Fußgängerzone
Okt 302002
 

Der lange Marsch durch die Institutionen

Was Bürger erleben, die was bewegen wollen

(iz) Als Hinterbänkler im Rat kann man weniger verändern, als man selbst und die Wähler es sich vorgestellt haben. Das erkannte auch der frühere Ratsherr Rolf Frerichs, der heute lieber als einfacher Bürger in manchem Ehrenamt etwas für seine Mitbürger tun will. Dafür braucht er ziemliches Durchhaltevermögen.

Der Fall, den Frerichs uns zutrug, beinhaltet zwar wenig Revolutionäres, sondern nur ein Detail aus dem Bereich Gefahrenquellen im Straßenverkehr. Doch gerade diese „Kleinigkeit“ liefert ein anschauliches Beispiel für den Kampf mit den Behörden. Die Rede ist von der „Fußgängerzone“ zwischen Nordseepassage und „Rambla“, im Abschnitt zwischen Parkstraße und Virchowstraße.
Am 17. Februar 2002 wandte sich Frerichs erstmals an das Amt für Öffentliche Ordnung. In seinem Schreiben schilderte er die täglichen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung in dieser Fußgängerzone, die ansonsten nur für Radfahrer und Lieferverkehr freigegeben ist. Vor allem Kinder und alte Menschen, die die Straße überqueren wollen, sieht Frerichs dadurch gefährdet. Anders als das Falschparken im Umfeld der Passage würden diese Verstöße nicht geahndet, was er als Ungleichbehandlung wertet. Sensibilisiert ist Frerichs durch 22 Jahre Tätigkeit beim Verkehrsunfallkommando in Wilhelmshaven. Während dieser Zeit hat er „viel Traurigkeit erlebt“, hat auch Todesnachrichten überbringen müssen. Druckampeln an Schulwegen, z. B. an der Friedrich-Paffrath-Straße und der Kurt-Schumacher-Straße, wurden erst installiert, nachdem Kinder bei Unfällen durch PKW tödlich verletzt wurden: „Also, die Stadt Wilhelmshaven wurde immer erst dann tätig, wenn etwas passiert war.“
Schon drei Tage später erhält Frerichs Antwort vom Ordnungsamt. Der Bearbeiter pflichtet Herrn Frerichs bei, dass „eine mehr oder weniger große Anzahl Kraftfahrzeugführer“ die Fußgängerzone missachte. Die Zuständigkeit für die Kontrolle ordnet er jedoch „primär“ der Polizei zu, an die er Frerichs’ Schreiben bereits „mit der Bitte um weitere Veranlassung“ zugesandt hat.
Vierzehn Tage später erhält Frerichs vom Leiter des 1. Polizeikommissariats schriftlich die Versicherung, „dass sich die Polizei z. Z. insbesondere mit diesem Verkehrsproblem befasst“; „in absehbarer Zeit“ würde er Frerichs „unaufgefordert … eine ausführliche Antwort“ zukommen lassen.
Um die absehbare Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, schickt Frerichs am 3.3. einen Brief zum Thema an den damaligen Vorsitzenden des Umweltausschusses, Werner Biehl. Wohl aus eigener Erfahrung weist er darauf hin, dass die Polizei überfordert wäre, sollte sie rund um die Uhr dort kontrollieren; die Stadt solle über den Ausschuss eine geeignete Lösung suchen. Auf diesen Brief erhält Frerichs nie eine Antwort.
Mitte Juli, viereinhalb Monate nach dem Schreiben des Kriminaloberrates, erinnert Frerichs diesen schriftlich an die immer noch bestehende Gefahrenquelle, wobei er die Bedeutung der durchaus vorhandenen Verkehrszeichen erläutert. Dazu zählt, dass der zusätzlich zugelassene Fahrzeugverkehr (Lieferanten) Schrittgeschwindigkeit fahren und Fußgängern Vorrang gewähren muss. Und beendet seinen Brief wie folgt: „Die Rechtslage in diesem Bereich der Nordseepassage ist somit eindeutig. Dennoch wird dort weiter durchgefahren. Müssen immer erst Menschen zu Schaden kommen, um dann zu handeln?“ Und siehe da: Am 30. Juli kann Frerichs ein persönliches Gespräch mit dem Kriminaloberrat führen. Dort erfährt er, dass die Polizei der Stadt Wilhelmshaven zwischenzeitlich ein Konzept vorgelegt hat, wie dort Abhilfe geschaffen werden kann. Frerichs hat dazu noch Ergänzungen, z. B. den Einbau von Fahrbahnschwellen auf beiden Seiten der Bahnhofstraße. Abschließend sind Frerichs und der Polizist sich einig, „dass die Stadt Wilhelmshaven dafür sorgen muss, dass die Verkehrsregelung in dem gesamten Bereich der Bahnhofstraße, also von der Virchowstraße bis zur Mozartstraße, anders gestaltet wird.“
Am 4.9. fragt Frerichs wieder höflich beim Ordnungsamt nach, welche Maßnahmen die Stadt bis jetzt getroffen habe, um das Verkehrsproblem zu lösen. Die Antwort gibt er gleich selbst: „Scheinbar noch nichts“, denn die Situation täglicher Ordnungswidrigkeiten sei unverändert. Frerichs: „Für mich ein Skandal.“ Bezugnehmend auf das Gespräch mit der Polizei weist er auf das bei der Stadt vorliegende Konzept hin und bittet um Antwort. Die kommt knapp zwei Wochen später. Dem zuständigen Sachbearbeiter ist inzwischen – sieben Monate nach dem ersten Kontakt – eingefallen, dass nicht das Ordnungsamt, sondern das Amt für Straßen, Brücken und Verkehrseinrichtungen zuständig sei. Dorthin habe er jetzt Frerichs Scheiben einschließlich Schriftwechsel mit der Polizei weitergeleitet. Immerhin wurde nun das Problem gemeinsam von Polizei, Ordnungsamt, Straßenbau und Verkehrsbehörde erörtert.
Knapp einen Monat später, am 10.10., erhält Frerichs vom Amt für Straßen usw. die ultimative Antwort: „Misslich ist die Missachtung der Regelung durch sehr viele Kraftfahrzeugführer. Man kann darüber streiten, ob es in der baulichen Gestaltung, der umfangreichen Beschilderung oder der mangelnden Kontrolle liegt.“ Kann man, und so lange man das tut, muss sich eben keiner zuständig fühlen. Weiter: „Fest steht jedenfalls, dass es in den vergangenen Jahren keinen der Polizei gemeldeten Unfall eines Kfz mit einem Fußgänger gegeben hat.“ Da haben die Unzuständigen ja noch mal Schwein gehabt. Um Frerichs die letzten Illusionen zu nehmen, wird er abschließend belehrt: „Ihr Vorschlag beinhaltet umfangreiche bauliche Maßnahmen, … für die 1. z. Z. keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen und 2. auch keine Gewähr für mehr Sicherheit gegeben ist. Ich kann nachvollziehen, dass aus ordnungspolitischen Gründen eine Änderung evtl. geboten wäre, aus Sicherheitsgründen ist sie jedoch scheinbar nicht erforderlich.“
Der schier unerschütterliche Herr Frerichs bedankt sich am 18.10. noch artig für den Brief. Vermutlich muss er sich erst im fraglichen Bereich vor ein Auto schmeißen, damit sein Anliegen begriffen wird. Nach neunmonatigem Marsch durch die Institutionen ist der Glaube des ehemaligen Polizisten an die staatliche Gerechtigkeit deutlich ins Wanken geraten: „Ich frage Sie ganz höflich“, schreibt er dem Amt, „wo denn die bei dem Erörterungsgespräch vertretenen Personen von der Polizei, des Ordnungsamtes, des Straßenbaus und der Verkehrsbehörde stehen? Auf der Seite des Rechts oder des Unrechts?“

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