JadeWeserPort 3
Jun 282000
 

Container-Terminals sind für die öffentliche Hand ein permanenter finanzieller Aderlass

(jm) Die Wirtschaftssenatoren von Bremen und Hamburg sowie der niedersächsische Wirtschaftsminister haben den Auftrag zur Erstellung einer Bedarfsanalyse für einen neuen Tiefwasserhafen an der Nordsee beschlossen. Gegebenenfalls soll in einem zweiten Schritt die Standortfrage (Cuxhaven oder Wilhelmshaven) geklärt werden.

Die vorangestellte Bedarfsanalyse soll sich mit

  • den Tiefgangsverhältnissen in wichtigen Häfen und Wasserstrassen,
  • den zu erwartenden Entwicklungen im Bereich der Reedereien,
  • möglichen Einsatzformen von sehr großen Containerschiffstypen
  • und den Realisierungschancen neuer Transportangebote

befassen.(Deutsche Schiffahrtszeitung vom 29.05.2000 )
Vorstehender Auftragsinhalt lässt ein Fünkchen Hoffnung aufglimmen, dass bei der Untersuchung etwas Plausibleres rauskommt als bei der diesbezüglich defizitären Machbarkeitsstudie des Projektkonsortiums Jade-Port.
So kann man davon ausgehen, dass sich Hamburg nur durch belastungsfähige Fakten von der Notwendigkeit eines Tiefwasserhafens überzeugen lassen wird. Allerdings sind auch Kompensationsvereinbarungen denkbar…
Die Stadt Bremen hat dagegen das, was Hamburg für sich an der Elbmündung nicht für erforderlich hält, einen Containerhafen an der Wesermündung in Bremerhaven, und sieht sich unter Zwang, ihn immer weiter auszubauen. Doch die immensen Kosten sind vom ziemlich bankrotten Land Bremen kaum noch zu verkraften.
Den Bremern muss es wie ein Geschenk des Himmels vorkommen, wenn das Land Niedersachsen Geld in den JadeWeserPort stecken würde. Denn in Bremen weiß man: Hafenstandorte erfüllen Relaisfunktionen. Die zu entwickelnde Fähigkeit derartiger Relais beziehen sich nicht auf traditionelle Fähigkeiten des Umschlags, der Lagerei und des Transports, sie beinhalten vielmehr ein Leistungspaket der logistischen Differenzierung und ihres kundenorientierten Managements. Die Fähigkeit zur Schaltung virtueller Ressourcen bzw. logistischer Netze wird zur Kernattraktivität des modernen Hafens.(Werner E. Eckstein: Neue Handlungsfelder der Logistik )
Die Niedersachsen würden den Bremern also einen Dependance-Terminal an der Jade bezahlen. Denn die logistischen Aufgaben sind nicht an Wilhelmshaven gebunden, sondern würden in Bremen abgewickelt werden. Durch die dadurch ermöglichte Fernsteuerung eines JadeWeserPorts würde der absolute Löwenanteil der Wertschöpfung in Bremen verbleiben.
Die niedersächsische Landesregierung möchte natürlich gern was für die chronisch strukturschwache Küste tun, doch die Landeskasse ist leer. Trotzdem hat sie den JadeWeserPort stets befürwortet und würde dem Bau – ob als Tiefwasser-Terminal erforderlich oder nicht – mit Gewissheit jede Unterstützung angedeihen lassen, wenn der Hafen rein privat finanziert würde bzw. die Kosten-Nutzenrechnung für den Landeshaushalt positiv ausfiele. Falls nicht, muss sie mit der Bereitstellung von Landesmitteln geizen und bestrebt sein, einen möglichst großen Teil der öffentlichen Lasten auf andere Schultern abzuwälzen. In erster Linie käme da Bremen als der größte Profiteur in Frage. Will man auch noch Hamburg mit ins Boot holen, dann muss man zudem über den Alternativstandort Cuxhaven nachdenken.
Mit der Beschreibung der Interessenlage der drei Küstenländer ist auch ziemlich deckungsgleich der bescheidene Aktionsradius ihrer Hafenpolitiken beschrieben: Es ist nichts weiter als eine angebotsorientierte Strukturpolitik mittels Steuergeldern.
Und nicht selten ist sie ein Verlustgeschäft für den Steuerzahler. Zwar erklärte der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) in einer Stellungnahme zum Grünbuch über Seehäfen und Seeverkehrsinfrastruktur der EU-Kommission: Für die Gewerbeflächen sowie die bereitgestellte terminalbezogene Infrastruktur erhebt die öffentliche Hand angemessene Entgelte.
Doch die Angemessenheit bezieht sich weniger auf Kostendeckung der öffentlichen Hände, sondern eher auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betreiber. Über die praktische Handhabung gibt es da auch schon mal Zoff unter den Bossen:
Der durch Staatseingriffe betriebene Standortwettbewerb zwischen den Hafenplätzen wird in unerträglicher Weise zu Lasten Hamburgs verzerrt, erbost sich Peter Dietrich, Vorstandschef der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft (HHLA), über Bremer Praktiken und sieht diese Verzerrung u.a. in der stark subventionierten Vorhaltung von Infrastruktur für Hafenumschlagsunternehmen in Bremerhaven.(Die Welt vom 26.01.99 )
Für Dietrich ist im Containerverkehr eine neue Dimension des Hafenwettbewerbs entstanden: der Infrastrukturwettbewerb. Diese These wird von Wolfram Elsner, Professor im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Bremen und langjähriger Mitarbeiter des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung gestützt: Städte und Regionen stehen überregional in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf. Hafenstädte beispielsweise vertuschen gegenseitig ihre hafenbezogenen Investitions- und Kosten-Ertragsrechnungen und wissen voneinander, dass sie ihre veröffentlichten Zahlen und Planungen nicht für bare Münze nehmen können.
Ist der Transithafen JadeWeserPort erst einmal gebaut, gilt auch für die Landesregierung das Gesetz des Wachsens oder Weichens. Doch Wachsen würde bedeuten: Ständiger Zwang zu neuen hohen öffentlichen Investitionen und ruinöse Preis- und Konditionenkonkurrenz einerseits und geringe regionale Wertschöpfung andererseits.
Dies bestätigt auch Manfred Zachzial, Direktor des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen – übrigens einer der Unterzeichner der beiden JadePortStudien: Der scharfe Wettbewerb zwischen Häfen und Terminals in der Nordrange hat dazu geführt, dass Wartezeiten von größeren Linienreedereien nicht mehr akzeptiert werden. (…) Insgesamt zeigt sich, dass die Investitionsentscheidungen im Bereich Containerumschlag zu einem großen Teil abgekoppelt sind von Renditeüberlegungen. Die Vermeidung hoher Marktaustrittskosten, strukturpolitische Überlegungen und Wettbewerbsdruck zwingen zu immer neuen renditeunabhängigen Investitionen in höhere Kapazitäten.(DVZ, 23.04.98 )
Auch die Reeder und Hafenbetreiber stehen unter Wettbewerbsdruck. Doch im Gegensatz zu den im ruinösen Infrastrukturwettbewerb stehenden öffentlichen Kassen haben sie Handlungsspielräume. Immer das Zauberwort ‚Wettbewerb‘ auf den Lippen, streben sie marktbeherrschende Positionen an, um dem Wettbewerbsdruck zu entgehen. So bilden sich bei den Containerreedern und Hafenbetreibern Oligopole heraus, die ihre imperiale Marktmacht dazu nutzen, den Wettbewerbsdruck auf andere Schultern zu verlagern. Die Kassenwarte der öffentlichen Hand kriechen schweigend unter den zunehmenden Lasten zu Kreuze; aber Schlepperfirmen, Lotsen usw. schreien schon mal vernehmlich auf.
Eine Geschmacksprobe für die Machtfülle bietet Emanuel Schiffer von der Firma Eurogate, die ja auch den JadeWeserPort betreiben will: Wir haben als erstes Containerunternehmen in Europa das hafenübliche standortzentrierte Denken und Handeln abgelegt. Wir müssen keinen Reeder mehr überzeugen, dass er mit seinen Schiffen unbedingt Bremerhaven oder Hamburg anlaufen muss, um optimal bedient zu werden. Wir vermarkten also nicht einen einzigen Hafenstandort, sondern bieten Europa aus einer Hand.(Rede vor dem Deutschen Verkehrsforum in Hannover am 18.02.2000 )
Eurogate kann also nicht nur Bremerhaven und Hamburg gegeneinander antreten lassen, sondern auch La Spezia und Gioia Tauro mit ins Spiel bringen, um sie um den kostengünstigsten containerisierten Güteraustausch zwischen Ostasien und Zentraleuropa wetteifern zu lassen.
Während also die öffentlichen Hände und die kleinen Dienstleister in einen ruinösen Wettbewerb getrieben werden, meint es sich Eurogate erlauben zu können, an die Börse zu gehen und mittelfristig eine Rendite von 15% zu erzielen.(DVZ, 11.12.99 )
Während sich ein rundes Dutzend systembeherrschende Global-Player bald nur noch um gute Börsennotizen sorgen müssen, verharrt die öffentliche Hand in unseliger Bürgermeisterkonkurrenz und trägt durch Bereitstellung immer neuer Steuergelder zur Erhöhung des Shareholder-Value der Spekulanten bei.
Aus dieser volkswirtschaftlichen Schieflage kann sich die öffentliche Hand wohl nur noch befreien, indem sie sich aus der Finanzierung von Container-Terminals zurückzieht. Das würde die Anspruchsmentalität der Transportkonzerne zu Wasser und zu Lande gewaltig dämpfen und eine effizientere Auslastung der Terminals, eine sozial- und umweltverträglichere Ressourcenpolitik und damit volkswirtschaftlich effizientere Investitionen begünstigen.

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