokai, welches Unternehmensanteile am an der Stiefelspitze Italiens gelegenen Containerhafen Gioia Tauro besitzt. Dieser Hafen konnte seinen Containerumschlag von 17.000 im Jahre 1995 auf 2.125.650 TEU im Jahre 1998 steigern. (inforMare On-Line-Service vom 22.09.99)

containerhäfenGioia Tauro ist eine Containerschleuse für Transporte zwischen Fernost und den Mittelmeeranrainern. Auch beim Weitertransport spielt die Eurokai mit und bietet Feederdienste zu 38 Mittelmeerhäfen sowie Bahn- und Straßentransporte nach Norditalien an. Außerdem ist sie an Güterverkehrsanlagen u.a. in Mailand, Venedig und Wien beteiligt. Beteiligt ist Eurokai auch an dem rasch wachsenden Container-Terminal in La Spezia unweit von Genua. Letztes Jahr erzielte dieser einen Umschlag von 615.220 TEU bei einer Wachstumsrate von 20,8%. Dieser Terminal ist übrigens näher zu München gelegen als ein zukünftiger JadeWeserPort.
Den Kostenvorteil einer um sieben Tage verkürzten Transportverbindung zwischen Ostasien und Europa wollen weitere Unternehmen nutzen. Die Häfen der Nordrange werden es gewiss zu spüren bekommen, wenn sich die Globalsteuerung der Containertransporte über weitere Mittelmeerhäfen wie Genua, Malta, Triest, Koper/Slowenien und Rijeka/Kroatien als kostengünstiger erweist, als der Umweg über die Nordseehäfen. Und davon wäre Wilhelmshaven besonders hart betroffen, weil der JadeWeserPort ja hauptsächlich als Drehscheibe zwischen Ostasien und Skandinavien bzw. Baltikum dienen soll.
Die Eurokai ist auch beim Landtransport schon sehr weit: Sie bietet nicht nur Bahn- und Straßentransporte von Süd- nach Norditalien an, sondern betreibt auch einen eigenen Containerzug im Dreieck Hamburg-München-Bremerhaven-Hamburg.
Jüngst hat sich diese Firma mit dem Betreiber der Bremerhavener Container Terminals – der BLG Container Terminalgesellschaft – zusammengetan und firmiert jetzt unter dem Namen Eurogate.
Wenn die WHV also in Sachen JadeWeserPort mit Bremen zusammen arbeiten will, ist dies ihr eigentlicher Ansprechpartner. Das Schicksal dieser sich zum multinationalen Unternehmen mausernden Firmengruppe hängt jedoch nicht mehr von der Zukunft einer Hafenregion geschweige denn von der eines einzigen Hafens ab. Losgelöst von regionaler Rücksichtnahme kann sie die Containerströme in einem weit gespannten Transportnetz so steuern, wie sie das für richtig hält.

Seit Jahren verbreiten die Protagonisten des JadeWeserPorts die Mär von den vielen damit verbundenen Arbeitsplätzen und seine Finanzierung durch private Investoren. Und je weniger qualifiziert die Honorationen, desto abgehobener die Behauptungen: So wie jüngst die Behauptung des Wangerländer Bürgermeisters Joachim Gramberger, dass im Zuge des Ports mindestens 4.000 Arbeitsplätze entstehen würden (WZ vom 09.10.99). Die Macher von der WHV sind da wesentlich zurückhaltender – lassen solche Wolkenkuckucksheime aber auch unkommentiert über den Stammtischen schweben. Erst seit ihnen eine kritische Öffentlichkeit auf die Finger schaut, sehen sie sich diesbezüglich genötigt, zumindest einen groben Rahmen zu setzen: Es dürften mehrere hundert Arbeitsplätze entstehen. Blauäugig wäre die Stadt, würde sie nur auf dieses Projekt setzen (WHV-Geschäftsführer Detlef Weide in Guten Morgen Sonntag v. 01.08.99).
Die Gewerkschaften – in Sachen Arbeitsplatzeffekte gewiss nicht unbeleckt – schicken sich in ihre zu spielende interessengebundene Rolle und geben sich mit Erhalt und Sicherung zumindest der vorhandenen Arbeitsplätze und, wenn es gelingt, Schaffung neuer Arbeitsplätze zufrieden (WZ v. 28.10.99).
In Sachen Finanzierung des JadeWeserPorts hat die WHV bislang vor der breiten Öffentlichkeit an der Vorstellung festgehalten, dass für den Port private Investoren gefunden werden könnten. Dagegen wurden begründete Zweifel vorgetragen (z.B. im Gegenwind 153). Jetzt ist die Skepsis auf die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wilhelmshaven (WFG) übergesprungen: In der WFG wird kurzfristig damit begonnen, eine Förderstrategie für den Jade-Weser-Port zu entwickeln. Denn auch in diesem Gremium ist die Erkenntnis gewachsen, dass ein derartiges Großvorhaben nicht allein mit privaten Mitteln zu finanzieren ist. Die Infrastruktur sei eine Aufgabe der öffentlichen Hand, um diesen Hafen konkurrenzfähig betreiben zu können (WZ v. 05.11.99). Na bitte!

Nun kann man einwenden, Süddeutschland, Südosteuropa oder gar Südeuropa würden für den Containerumschlag in einem JadeWeserPort sowieso nur marginale Bedeutung erlangen. Die Chance des Ports läge vielmehr in Feederdiensten nach Skandinavien und ins Baltikum. Das stimmt natürlich nicht, denn wenn die Nordseehäfen insgesamt Umschlaganteile an die Mittelmeerhäfen verlieren sollten, können Überkapazitäten entstehen. Dies würde zweifellos zu einem verschärften Kampf um den verbliebenen Rest führen.
Zudem hat sich in Skandinavien was getan, was die Verfasser der JadePort-Analyse auch nicht berücksichtigt haben: Es gibt jetzt eine direkte feste Landverbindung zwischen Schweden und Jütland. Dadurch wird Göteborgs Rolle als Haupthafen Skandinaviens – zentral gelegen zwischen Oslo, Kopenhagen und Stockholm – weiter gestärkt. Das könnte sich schon spürbar auf den Umschlag in Bremerhaven und Hamburg auswirken, bevor der JadeWeserPort überhaupt fertig ist.
Als Gegenmaßnahme wird bereits eine Brücke von Fehmarn nach Lolland/Dänemark angestrebt. Außerdem betrachtet Hamburg inzwischen Lübeck als seinen Feederhafen für das Baltikum und träumt schon mal vom Ausbau des Elbe-Lübeck Kanals. Die angeführten Pläne und Visionen würden sowohl einzeln als auch insgesamt durchgeführt dem Hamburger Hafen Wettbewerbsvorteile gegenüber der Weser-Jade-Region verschaffen.
Zu guterletzt haben die JadePort-Analysten es versäumt, auf eine durchaus denkbare neuerliche technische Umwälzung des Containertransportsystems in der Seeschifffahrt einzugehen: Sie schreiben lediglich die Schiffsgrössenentwicklung bis zu einer Ladekapazität von 8.000 TEU+ (bei 14 Metern Tiefgang!) fort und führen dazu abschließend aus: Man muss sogar von weiteren Vergrößerungen ausgehen, und tatsächlich werden bereits Liegeplätze entwickelt, die noch größeren, potenziellen Entwürfen Rechnung tragen (JadePort-Analyse S. 2-6).
Dabei hat das Rotterdamer Maritiem Economisch Research Instituut (MERC) herausgefunden, dass bereits ab 9.000 TEU Ladekapazität aufwärts die Transportkostenvorteile schwinden.
Seinen Grund hat das u.a. mit den damit verbundenen längeren Hafenliegezeiten, die zunehmend den Einsatz zusätzlicher Jumbos erforderlich machen, um die von der Wirtschaft geforderte Fahrplandichte (just in time) einhalten zu können.
Vorausgesetzt, dieses Problem ist hafenseitig aus technischen oder finanziellen Gründen nicht mehr lösbar, dann werden die Reeder sich kostensparende Alternativen überlegen müssen.
Eine Möglichkeit bestünde in einem Wechsel des Schiffstyps:
Jüngst wurde eine technisch-ökonomische Studie für ein 12.000 TEU-Schiff von der Japan Container Association vorgestellt. Dabei wird Abschied genommen von Vollcontainerschiffen (…) und auf die Barge-Technologie gesetzt. Ein Jumbo Barge Carrier (JBC) (Supergroßer Schutentransporter) befördert 6 Barges mit einer Tragfähigkeit von jeweils 2.000 TEU. Der JBC hätte eine Länge von 426 m eine Breite von 75 m und einen Tiefgang von 14,8 m. Die Barges haben eine Länge von 124 m und die Panamax-Breite von 32,20 m (Panamax: Maximale Breite für Schiffe, die den Panamakanal durchfahren wollen). Vor den Häfen werden diese Bargen ausgeschwommen und dann zu den Terminals geschleppt. Bei diesem Vorschlag besteht die Möglichkeit der Entkoppelung von Schiffs- und Hafenumschlag.

Zusammengefasst ergeben sich folgende unwägbare Risiken für die Entwicklung eines JadeWeserPorts:

Die zukünftige Auswirkung
  • des geografischen Standortvorteils der Mittelmeerhäfen gegenüber den Nordseehäfen beim Containertransport zwischen Ostasien und Europa
  • der Inbetriebnahme der Belt- und Öresundbrücken auf die Feederdienste nach Skandinavien
  • einer Brückenverbindung von Fehmarn nach Dänemark sowie des Ausbaus des Elbe-Lübeck Kanals
  • der Möglichkeit der Einführung neuer Transporttechnologien wie dem Jumbo Barge Carrier.

Vor allem die Realisierung des letzten Punktes wäre tödlich für den JadeWeserPort, weil die Bargen vor der Küste ausgeschwommen und von dort mit Schubschleppern flussaufwärts so nahe wie möglich an die Ballungsräume herangeführt werden würden.

Damit der Hafenbetrieb ordnungsgemäß funktionieren kann, ist es erforderlich, die staatlichen Investitionen in die Infrastruktur und die Investitionen in die Suprastruktur, die den einzelnen Betrieben dient, aufeinander abzustimmen.
In Folge der finanziellen Knappheit ist das Land nicht mehr in der Lage, Hafeninfrastrukturmaßnahmen ohne Verpflichtung der Hafenwirtschaft zur Schaffung entsprechender Suprastruktur zu erstellen. Auch Infrastruktur muss bedarfsgerecht erstellt werden. Die Orientierung am Bedarf wird verbessert, wenn die Hafenwirtschaft angemessene Hafenentgelte für die Infrastruktur zu zahlen hat. Damit wird vermieden, dass kostenintensive Infrastruktur bereitgestellt, jedoch letztlich von der Hafenwirtschaft nicht genutzt wird. Eine Baumaßnahme wird grundsätzlich erst dann in Angriff genommen, wenn ein verbindlicher Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur und der Erstellung der Suprastruktur abgeschlossen wurde.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Peter Fischer auf dem 9. Niedersächsischen Hafentag am 3.9.99 in Nordenham

 

 

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