Bürger gegen den JadeWeserPort 2
Jan 312002
 

Spinner oder Hellseher?

Die Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort liegt gut im Rennen: Ihre früher verlachten Erkenntnisse sind heute Sachstand und Planungsgrundlage

(hk) Mit Gründung der JadeWeserPort-Enwicklungsgesellschaft ist die Auseinandersetzung um den Containerhafen in eine neue Phase eingetreten: Jetzt wird konkret geplant, werden Anträge formuliert und Verfahren eingeleitet – jetzt wird gehandelt.

Die Bürgerinitiative, „Bürger gegen den JadeWeserPort“, die seit mehr als zwei Jahren Fehler, Widersprüche und Hinderungsgründe zum geplanten JadeWeserPort an die Öffentlichkeit brachte, zog Bilanz und kommt zu der Erkenntnis, dass nach und nach die Befürworter gezwungen waren, die Aussagen und Erkenntnisse der BI zu bestätigen. Hier die Bilanz der Bürgerinitiative:

Vom Schiffstiefgang angefangen, über Zuwachsraten bis hin zu den erwarteten Arbeitsplätzen mussten die Befürworter ihre Aussagen denen der BI anpassen.
In immer kürzer werdenden Abständen werden die Sorgen, Fakten und Ahnungen der BI bestätigt. Zuletzt die Lüge der 50%-Beteiligung privater Geldgeber an diesem Projekt. Auch die angeblichen hohen Steuereinnahmen für die Stadt Wilhelmshaven wurden, allerdings erst nachdem die BI einen Jahresabschlussbericht der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG) öffentlich machte, von dem „Fast-Oberbürgermeister“ Johann Anton van Weelden, berichtigt. Ihm, van Weelden, sei natürlich bekannt, dass solche Betriebe nicht zu denjenigen gehören, die viele Steuern zahlen. So zahlt z.B. die BLG lediglich 1,5 Mio. DM Steuern und wird im Folgejahr diese Summe noch einmal weiter herunterfahren können.
Erstaunt zeigen sich die „Spinner“ (wie sie gerne bezeichnet werden) in den letzten Monaten, vor allem nach der Gründung der JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft. Nachdem schon die WHV ihre eigenen Argumente für den Super-Hafen immer wieder zurücknahm oder später behauptete, falsch verstanden worden zu sein, legt die Projektentwicklungsgesellschaft ein wesentlich höheres Tempo vor. Die Richtung ist dabei von besonderem Interesse.

BI-Fakten 1:

Vor wenigen Monaten noch beschimpfte man die BI, weil sie sich in einer ihrer öffentlichen Veranstaltungen Gedanken über zusätzliche Straßenverkehre in Voslapp machte. Sagte die BI doch voraus, dass sich die Verkehre in und durch Voslapp durch den Hafen erheblich erhöhen würden, und beklagte, dass sich die WHV bisher keinerlei Gedanken zu diesem Thema gemacht hat.
Reaktionen: Das ist doch völliger Unsinn, ja sogar als Schwachsinn wurden diese Ängste bezeichnetet. Schließlich würden doch alle Verkehre direkt vom Hafen auf die Autobahn abfließen.
Sachstand heute: Seltsam ist nun, dass dieser Schwachsinn auch die Projektentwicklungsgesellschaft befallen hat. Planen sie doch sogar zwei Ortsumgehungen für Voslapp. Die Möwenstraße soll durchgebaut werden und hinter Voslapp wieder auf die L 810 münden. Damit nicht genug. Weisen doch die Zeichnungen eine Verlängerung des Friesendamms bis nach Alt Voslapp auf. Diese Trasse wird direkt hinter dem Voslapper Deich geplant und verläuft nicht, wie von der WZ berichtet, erst hinter der Sondermüll-Deponie.

BI-Fakten 2:

Als sehr problematisch bezeichnete die BI die Streckenführung der heutigen Bahnlinie. Angemahnt wurden Ortsumgehungen für die unmittelbar betroffenen Orte Sande, Varel, Rastede und Oldenburg. Besonders wies die BI immer wieder auf die Besonderheit hin, dass die Containertransporte mit der Bahn nachts durchgeführt werden.
Reaktionen: „Jetzt sind die Spinner völlig abgedreht und sollten endlich Ruhe geben.“
Sachstand heute: Doch was können wir heute, wenn wir aufmerksam den Vorträgen des Herrn Snippe (Prokurist der JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft) folgen, feststellen? Auf den Zeichnungen sind genau diese Orte mit Umgehungsstrecken versehen worden. Sogar Oldenburg wird mit einer Umgehungsstrecke bedacht.

BI-Fakten 3:

Für Aufsehen unter den Befürwortern sorgte die Aussage der BI, dass die Autobahn bis in den Hafen vierspurig ausgebaut werden muss.
Reaktionen: „So ein Quatsch!!“ „Da brauchen wir gar nichts zu ändern.“
Sachstand heute: Geplant wird dieser „Quatsch“ nun aber doch. Schlimmer noch als von der BI angesprochen, soll die Autobahn tatsächlich durchgezogen werden und zudem noch auf der gesamten Teilstrecke als Brücke konstruiert werden.

BI-Fakten 4:

Der Verkehrsknotenpunkt an der Kreuzung Flutstraße / Autobahn war ein weiterer Schwachpunkt, den die BI anmahnte. Die BI entwickelte die Autobahn an dieser Stelle mit allen nötigen Auf- und Abfahrten und handelte sich damit weitere negative Bezeichnungen ein. Kam die BI doch zu dem Schluss, dass an dieser Stelle dann der gerade gebaute KFZ-Service, der Wohnwagenverkauf und eventuell sogar die Firma Müsing unter dem Bauwerk begraben werden würden.
Reaktionen: Da steht doch eine Ampel, und das reicht vollkommen aus.
Sachstand heute: In die Planungen der Entwicklungsgesellschaft wurde jetzt genau dieses Problem übernommen und ein Lösungsversuch gewagt. Ampel weg – Kreisverkehr, so die Lösung. Funktioniert aber auch nur, weil sie die Autobahn vorsorglich schon einmal auf eine Brücke verbannt haben und damit der Kreisverkehr unter dieser Brücke entsteht.

BI-Fakten 5:

Schon beim Bau des JWP wird die Straße „Am Tiefen Fahrwasser“ wegfallen. Vor allem der Verkehr der Raffinerie, der diese Strecke heute noch nutzen kann, wird schon vor Baubeginn umgeleitet werden müssen.
Reaktionen: Völlige Verwirrung der Befürworter. Die Straße bleibt doch erhalten. Da wird nichts verändert usw.
Sachstand heute: Heute denken die Planer genau über dieses Problem nach und suchen nach Wegen. Haben auch schon Ideen. Eine Idee soll die Mitnutzung der Terminalstraße werden, welche jedoch leider erst nach Fertigstellung zur Verfügung steht und durch das Hafengelände verläuft. Eine weitere Überlegung ist eine neue Straße mitten durch den Voslapper Groden, oder aber eine direkt an den Voslapper Siedlungen verlaufende Verlängerung des Friesendamms.

BI-Fakten 6:

Die BI macht sich natürlich auch schon lange Gedanken über die Einnahmen der Stadt Wilhelmshaven, die es nach Meinung der BI nur in sehr geringem Umfang geben wird. Hatte die BI doch herausgefunden, dass die BLG in Bremen (Bremerhaven) lediglich 1,5 Mio. DM Steuern abführt. Nach den Unterlagen der BLG sollte dieser Betrag in den Folgejahren sogar noch reduziert werden.
Reaktionen: Schon die Äußerung dieses Verdachtes löste eine Flut von Gegendarstellungen aus.
Sachstand heute: Und was sagte uns im Vorfeld zur OB-Wahl in Wilhelmshaven der Kandidat der CDU? „Dass Wilhelmshaven kaum Steuereinnahmen aus dem Containerhafen zu erwarten hat, ist doch jedem bekannt.“

BI-Fakten 7:

Mit dem ständigen Gerücht, der JadeWeserPort bringt Tausende von Arbeitsplätzen für die Region, beschäftigt sich die BI schon seit langer Zeit. Die Arbeitsplatzlüge der Wilhelmshavener Befürworter, welche zwischenzeitlich Auswüchse mit bis zu 12.000 annahm, wurde von der BI öffentlich mit den Realitäten von 63 tatsächlich auf dem Terminal Beschäftigten beantwortet. Weiter führte die BI aus, dass der einzige Ausweg aus dem minimalen Beschäftigungseffekt der Bau eines eigenständigen Containerhafens mit zugehöriger Wertschöpfungskette ist. Nur würde sich wohl kein deutscher Hafenbetreiber darauf einlassen, eine solche Konkurrenz mitzutragen oder gar zu finanzieren.
Reaktionen: Wir waren in Bremerhaven und da waren Tausende. Rotterdam hat viele tausend Hafenarbeiter, Hamburg auch.
Sachstand heute: Und was hören wir heute von den Planern? Natürlich bringt der Hafen in den ersten 20 – 30 Jahren nur wenig Arbeitsplätze. Diese werden erst nach langer Zeit entstehen und das auch nur, wenn es gelingen sollte, den reinen Transshipment-Hafen in Wilhelmshaven so zu installieren, dass eine Wertschöpfungskette um den Hafen entsteht. Das dürfen die Befürworter jedoch noch nicht so laut sagen, da ansonsten die Mitspieler Bremen und Hamburg einen Riegel vor die Wilhelmshavener Planungen schieben würden. „Wenn die erfahren, was wir hier vorhaben, werden sie den Konkurrenzhafen in Wilhelmshaven massiv bekämpfen.“

BI-Fakten 8:

Auch machte sich die BI schon Gedanken über das angepriesene, angeblich optimale Fahrwasser der Jade. Nach ihren Aussagen dürfen Schiffe der neuesten Container-Schiff-Generation gar nicht in die Jade einlaufen, und wenn sie es dürften, könnten sie es nicht. Hinderungsgrund für die Befahrung mit derartigen Schiffen ist der Fahrrinnenknick am Minsener Oog, so die BI. Da müsste es zu einer massiven Verlegung der Fahrrinne kommen, was wiederum die Insel Wangerooge schädigen würde. Auch ist das 300 Meter breite Fahrwasser nicht ausreichend, was schon heute zu Begegnungsverboten auf der Jade führt.
Reaktionen: „Die Jade ist 6 km breit. Da können die Schiffe noch Tango tanzen,“ so schallt es aus Ratsherrenmund. „Die haben ja absolut keine Ahnung“. „Die sollen sich einmal angucken, was da heute schon für Riesenschiffe fahren.“
Sachstand heute: Heimlich, ganz im Verborgenen, laufen die Planungen für eine Verlegung der Fahrrinne am Minsener Oog. Zudem soll dann auch noch, man muss ja ohnehin baggern, die Fahrrinne verbreitert werden, was vorsichtig als ‚Fahrwasseranpassung’ bezeichnet wird.

BI-Fakten 9:

Schon vor zwei Jahren machte die BI deutlich, dass der Voslapper Groden mit seiner Pflanzen- und Tierwelt nicht so einfach zu bebauen sein wird. Vogelarten, die auf der Roten Liste stehen, können nicht ohne weiteres von Baggern verjagt werden. Auch wies sie darauf hin, dass der Groden in die EU-Schattenliste eingetragen ist und schon von daher nicht als das unendlich große, sofort zur Verfügung stehende Hinterland für einen solchen Hafen zu betrachten ist.
Reaktionen: Da gibt es nichts, was uns hindern könnte. Wir betrachten das Gebiet nicht im heutigen Zustand, sondern im Zustand von 1972. Das ist Industriegebiet.
Sachstand heute: In den Planungsunterlagen ist eine genaue Umweltuntersuchung dieses „Industriegebietes“ vorgesehen, um das Ausmaß der Ausgleichsmaßnahmen zu ermitteln. Parallel dazu wird über die Möglichkeit nachgedacht, dieses „Industriegebiet“ nicht zu bebauen, sondern unter Schutz zu stellen, welches dann gleichzeitig als Ausgleichsfläche für die Umweltzerstörung beim Hafenbau anzusehen sei.

BI-Fakten 10:

Wilhelmshaven verfügt nicht über einen Binnenwasserstraßenanschluss, welcher nach Meinung der BI zur Realisierung des Containerhafens dringend erforderlich ist. Vermutungen der BI über einen möglichen Durchstich durch das Butjadinger Land bestätigten sich, als eine geheime Studie der Wasser-und Schifffahrtsdirektion Aurich plötzlich in einem der Briefkästen der BI steckte.
Reaktionen: Alle Adams, Menzels usw. bestritten jegliche Planungen beim WZ-Forum im Gorch-Fock-Haus ganz massiv. Allein die Idee wurde als „hirnrissig“ bezeichnet. „Niemand wird einen Kanal planen oder gar bauen. Ein Containerhafen braucht keinen Kanal.“
Sachstand heute: Mögliche zukünftige Betreiber eines Containerhafens in Wilhelmshaven sprechen offen darüber, dass dieser Kanal kommen muss. Auch die JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft weiß dies genau. Sie wollte diesen Kanal-Plan auch in die Unterlagen zum Bau des Hafens einbringen, wurde jedoch von den drei Länderchefs angewiesen, diesen Part wegzulassen.
Stellt sich an dieser Stelle die Frage, welcher „Salamizusatz“ noch auf der Zusammensetzungsliste fehlt oder zu fehlen hat?

BI-Fakten 11:

Wie ist das eigentlich mit der Chlorgasleitung der ICI (heute INEOS)?, lautete eine Frage der BI. Wie bekannt, wird sich die INEOS vom Rüstersieler Groden zurückziehen, um eventuell ein neues Werk vor den Toren Hooksiels zu bauen. Auch hierbei die Frage der BI nach den Altlasten. Wer zahlt den Abriss ? Wer zahlt die eventuellen Kosten für Gefahrgutentsorgung usw.
Reaktionen: Das ist doch alles in den Verträgen festgeschrieben. Das geht den Steuerzahler nichts an und wird von der Firma übernommen.
Sachstand heute: So klar scheint das jedoch nicht zu sein. Liegen doch diese (so eindeutigen!) Verträge bei Spezialisten, die erst einmal klären sollen, wie der Sachverhalt tatsächlich ist.

BI-Fakten 12:

Von den Investitionskosten in Höhe von ca. 1,5 Mrd. DM (750 Mio. EURO) wird kaum etwas in dieser Region hängen bleiben. Ein Bauvorhaben dieser Größenordnung, so die BI, muss EU-weit ausgeschrieben werden. Die billigsten Anbieter werden den Zuschlag bekommen.
Reaktionen: Blödsinn. Die Aufträge werden an regionale / norddeutsche Firmen vergeben.
Sachstand heute: Die Gutachten wurden im Dezember 2001 bei der EU ausgeschrieben. Das Volumen beträgt nur 22 Mio. DM. Selbst Herr Wülfers (Geschäftsführer der JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft) sucht schon Investoren in Fernost.

Fazit

Wird auch die Grundaussage der BI „Deutschland, ja sogar Europa, braucht keinen neuen Containerhafen“, bald von der Entwicklungsgesellschaft übernommen werden? Warten wir noch einige Tage ganz ruhig ab. Diesen letzten Schritt auf dem Weg zur Aussagengleichheit mit der BI werden die Planer auch noch machen.
Was wird dann? Schließen sich die Verantwortlichen in Wilhelmshaven dann wieder, wie nach der Pleite mit der Aufspülung der riesigen Industrieflächen Voslapper und Rüstersieler Groden über 30 Jahre in ihre Amtsstuben ein? Rächt sich dann wieder einmal, dass Wilhelmshaven viele Jahre nur auf das Große, das unermesslich Geniale, das alles Verändernde hingearbeitet und darüber das Machbare vergessen hat?

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