Mist gebaut
Okt 012001
 

Schule Bremer Straße

Zu unserem Artikel „Prostitution an Wilhelmshavener Schulen?“ (Gegenwind 172) bekamen wir den folgenden Brief der Schulleiter der Hauptschule und Orientierungsstufe der Schule Bremer Straße:

Der GEGENWIND berichtete in seiner September-Ausgabe über eine DGB-Veranstaltung von Mitte August, in der ein Pflegevater Anschuldigungen gegen unser Schulzentrum erhoben hat. Die Zeitung schreibt u.a.

„Das Pflegekind besuchte die Schule Bremer Straße. Dort verteilen in den Pausen Männer Adressen für einen Unterschlupf an Kinder aus sozial gestörten Verhältnissen. Die Männer sind … Straffällige auf Bewährung. Sie agieren als Zuhälter für die Mädchen, die in den angebotenen Wohnungen zur Prostitution gezwungen werden. … Die Verhältnisse an der Schule Bremer Straße sind offensichtlich Polizei, Schulleitung und Kollegium bekannt. … Vermutlich ist der Ruf der Lehranstalt der Grund, weshalb der Skandal bisher trotz vorhandener Informationen totgeschwiegen wurde. …“
Wie unsere sofort nach der Veranstaltung sorgfältig angestellten Recherchen bei dem Pflegevater und auch bei der Polizei ergeben haben, entbehrt der Artikel jeder aktuellen Grundlage. Der Kern der Geschichte liegt sieben Jahre (!!!) zurück. Die Pflegetochter besuchte die Hauptschule Bremer Straße im Schuljahr 94/95. Nach Angaben des Pflegevaters wurde sie damals von Männern auf dem Schulhof angesprochen, die ihr eine Wohnung anboten, mit welchem Hintergrund auch immer. Dieser Sachverhalt war aber weder dem damaligen Schulleiter der Hauptschule noch den Polizeidienststellen bekannt. Warum der Pflegevater damals nicht das Gespräch zumindest mit der Schule suchte, bleibt unerfindlich und konnte er uns auch jetzt nicht erklären.

Wir stellen fest:

Es gibt bei uns keine Männer, die in den Pausen Adressen verteilen und als Zuhälter agieren. 
Eine Gefährdung der Kinder ist in diesem Zusammenhang völlig auszuschließen.
Der GEGENWIND hat die Äußerungen des Pflegevaters ungeprüft übernommen und daraus, ohne eigene Recherchen anzustellen (ein Anruf bei uns hätte genügt), seine eigenen, völlig falschen Schlussfolgerungen gezogen.
Das nennen wir – mit Verlaub – einen ganz miesen Journalismus.
Der Artikel ist unverantwortlich, weil er die Öffentlichkeit und vor allem die Eltern unserer Schüler verunsichert. Er ist nicht hinnehmbar, weil er den Ruf unserer Schule schädigt. Außerdem verleumdet er unser engagiertes Kollegium, weil er unterstellt, wir alle hätten von dem „Skandal“ gewusst und ihn totgeschwiegen.

Mit freundlichen Grüßen 
Bremersmann, Schulleiter Hauptschule
Niemann-Fuhlbohm, Schulleiter Orientierungsstufe


 

Mist gebaut!? Mit Sicherheit!

1.) Die Überschrift des Artikels „Prostitution an Wilhelmshavener Schulen“ war reißerisch und auf unterstem Niveau.
2.) In dem Artikel entstand der Eindruck, dass es sich um einen aktuellen Fall handelt. Dieser Eindruck entstand bei uns durch das Gespräch mit dem Pflegevater, welches wir nach der DGB-Veranstaltung mit ihm führten.
3.) Wir behaupteten, ebenfalls nach Schilderung der Pflegevaters, dass die Verhältnisse „Schulleitung und Kollegium bekannt sind“. Uns war nicht bekannt, dass es seit den beschriebenen Vorfällen einen Personenwechsel, zumindest in den Schulleitungen, gab.
Den Vorwurf des ‚miesen Journalismus’ lassen wir für die Überschrift gelten – für den geschilderten Sachverhalt allerdings nicht.
Unsere Nachfrage bei der Wilhelmshavener Polizei ergab folgendes: Der Vorfall ist bei der Polizei registriert, die Polizei nahm damals auch Kontakt mit der Schule und den Ordnungsbehörden auf. „Wohnungsprostitution ist ja nicht verboten, aber wir nehmen natürlich in solchen Fällen auch Kontakt mit den Behörden und den Schulen auf.“ Das geschah auch in dem von uns geschilderten Fall. „Aktuell gibt es keine Hinweise darauf, dass da irgend etwas in Zusammenhang mit der Schule Bremer Straße läuft.“ Einschränkend räumt der Sprecher der Polizei allerdings ein, dass es in der Nähe der Schule solche Wohnungsprostitution gibt, doch den Beamten sind bei Überprüfungen die Hände gebunden, wenn die in der Wohnung angetroffenen Mädchen einen deutschen Pass vorlegen. „Wir ermitteln natürlich weiter, ob sich da der Verdacht auf Förderung der Prostitution gegen den Wohnungseigentümer ergibt. Wir unterrichten natürlich auch die Ordnungsbehörden, doch in dem von Ihnen geschilderten Fall gibt es keinen aktuellen Handlungsbedarf. Die Wohnung um die es damals ging, ich meine die gibt es auch heute noch, doch wir haben keine Möglichkeiten, gegen die Wohnungsprostitution einzuschreiten – das ist legal.“
In unserem Artikel ging es darum, aufzuzeigen, welche Folgen die Kürzungen im Sozialbereich haben können. Das ist uns nur zum Teil gelungen. Stattdessen sorgte unser Artikel für Verunsicherung bei den Schülern und Eltern.
Dafür entschuldigen wir uns.
Doch eine ehrliche Entwarnung können wir nicht geben. Wir empfehlen den Eltern, sich einmal in den Pausen oder zum Schulschluss das Treiben an unseren Schulen anzuschauen, wir bitten sie allerdings auch, mehr mit ihren Kindern zu sprechen. Das „Wie war die Schule?“ – „Wie immer.“ reicht nicht aus. (hk/red)

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