Landtagswahl 2003
Nov 272002
 

Ein Rückblick auf die letzte Wahlperiode

(ef/hk) Am 2. Februar 2003 wird in Niedersachen ein neuer Landtag gewählt, und diese Wahl scheint besonders spannend zu werden. Wird sich die SPD noch einmal behaupten können und die Mehrheit behalten? Wird es wegen der katastrophalen Bundespolitik in Berlin zu einem Wechsel kommen und die CDU künftig Niedersachsen regieren? Oder wird es eine von den Landesgrünen so gewünschte Koalition Rot-Grün geben? Werden die Möllemann-geschädigten Freidemokraten dieses Mal in den Landtag einziehen?

Grund genug, einmal Rückschau auf den letzten Landtagswahlkampf, auf die Wahlergebnisse am 1. März 1998 – hier und im Land – zu halten und einiges in Erinnerung zu bringen, was sich seither in Niedersachsen so getan hat.

Gewählt wurde in Wilhelmshaven…

Im Wahlkreis 100 (Wilhelmshaven ohne den Stadtnorden) bewarben sich sieben Kandidaten um einen Platz im hannoverschen Leineschloss, dem Sitz des Niedersächsischen Landtages.
Ein richtiger Wahlkampf fand damals in Wilhelmshaven nicht statt. Nur wenige Veranstaltungen, ein paar Plakate an Lichtmasten und Kreuzungen, das war’s auch schon. Zwar hatte Wilfrid Adam für seine Wiederwahl (er sitzt seit 1986 im Landtag) ein Wahlkampfteam von 12 Genossen aufgeboten, doch richtig aktiv brauchte diese Truppe nicht zu werden. Prominente Wahlhelfer waren – außer Oskar Lafontaine – Fehlanzeige.
Erwähnenswert war eigentlich nur eine politisch wohl einmalige Veranstaltung, die am 25. Februar 1998 im Ratskeller stattfand. Da trafen sich die „Spitzenkandidaten“ von SPD und CDU, Adam und Dr. Biester, zu einem Disput. Es war, wie die WZ danach berichtete, „ein Duell in Samt und Watte“. Die Stimmung unter den Zuhörern in beiden Lagern war entsprechend.
Die anderen fünf Bewerber begnügten sich mehr oder weniger mit dem Abdruck ihrer Namen auf dem Wahlzettel.
Nach Auszählung der Stimmen ergab sich am Wahlabend dann folgendes Ergebnis:

IFVon den Bewerbern zogen wieder Wilfrid Adam direkt und Dr. Uwe Biester über die Liste in den Landtag ein. Im benachbarten Wahlkreis 99 (Wilhelmshaven-Nord und Friesland) erzielte Karin Evers-Meyer mit 52,8 % für die SPD ein noch besseres Ergebnis als Wilfrid Adam.

Adam wurde zu einem der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt und durfte von der Hinterbank in die „Erste Reihe“ vorrücken. Dass Adam als „unser Mann in Hannover“ wirkte, merkte man am ehesten daran, dass er im Verlauf der letzten Wahlperiode häufig seine Landtagskollegen und auch Landesminister (u.a. Plaue, Knorre, Trauernicht, Gabriel und Wernstedt) zu Besuchen in die Jadestadt einlud. Schade, dass bei keinem der Besuche den Wilhelmshavener Genossen die Möglichkeit gegeben wurde, mit den Promis in Kontakt zu treten! Nicht nur, wenn es um den JadeWeserPort ging, war Wilfrid Adam fleißig, was man von Dr. Biester nicht nachprüfbar sagen kann. Von ihm hörte man während der gesamten letzten Wahlperiode kaum etwas.

…und im Land

Ganz anders der Wahlkampf im Land, mit und für den Spitzenkandidaten der SPD, Gerhard Schröder. Ein gutes Wahlergebnis bedeutete für ihn, dass er bei der Bundestagswahl im gleichen Jahr auch Bundeskanzler werden könnte. Als Juso-Vorsitzender hatte er – damals noch vergeblich – am Eingangstor des Kanzleramtes gerüttelt („Ich will hier rein“). Damit das gelingen sollte, hatte beim Wahlparteitag im Oktober 1997 der stellvertretende Parteivorsitzende Glogowski den Delegierten eingebläut, „dass es ein harter Wahlkampf“ würde, aber auch festgestellt: “Wenn wir die Landtagswahl gewinnen, wird Kohl in Bonn fallen.“
Zwei Tage vor der Landtagswahl erschien dann auch noch in allen Gazetten eine doppelseitige Anzeige, mit dem Text: „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“.
So gut positioniert, siegten am Wahlabend Schröder und seine SPD mit 47,9%. Die CDU, die ein zweites Mal mit Christian Wulff als Spitzenkandidat angetreten war, erreichte 35,9%, die Grünen 7,0%. Die FDP verpasste mit 4,9% den Einzug ins Landesparlament. Die Wahlbeteiligung war mit 73,8 % geringer als in den Vorjahren.

Schröder – Glogowski – Gabriel

Schröders Nachfolger als Ministerpräsident wurde Gerhard Glogowski, bisher Innenminister in Schröders Landeskabinett. Der hatte nicht gerade gute Startvoraussetzungen, sollte er doch alle Schröderschen Versprechen und Reformen Zug um Zug einlösen.
Dabei vergaß er nicht, auch an sich selbst zu denken, und bald kam es zu „Ungereimtheiten“ um seine Person. Da ließ er sich bei seiner Hochzeitsfeier die Getränke von zwei Brauereien „spendieren“, bei der Hochzeitsreise war die TUI „behilflich“, und da waren noch „Mietrückstände“ bei seiner Dienstwohnung. Solche Raffke-Manieren konnte kein Bürger verstehen, zumal er als Ministerpräsident ein monatliches Salär von rund von 23.000,- DM bekam und zudem einige gutdotierte Aufsichtsratsposten (u.a. bei VW) inne hatte. Ende 1999 war ‚Glogo’ nicht mehr zu halten – er musste zurücktreten.
Monatelang beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss mit den „Verfehlungen“ Glogowskis. Das Verfahren kostete den niedersächsischen Steuerzahler rund 50.000 DM. Glogowski aber sitzt auch weiterhin als Abgeordneter im Landtag – und Präsident ist er auch noch. Aber nur bei Eintracht Braunschweig, deren Balltreter ziemlich unten in der Tabelle zu finden sind.

Neue Töne vom Boss

Im Eiltempo wurde am 15.12.99 der Pädagoge Sigmar Gabriel aus Goslar, der vorher bereits Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion war, als Glogowskis Nachfolger vereidigt. Gabriels Regierungsstil unterscheidet sich wesentlich vom Stil seines Vorgängers. Er wird „als rasant und manchmal auch rüde“ beschrieben. Ein Wochenmagazin bezeichnete ihn gar als „Polit-Schumi“. So scheute er sich nicht, schon mal seine Ministerkolleginnen und -kollegen öffentlich zu rügen. Keine Probleme hat er damit, auch seine eigene Partei und die Genossen zu kritisieren. Die Partei müsse „endlich auf Angriff umschalten“ und die Partei sei „unmodern und abgehoben“. Im Spiegel 14/2000, erklärte er offen, in der Politik sei „einfach zu viel gelogen worden“.
Im Jahr 2000 wechselte er, ohne es so recht zu begründen, drei KabinettskollegInnen aus. Für den Wirtschaftsminister Peter Fischer kam die parteilose Susanne Knorre, Justizminister Wolf Weber musste Christian Pfeiffer Platz machen. Für die etwas glücklose Sozialministerin Heidrun Merk kam Gitta Trauernicht.

Finanzgebaren

Um die Versorgungsansprüche der neuen und alten KollegInnen zu wahren, musste kräftig getrickst werden. Während der ganzen Legislaturperiode hatte es der Kassenwart der Landesregierung, Finanzminister Heiner Aller, besonders schwer. Trotz angeblichen Sparkurses stiegen die Schulden des Landes stetig. Waren es 1990 „nur“ 20,61 Milliarden Euro, so stiegen sie 2001 auf 36,88 Milliarden Euro. Die Neuverschuldung des Landes wird in diesem Jahr 2,95 Milliarden Euro (2001: 1,355 Mrd.) betragen.
Doch obwohl die Kasse leerer als leer war, wollten die MdLs auf gute Diäten nicht verzichten. Derzeit erhalten die niedersächsischen Volksvertreter (nach Bayern und Hessen) die dritthöchsten Entgelte aller Bundesländer. Zudem bekommt ein Drittel der niedersächsischen Abgeordneten noch so genannte Zulagen. So erhielten im Jahr 2001 die vier Stellvertreter des SPD-Fraktionsvorsitzenden Axel Plaue 230.000,- DM zusätzlich, die Vertreter von Fraktionschef Christian Wulff (CDU) immerhin noch 216.000,-DM. Der ehemalige Landtagspräsident Horst Milde verteidigte die Diätenforderungen seiner Kollegen stets. In einem Interview sagte er: „Das Bild, das der Bürger von Abgeordneten hat, ist nicht objektiv. Viele wissen nicht, dass der Beruf des Abgeordneten ein Full-Time-Job ist, der mit keinem anderen Beruf von der zeitlichen Belastung her – und manchmal auch seelischen – zu vergleichen ist“. Wer aber als Bürger die diversen Nebentätigkeiten und Posten der Abgeordneten kennt, konnte diese Aussage nicht ganz ernst nehmen.

Der Erneuerer

In den Landtagssitzungen unter Leitung des Landtagspräsidenten Rolf Wernstedt ging es mitunter so turbulent und undiszipliniert zu, dass der Präsident sie schon mal mit einem bestimmten Teil eines Bauernhofs verglich. Im Verlauf der Legislaturperiode beschäftigte sich Wernstedt mit einer Reform des Parlaments. Der Landtag, so der Präsident, leide unter einem „schleichenden Kompetenzverlust“ und man müsse sich hüten, „allzu beschränkten Themen zu breiten Raum zu gewähren“. Er könne sich durchaus auch vorstellen, dass „im Landtag künftig nur noch 120 bis 130 Abgeordnete sitzen“ (jetzt 157 Abgeordnete). Der Wegfall von Redezeitbeschränkungen und Änderung des Tagungsrhythmus (statt bislang monatlich drei Tage alle drei Wochen ein- oder zweitägige Sitzungen). Weniger Ausschüsse könnten die Arbeit straffen. Die müssten jedoch einfach „politischer, bewusster, transparenter spontaner und effektiver“ werden.
Unzufrieden mit der Arbeit des Landtags bzw. der Landesregierung waren während der letzten Jahre auch die Soziademokraten aus dem Friesischen. Als Sprecher warf Günter Heußen (Schortens) der Landesregierung Arroganz vor. Niedersachsen bestehe nicht nur aus Hannover, Braunschweig und Hildesheim. Die SPD-Politiker der Küstenregion fühlten sich als „Dummbatze“ behandelt.
In wenigen Wochen wird ein neuer Landtag gewählt. Die SPD hat vor einigen Tagen bei einem Parteitag in Hannover ihre Wahlkampfschwerpunkte festgelegt: Abbau der Arbeitslosigkeit und Nachhaltigkeit und Reform des Schulsystems. Ob das reicht, die WählerInnen zu überzeugen, ihre Kreuze bei den Sozialdemokraten zu machen? Oder wird es der smarte CDU-Chef Christian Wulff bei seinem dritten Anlauf schaffen, seine Partei zum Wahlsieger zu machen? Schafft es die FDP unter dem Ost-Rückkehrer Hirche, die Wartezeit außerhalb des Parlaments zu beenden? Wird das Werben der Grünen um ihre Traumpartnerin SPD erfolgreich sein?
Es wird spannend am Abend des 2. Februar 2003.

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