Gegenwind-Gespräch: Johan Anton van Weelden – Teil 2 –
Aug 012001
 

Geht nicht? – Gibt’s nicht!

Zweiter Teil unseres Gespräches mit dem parteilosen CDU-OB-Kandidaten Johan Anton van Weelden

(hk/iz) In unserer Juli-Ausgabe kündigten wir an, dass wir uns mit noch ein weiteres Mal mit dem Industrie-Manager, der gerne Manager der Stadt Wilhelmshaven werden möchte, auseinandersetzen. Es geht um Filz, Machenschaften, Städtebau, Kultur und natürlich um den JadeWeserPort.

Gegenwind: Sie sind mit großen Worten in den Wahlkampf eingestiegen: Filz und Machenschaften wollen Sie bekämpfen – können Sie das für uns konkretisieren?
van Weelden: Wenn eine Partei seit beinahe 50 Jahren an der Macht ist, dann tritt eine Gewöhnung an Sachen ein, die eigentlich nicht passieren dürften. Ich meine, dass es wichtig ist, jetzt einen Wechsel in der obersten Ebene dieser Stadt zu bekommen, um solche Sachen zu korrigieren.

Was meinen Sie mit „solche Sachen“? Da müssten Sie doch mal konkreter werden. Man kann ja nicht einfach Filz und Machenschaften sagen, ohne dafür Belege zu haben.
Wenn man das konkret sagt, dann steht man ja mit einem Bein schon beim Staatsanwalt. Man muss hier von Gewohnheiten ausgehen, die aus einer solchen Situation entstehen. Wie öffentlich wird in dieser Stadt denn mit Personalentscheidungen, mit Grund- und Bodenentscheidungen umgegangen? Wissen Sie, was hier an Grundstückskäufen und –verkäufen läuft? Das wird hinter verschlossenen Türen verhandelt.weeldenklatsche

Diese Fragen werden in den nichtöffentlichen Ratssitzungen behandelt – weil da Privatinteressen mitspielen.
Genau. Warum dürfen die Bürger und Bürgerinnen nicht wissen, was hier unter dem Namen „Privat“ mit ihren Steuergeldern passiert? Wenn die Stadt Grundstücke für 650 DM kauft und für 40 DM verkauft – da muss ich die Frage stellen, was da läuft. Ist das Wirtschaftsförderung? Ich bin dafür, dass hier mehr Öffentlichkeit hergestellt wird, dass die Bürger sehen, was mit ihrem Geld passiert. Jetzt entsteht doch der Eindruck von Filz und Machenschaften. Wir brauchen ein öffentliches, ein gläsernes Rathaus.

Keine klaren Verantwortlichkeiten

Ein Beispiel für die von Ihnen beschriebene Politik ist ja der Umgang mit dem Schuldenberg der WPG.
Nach dem Verkauf der Jade waren Wilhelmshavens Bürger praktisch schuldenfrei – und jetzt liegt die pro-Kopf-Verschuldung wieder bei 500 DM. Keiner fühlt sich zuständig, der Geschäftsführer ist nicht mehr da – die ganze WPG hätte schon lange bankrott sein müssen. Und wenn man in der Geschichte nachforscht, laufen Sie gegen verschlossene Türen. Da gibt es die Botel-Geschichte – was ist da abgelaufen? So etwas muss doch bis ins Detail öffentlich gemacht werden!

Was meinen Sie denn, was bei der WPG falsch gelaufen ist?
Die finanzielle Kontrolle – der Kontrollapparat hat gefehlt.

Wenn die so viel Miese machen, dann muss doch am Konzept auch etwas falsch sein.
Nachher ist man immer schlauer. Alle haben gewusst, dass die Expo Geld kostet – nur wie viel, wusste man nicht. Die Hälfte der WPG-Schulden sind durch die Expo entstanden. Es geht darum, dass hier keine klaren Verantwortlichkeiten existieren. Wenn Geld ausgegeben wird, dann will ich wissen, wo das Geld hingeht und ob ich das Geld auch habe. Wenn ich das Geld nicht habe, dann muss ich ein Darlehen aufnehmen und muss die Konsequenzen dieses Darlehens kennen. Darüber muss der Rat informiert sein und entscheiden – und nicht hinterher nur noch mit dem Kopf nicken.

Zwei bahnbrechende Ziele wollen Sie als Stadtchef angehen: Erstens die Verlegung des Bahnhofs nach Bant und zweitens die Untertunnelung des Ems-Jade-Kanals, um die Deichbrücke zu ersetzen. Für beide Vorschläge ernteten Sie eigentlich nur Hohn und Spott. Wie ernsthaft sind diese Ziele anzusehen?
Mein Hauptthema ist nicht, ob da ein Tunnel gebaut wird, mein Hauptthema ist auch nicht, ob der Bahnhof verlegt wird. Mein Hauptthema ist, die Prioritäten in dieser Stadt zu ändern. Wir müssen hier Wirtschaft betreiben, um Einnahmen zu haben, um unsere Aufgaben auch im sozialen und im kulturelle Bereich finanzieren zu können. Das ist meine höchste Priorität.
Es geht darum, die Wirtschaftlichkeit der Betriebe am Binnenhafen zu sichern und zu erhöhen – und in dieser Stadt streitet man sich darum, ob man eine neue Brücke bauen soll. Ich will erreichen, dass man hier auch mal alternativ über mögliche Lösungen nachdenkt. Darum mein Vorschlag mit der Untertunnelung.

Erfolgsgeschichte Nordseepassage

Wenn Sie sich den Bahnhof ansehen – schauen sie sich von der Ebertstraße mal die Gebäude am Bahnhof an – die Mauer, die da entstanden ist durch den Kino-Disko-Bau. Das ist doch keine städtische Planung. Da muss ich doch zu Herrn Dr. Ingo Sommer sagen: Sie sind zuständig für städtische Architektur, dann fangen sie auch für Ihr Gehalt an, sich mit städtischer Architektur zu befassen. Und dann sollte man nicht von der Südstadt aus auf eine Wand sehen, die noch höher als die Berliner Mauer ist!
Die Nordseepassage ist eine Erfolgsgeschichte. Da muss man sich doch die Frage stellen, wie man dieses erfolgreiche Projekt erweitern und fortführen kann. Nur zweieinhalb Prozent der Kunden der Nordseepassage kommen mit der Bahn. Das nenne ich einen Misserfolg bzw. falsche Nutzung. Hinzu kommt ja auch noch die Verkehrsblockade durch die Bahnschranken. Warum geht man nicht daran, über ein anderes Konzept nachzudenken? Warum nicht den Bahnhof nach Bant verlegen? Die Verkehrssituation in der Stadt verbessert sich, die Umweltsituation verbessert sich – keine Wartezeit vor der Schranke, keine zusätzlichen Abgase. Und ich tue auch noch etwas für Bant und ich verändere das Gesicht der Südstadt, ehe dort die Ghettobildung voranschreitet.

Erweiterung der Nordseepassage – wäre das nicht der Tod der gesamten Marktstraße, die ja schon jetzt durch Leerstände geprägt ist?
Die Mieten in der Marktstraße sind horrend hoch – darum gibt es dort so viele Billiggeschäfte und keine Qualitätsgeschäfte mehr. Man kann die Marktstraße qualitativ aufwerten – warum dort nicht täglich einen Markt abhalten? – und die Nordseepassage mit kleinen Geschäften erweitern, mit Märkten, Restaurants – das ist ein Erfolgsrezept, das es gilt weiter zu entwickeln.

Aber wer soll da denn einkaufen?
Ein großer Teil des Einkommens der Wilhelmshavener geht nach Oldenburg und Bremen, weil dort mehr Qualität angeboten wird. Warum kann man diese Kaufkraft nicht an Wilhelmshaven binden?

Das ist doch auch eine Frage des Umfelds – Oldenburgs Innenstadt ist ja mit der Wilhelmshavens nicht zu vergleichen.
Ich kann doch auch hier ein wunderschönes Stadtzentrum bauen.

Es geht doch auch darum, Wilhelmshavens Innenstadt wieder ein Gesicht zu geben. Für die Nordseepassage musste der Bahnhof abgerissen werden Es geht doch auch um den Erhalt der Gebäude, die Wilhelmshavens Gesicht prägen.
Die Südstadt hat wunderschöne Häuser. Muss man die vergammeln lassen? Oder kann man das integrieren und mit den Bereichen nördlich der Bahn verbinden? Doch was tut man in dieser Stadt? Man plant um die Stadt herum Neubaugebiete und vergisst die Innenstadt. Das ist doch städtische Planung aus dem Jahre Null. Wo ist das Stadtzentrum Wilhelmshavens? Man kann doch ein Innenstadtkonzept machen, so dass ein Herz der Stadt entsteht. Deswegen sage ich: Verschließt nicht die Augen, aber versucht es anders zu sehen – sucht offen nach Alternativen. Wenn etwas nicht in diese Welt passt, dann muss ich es ändern.

Die Stadtplanung in Wilhelmshaven läuft doch so, dass ein Investor kommt und sagt, wie er etwas machen will. Da gibt es ja keine öffentliche Planung mehr – jedes noch so schöne Innenstadtkonzept zerbricht an dem Auftreten der Investoren bzw. an der Bereitwilligkeit, all seine Wünsche zu erfüllen. Ist da bei Ihnen mit einer Änderung zu rechnen?
Ein Investor kann natürlich hier investieren, aber es muss in ein Konzept passen. Die Interessen des Investors und die Interessen der Stadt müssen beide berücksichtigt werden. Und da werde ich natürlich drauf achten. Man muss nur eben wissen, was man möchte, man muss erst einmal ein Konzept haben!

Den Mix verbessern

Wie beurteilen Sie denn das kulturelle Leben in Wilhelmshaven?
Teilweise gut und teilweise schlecht. Das Pumpwerk ist sehr kreativ. Der Museumsbereich dagegen ist sehr nachlässig – da sind zu viele Leute, die ihre Sachen nebeneinander machen – das muss koordiniert werden – das ist alles zu diffus.
Weelden_Hans vanMan muss den Mix in unserer Stadt verbessern. Darum bin ich auch dafür, eine Kunstakademie mit Konservatorium für Wilhelmshaven zu bekommen. Nicht nur harte Technik. Wir haben hier wunderschöne Chöre, wir haben Sänger und Sängerinnen in Wilhelmshaven mit Stimmen, die zu den besten in Deutschland gehören. Wir haben hier einige Rockbands…

…einige ist gut. Wir haben hier eine sehr starke Musikinitiative.
Die Stadt kann diese Musikwelt in Wilhelmshaven promoten. Das bringt Nebenbeschäftigung und hat eine starke Außenwirkung. Warum gibt es hier keine großen Konzerte mit Wilhelmshavener Musikern? Die Stadt muss etwas tun, um die Musikszene zu fördern. Ein Konservatorium und eine Kunstakademie würden in diese Gegend passen. Doch in Wilhelmshaven heißt es immer nur: Das geht nicht!

Streitpunkt Küstenmuseum: Es gibt da ja zwei Herangehensweisen. Zum einen diejenigen, die dieses Museum von unten aufbauen wollen und dann die, die sich ein solches Museum durch eine Marketingfirma für viel Geld hinstellen lassen. Sehen Sie Unterschiede, wie in Ihrer eigentlichen Heimat Niederlande mit ehrenamtlichem Engagement umgegangen wird, und wie in Deutschland bzw. speziell Wilhelmshaven damit umgegangen wird?
Ohne Ehrenamt gehen sehr viele Sachen nicht. Ehrenamt sollte sein, ich tue etwas für die Gemeinschaft. Ehrenamtliche haben die emotionelle Qualität, etwas zu erreichen und zu tun. Das bedeutet noch nicht, dass sie die professionelle Qualität haben, man muss das abwägen und koordinieren. Wir machen das mit dem Küstenmuseum. Da sind so viele ehrenamtliche Helfer und Helferinnen. Sie werden erstaunt sein, wie viele Leute da mitarbeiten. Die sind alle begeistert. Aber die Begeisterung geht sehr schnell zurück, wenn die städtische Kompetenz da nichts gegenüber setzt. Wenn Sie bereit sind, etwas zu tun, und rennen kontinuierlich gegen eine Wand, dann sagen Sie auch: Morgen jemand anders! Das Zusammenspiel Ehrenamt und Behörde – das ist hier nicht in Ordnung.

Haben Sie sich schon mit der Lokalen Agenda 21 in Wilhelmshaven beschäftigt?
Nein. Aber ich bin grün von Haus aus. Ich bin ein sehr großer Natur-Freak. Aber nicht Natur um jeden Preis. Man muss das abwägen. Wilhelmshaven braucht mehr Natur. Der Bordumer Busch ist ein wunderschönes Naturgebiet, welches auch nicht für die Industrie gebraucht wird. Ich habe mir das mal aus der Luft angesehen – das macht Sinn. Aber: Der JadeWeserPort muss gebaut werden.

JadeWeserPort – Das Aus für die Raffinerie?

Der Anleger der Raffinerie wird den Bau des JWP nicht überstehen – schon jetzt sind ständige Baggerungen an der Tagesordnung – die Raffinerie müsste doch eigentlich Einspruch gegen den Bau des JWP einlegen. Oder sehen Sie ihre Interessen nicht beeinträchtigt?
Nein. Weil wir Probleme mit den Baggerkosten hatten, entstand die Idee des JadeWeserPorts. Das hatte nur mit den Belangen der Raffinerie zu tun. In einer von uns 1992 in Auftrag gegebenen Studie wurde der JWP als Lösung der Strömungsprobleme, und damit der Senkung der Baggerkosten, dargestellt. Da man die Fahrrinne verlegt hatte, um den Knick herauszunehmen, haben wir inzwischen die doppelten Baggerkosten, weil die Versandung an der Westseite der Jade zugenommen hat. Ich gebe jetzt 5 Mio. Mark pro Jahr an Baggerkosten aus – das ist das Doppelte von dem, was wir früher ausgeben mussten!
Durch den JadeWeserPort werden sich die Strömungsverhältnisse verbessern und die Baggerkosten werden reduziert. Durch die Erweiterungsplanungen des JWP müsste unser Anleger ganz weg. Wenn unser Cracker gebaut wird – eine Investition von einer halben Milliarde Mark – dann benötigt die Raffinerie sowieso mehr Verladekapazitäten. Wir könnten dann durch eine Kombination ICI-Anleger, NWO- und Niedersachsenbrücke weiter Öl anlanden und Produkte per Schiff ausführen. Das würde für uns die Kosten senken und den bestehenden Brücken eine bessere Auslastung gewährleisten – also allen nützen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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