Point
Mrz 272002
 

Big Brother is watching you

Point: Videoüberwachung und andere Gesetzesverstöße

(red) Als wir vor knapp zwei Jahren aus unterschiedlichen Quellen Hinweise auf Rechtsbrüche im Point erhielten, stießen wir bei unseren Recherchen auf Schweigen. Vorstandsmitglieder des Vereins zur Förderung der Internationalen Jugendarbeit e.V. versicherten uns lediglich betreten, man versuche, die Probleme intern zu lösen.

Offensichtlich ist die Bereinigung nicht gelungen, und offensichtlich hat das an den Nerven und dem Gewissen der damals vergeblich Befragten genagt, denn als wir auf Grund neuer Hinweise jetzt wieder nachfragten, konnten wir unseren Gesprächspartnern doch so einiges entlocken.
Nach einem Einbruch im Jugendtreff „Point“ Ende 1999 wurde eine Videoanlage installiert. Doch die Augen des Überwachungssystems beschränken sich nicht auf die Beobachtung der Türen und Fenster bei Nacht, sondern sie lugen in die Arbeitsräume, Flure und das Treppenhaus. Ein früherer Mitarbeiter fand dabei nichts Schlimmes. „Die Anlage soll lediglich getestet werden, damit man sicher sein kann, dass sie funktioniert“, hatte man ihm gesagt, und er war’s zufrieden. Der „Test“ dauert nun aber schon zwei Jahre, und viel deutet darauf hin, dass er lückenlos in jeder Minute jede Bewegung und Tätigkeit der Beschäftigten und Gäste erfasst. Einer Mitarbeiterin wurde die Zahl und Dauer ihrer Kaffeepausen vorgehalten, und es wurde ihr verboten, mit der Erzieherin, die im Hause die Schulsozialarbeit verrichtet, zu sprechen.
Big Brother is watching you! Big Brother ist der 1. Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Internationalen Jugendarbeit e.V., Albert Friedel. Er steht an der Spitze des Vereins seit seiner Gründung im März 1997. Damals hatten Eltern von Kindern, die im Point betreut wurden und Hausaufgabenhilfe erhielten, sich zusammengetan, um den Jugendtreff wieder zu eröffnen, der der schlechten Haushaltslage Wilhelmshavens zum Opfer gefallen war. Die Jugendlichen, die bis dato das Point genutzt hatten, saßen auf der Straße.
„Insbesondere unter AusländerInnen, AussiedlerInnen, Arbeitslosen, BewohnerInnen sozialer Brennpunkte und sozialer Randgruppen ist der Anteil junger Menschen besonders hoch, die in ihrer Entwicklung und Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten sozial benachteiligt oder individuell beeinträchtigt sind“, heißt es in der Erklärung der Gründungsversammlung. Und weiter: „Jugendsozialarbeit will mit vielfältigen Formen sozialpädagogischer Hilfen die soziale Integration dieser jungen Menschen… verbessern. Das soll heißen, unter einem Dach ein ganzheitliches Präventionsmodell im Rahmen von Jugendsozialarbeit und Jugendschutz anzubieten.“ Diese Belange waren traditionell eine kommunale Aufgabe, können aber auch freien Trägern übertragen werden. So geschah es hier. Die Stadt hat dem Verein das Gebäude Virchowstraße 44 mietfrei überlassen und trägt die laufenden Kosten (außer Telefonkosten); der Verein trägt die Bewirtschaftung und kümmert sich um das Personal. Die Kontrolle durch die Stadt ist dadurch gewährleistet, dass der städtische Jugendschutzbeauftragte, der sein Büro hier hat, den Vorsitz einnahm.
Insgesamt besteht der Vorstand aus vier Personen. Die 2. Vorsitzende, der Schriftführer und die Kassenwartin verrichten ihre Vorstandsarbeit ehrenamtlich.
Soweit man sie lässt… Tatsächlich gestaltete sich das nach einer arbeitsreichen Eingangsphase, in der die Eintragung ins Vereinsregister und die Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu betreiben und viele Spenden zu beschaffen waren, sehr schwierig. Es hat seit Januar 2000 keine mehr Vorstandssitzung gegeben. Und außer einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zum Zweck einer notwendigen Satzungsänderung haben auch keine weiteren Mitgliederzusammenkünfte stattgefunden.
Wahrscheinlich hat die ausbleibende Vereinsaktivität Mitglieder vergrault; wir wissen jedenfalls von einem Mitglied, das deswegen ausgetreten ist. Der 1. Vorsitzende verweigert den anderen Vorstandmitgliedern den Einblick in Mitgliederlisten und andere Vereinsunterlagen, so dass diese, sollte es doch einmal eine Jahreshauptversammlung mit Rechenschaftsberichten und Entlastung geben, weder Rechenschaft ablegen noch entlastet werden könnten. Sie haben nicht einmal rechtzeitig mitbekommen, dass die vorläufige Gemeinnützigkeit, die zu erwerben viel Rennerei und Schreiberei erfordert hat, dem Verein rückwirkend ab 2000 wieder aberkannt wurde, weil die Anfragen des Finanzamtes beharrlich ignoriert wurden.
Es sieht so aus, als wandere noch mehr Post unbeachtet in den Papierkorb: Auch Schreiben von Vorstandsmitgliedern werden nicht bearbeitet. Als die 2. Vorsitzende über den 1. Vorsitzenden zu einer Mitgliederversammlung einladen wollte und nur noch die Verteilung der Einladungen zu organisieren war, passierte gar nichts. Ein weiterer Versuch zur Einberufung einer Versammlung – diesmal wollte sie die Einladungen selber verschicken – scheiterte daran, dass sie die Unterlagen nicht einsehen kann: Aus Datenschutzgründen, so schrieb ihr der 1. Vorsitzende, dürfe sie die Mitgliederliste nicht sehen.
An einer Mitgliederversammlung ist den kaltgestellten Vorstandsmitgliedern viel gelegen, weil sie zwar von ihrem 1. Vorsitzenden weder in die Vorstandsarbeit einbezogen noch darüber informiert werden, aber immer wieder von anderen Personen angesprochen und zur Verantwortung gezogen werden. Die Beschäftigten, die ohne ihre Beteiligung eingestellt werden, wenden sich an sie, wenn sie Klagen haben; Lieferanten fragen bei ihnen an, wo das Geld bleibt (so geschehen bei der Rechnung für die Videoanlage), da können sie sich nicht entziehen.
Jüngster Fall ist die fristlose Entlassung einer ABM-Beschäftigten nach einem Gespräch mit Herrn Friedel. Der Kollegin, die ausdrücklich nicht für pädagogische Aufgaben eingestellt worden war und zunächst nicht mit den Kindern und Jugendlichen zu tun haben durfte, wurden nach kurzer Zeit eigenverantwortliche pädagogische Dienste im offenen Bereich übertragen, und sie arbeitete vier Wochen am Stück von 14 bis 22 Uhr allein. Da ihre eigentliche Arbeit derweil liegen blieb, bat sie um eine Änderung der Arbeitsbedingungen – und wurde fristlos entlassen, angeblich laut Vorstandsbeschluss. Die Hälfte des Vorstandes wusste jedoch nicht einmal, dass sie dort gearbeitet hatte.
Alle diese Vorgänge, ob sie die Vertretung des Vereins gegenüber Ämtern und Geschäftsleuten, sein Auftreten als Arbeitgeber oder seine Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe betreffen, müssen vom gesamten Vorstand verantwortet werden. Da ist wirklich wünschenswert, dass die ausgebooteten Mitglieder aktiv werden.

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