Naturschutz in Wilhelmshaven 2
Aug 012001
 

Hilfe - ein Biotop!

Wie „ökologische“ Stadtplanung in Wilhelmshaven funktioniert

(iz) Der GEGENWIND muss sich leider oft damit beschäftigen, wie durch die macht des Geldes die „grüne Stadt am Meer“ langsam aber sicher zu einer „grauen Stadt am Meer“ mutiert – in diesem Heft gleich mehrfach: Ein Oberbürgermeisterkandidat hat das Problem ebenfalls erkannt und will es in den Griff kriegen; ein grüner Ratsherr packt aus, wie solche Fehlentscheidungen zu Stande kommen (Beispiel Hochschuldorf Rüstersiel); und am aktuellen Beispiel des Bebauungsplans für die Grünfläche zwischen Weserstraße, Bontekai, Virchow- und Neckarstr. zeigen wir auf, wie der alltägliche Kahlschlag sich fortsetzt. Doch bietet dieser BPlan noch mehr Zündstoff, den wir in der Druckausgabe nicht mehr unterbringen konnten, unseren LeserInnen aber nicht vorenthalten möchten.

Zwischen Oceanis / Jahnhalle und der ehemaligen Gewerbeschule am südlichen Ende der Virchowstraße liegt (noch) die letzte große Freifläche in der östlichen Südstadt. Nachdem die zwei alten Tanks dort abgerissen und der dritte fröhlich angemalt wurde, konnte das Grün dort innerhalb der Umzäunung munter sprießen. Beherrscht wird diese Kulisse durch die drei mächtigen Schwarzpappeln am südwestlichen Ende der Fläche, die den zweigeschossigen Altbau der Gewerbeschule weit überragen und dort seit Jahrzehnten stadtbildprägend sind.
In diesem von Einheimischen wie Gästen viel besuchten Bereich bietet das Gelände die einzig freie Sicht zum Großen Hafen, oder umgekehrt vom Bontekai auf das historische Gebäudeensemble von Jahnhalle / Oceanis, BAfU und Gewerbeschule. Zu einer „sanften“, lebendigen Nutzung des Geländes würde vielen, die dort leben oder häufig flanieren, manches einfallen: Ein herrlicher Spiel- und Bolzplatz, durch den Zaun (mit Eingangstor) gegen die Straße und Hunde(kot) abgeschirmt; ein gemütlicher Cafépavillon für die Eltern; eine ausreichende Teilfläche, auf der sich Gräser, Stauden und Gehölze wie bisher weiterentwickeln können, mit Vögeln und Insekten zur Freude von Groß und Klein.
Zu spät. Denn die solche Ideen haben, besitzen nicht das Geld des Investors, dem jetzt vom Rat eine langweilige und architektonisch deplazierte, vollständige (der bunte Tank wird abgerissen) Bebauung der Fläche genehmigt wurde (Bebauungsplan Nr. 189 „Westlich Neckarstr.“) Sechs zwei- bis dreigeschossige Blocks an der Weserstraße, drei fünfgeschossige Kästen, je 30 m lang, am Bontekai, beide Reihen zielsicher so gegeneinander versetzt, dass verbleibende Sichtflächen zugestellt sind. Dazwischen das übliche Einheitsgrün. Im Plan heißen die drei Klötze „deutliche Raumkante für den Großen Hafen“. Zwei dazwischen verbleibende schmale Trassen, die mit Bäumen bepflanzt werden, heißen „Zäsuren“, die „wichtige Sichtbeziehungen bewahren“. Die gesetzlich vorgeschriebene zu integrierende Spielplatzfläche (200 m²) wurde weggerechnet: Die Kinder sollen die Jadestraße überqueren – im Feierabend- und Wochenendverkehr ein Live-Krimi für die Eltern – und beim Pumpwerk oder zwischen Deich- und Jadestraße spielen. Im Übrigen geht man davon aus, dass solche „gehobenen“ Wohnungen überwiegend von Kinderlosen nachgefragt werden.

Im BPlan 189 formulierte „Städtebauliche Ziele“ (Auszug):
– Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung,
– einer sozialgerechten Bodennutzung,
– einer menschenwürdigen Umwelt
– Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen
– Deckung des (gehobenen) Wohnbedarfs
– Verhinderung der Bevölkerungsabwanderung
– Berücksichtigung der Belange der Wirtschaft
– Berücksichtigung der Belange von Freizeit und Erholung
(alle Hervorhebungen d. Verf.)

Brav werden die vorhandenen Bäume aufgezählt – und deren Durchmesser. Dann müssen sich geneigte Leser/innen (z. B. Ratsmitglieder) nämlich erst die Mühe machen, die Zahl mit 3,14 zu multiplizieren, um darauf zu kommen, dass lächerliche 0,2m Durchmesser über 60 cm Stammumfang bedeuten; 0,4m bereits über 1,20 m Umfang, was ja Assoziationen zur Baumschutzsatzung wecken könnte. Die vorhandenen Einzelbäume an der Weserstraße sollen „durch Festsetzung … zur Erhaltung gesichert“ werden – 15 davon grenzen in nur drei Metern Entfernung an die neuen Baukörper Wie deren „Erhalt“ in der Praxis aussehen wird, s. o. genannter Artikel zum BPlan Hochschuldorf Rüstersiel …

Kaum war dieser Artikel fertiggestellt, ging es in der WZ, die erfolgreich das öffentliche Bild von „Sauberkeit und Ordnung“ prägt, der nächsten Grünfläche an den Kragen. Abgebildet war die seit Jahrzehnten brach liegende Fläche an der Ebert-/ Ecke Gökerstr. gegenüber dem Polizeirevier: Eine alte Klinkermauer, dahinter junge Bäume und Sträucher, seitlich und im Hintergrund alte Klinkergebäude. Über den provisorischen Bretterzaun, der die Mauer erhöht, um die Fläche vor missbräuchlichem Betreten zu schützen, kann man sich noch streiten. Ansonsten hat sich noch niemand an diesem idyllischen historischen Überbleibsel gestört – bis es jetzt, kurz vor der Kommunalwahl, der CDU-Ortsverband Süd auf der Jagd nach ewiggestrigen WählerInnen als unansehnliches Gestrüpp und sogar „Altlast“ titulierte, die flugs bebaut werden sollte. Die Berichterstattung hat man einer Redakteurin aufgehalst, die sich ansonsten eher positiv durch Berichte zum Tier- und Umweltschutz hervortut. Den Drahtziehern scheint jedes Mittel recht zu sein, um letzte Relikte von Individualität und Vielfalt im Stadtbild platt zu machen.

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