JadeWeserPort 2
Jan 082003
 

Nationale Aufgabe?

Nach der Landtagswahl wird die nächste Regierung wohl Bettelbriefe an Bund und Länder zur Mitfinanzierung des JadeWeserPort schreiben müssen.

(jm) Seit dem 17.12. liegt die Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des MdL Klein (Grüne) zur Finanzierung des JadeWeserPort vor. Verantwortlich dafür zeichnet die Wirtschaftministerin Dr. Susanne Knorre. Genau wie die Absichtserklärung (Letter of Intent) der Länderchefs von Bremen und Niedersachsen vom 06.11.02 bietet auch dieses Zahlenwerk nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, was dieses Vorhaben den Steuerzahler tatsächlich kosten könnte.

Während der Bremer Senat in der Lage ist, die Brutto-Investmentkosten für den geplanten etwa gleich großen Bremerhavener Container Terminal (CT IV) mit 1.061 Millionen Euro zu beziffern, kommt Frau Knorre abzüglich der privat finanzierten Suprastrukturkosten zur Zeit lediglich auf 485 Millionen. Immerhin gelang es dem Abgeordneten Klein mit seiner Anfrage, die kunstvolle Verschleierung der Infrastrukturkosten etwas anzulupfen und der Öffentlichkeit Einblick in eine detailliertere Fassung der Ausgabenposten zu ermöglichen, als sie bislang vorlag. Zwar hat die Landesregierung die Hüllen nicht fallen lassen – sie will sich ja zur anstehenden Landtagswahl als begehrenswert präsentieren – aber ein Blick dahinter genügt, viele Leerstellen zu orten…

IFKnorres Kabinettskollege – Finanzminister Heinrich Aller – liegt mit seiner Kostenschätzung immerhin schon 200 Mio. Euro darüber (s. Gegenwind Nr. 185). Doch der war bezeichnenderweise mit der Beantwortung von Kleins Anfrage nicht befasst. Hat der Landesvater Sigmar Gabriel, der sich ja in den gegenwärtig inszenierten Lügendebatten als Unbelasteter zu profilieren sucht, ihm bis zur Landtagswahl einen Maulkorb verpasst?
Nach der Wahl wird der (nächste) niedersächsische Kassenwart wohl einen Bettelbrief an die Bundesregierung verfassen müssen, in dem er klagt, dass das Land mit der Finanzierung des JadeWeserPort überfordert sei. Dazu wird er die Hosen runterlassen müssen, indem er den vollen Umfang der Kosten auflistet und offenbart, dass sich die Ausgaben für den Port nur zu einem geringen Teil durch Einnahmen des Landes refinanzieren lassen. Die Vorlage für seinen Brief kann er sich bei seinem bremischen Ressortkollegen Hartmut Perschau besorgen. Der hat kürzlich einen Finanzbericht verfassen lassen und darauf hingewiesen, dass Bremens Landeskasse jährlich rund 100 Mio. Euro Verluste mit ihren Häfen macht.
Deshalb bittet er um mehr Geld vom Bund bzw. aus dem Länder-Finanzausgleich. Als Grund gibt er an:
Die Häfen des Zweistädtestaates erfüllen eine wichtige Funktion für die gesamte deutsche Volkswirtschaft. Die stellen eine leistungsfähige Seehafeninfrastruktur bereit und sichern damit die Wahrnehmung außenwirtschaftlicher Aufgaben der exportorientierten Bundesrepublik Deutschland. Gleichwohl können die daraus resultierenden haushaltswirksamen Einnahmen die Ausgaben für die Investitionen und den laufenden Betrieb dieser modernen Hafenanlagen nicht decken. Hinzu kommt, dass die hafenabhängigen Einnahmen aus Gründen des Wettbewerbs insbesondere mit den niederländischen und belgischen Häfen Rotterdam und Antwerpen nicht beliebig steigerbar sind. Die verbleibende Differenz zwischen den hafenabhängigen Ausgaben und Einnahmen (Nettohafenlasten) müssten ohne eine Beteiligung durch den Bund oder die Länder allein aus dem Bremischen Haushalt getragen werden. Dieses wäre aufgrund der Tatsache, dass die Häfen Nutzen erzeugen, die unbestreitbar zu Vorteilen außerhalb des Standortes führen (Spillover Effekte), keine sachgerechte Finanzierung.
Das erinnert stark an die Nationale Aufgabe, von der unser OB Eberhard Menzel hinsichtlich des JadeWeserPort zuweilen schwadroniert.
Nationale Aufgaben werden schon mal zu Grabe getragen, z.B. die deutsche Steinkohleförderung oder auch die deutsche Seeschifffahrt. Im schrankenlosen internationalen Wettbewerb – Stichwörter EU und Globalisierung – werden staatliche Überlebenshilfen zunehmend zum kostspieligen Anachronismus. An einem anderen Krankenlager wird an der solidarischen Sozialversicherung – einer von Bismarck eingeführten nationalen Aufgabe zur Immunisierung der Arbeiter gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie – so lange herumgedoktert, bis sie reif ist für die Überweisung an die Couponschneider (neudeutsch: Shareholder) global agierender Versicherungskonzerne und Pensionsfonds.
Doch zurück zur Sache: Wenn dieses anarchische Hafenbautreiben nicht bald in Länder übergreifende, verschlankte Bahnen gelenkt wird, dann könnte es an der Deutschen Bucht eines nicht allzu fernen Tages ein böses Erwachen geben. Denn weshalb sollten sich Bayern oder Baden-Württemberg in alle Ewigkeit bereit finden, für die Küstenländer (immer mehr) Geld herauszurücken, wo doch einige Mittelmeerhäfen für sie genauso nahe liegen wie die deutschen an der Nordsee? Zudem könnten sie auf die vor zwanzig Jahren im Ansatz stecken gebliebenen küstenweiten Industrialisierungsversuche am seeschifftiefen Wasser verweisen, bei der allein an der Jade 4.000 Millionen Mark verbraten wurden…
Wenn die Küstenländer nicht bald zu Potte kommen mit einer gemeinsamen, will heißen kosten- und ressourcensparenden gemeinsamen Hafenstrategie, dann sollten wir uns – statt auf eine Initialzündung für die Wirtschaft – auf eine Abwicklungswelle gefasst machen. Denn dieser Umgang mit Steuergeldern, auf 115 km Luftlinie in drei defizitäre Containerhäfen für Mega-Carrier samt Zufahrten und landseitig engmaschig vernetzten, multimodalen Verkehrsverbindungen zu investieren und sie zu unterhalten, dürfte angesichts prekärer Haushaltslagen kaum noch lange durchzuhalten sein. Der Bund und vor allem die Binnenländer werden die anwachsende Alimentierung nicht in alle Ewigkeit fortsetzen wollen. Insbesondere letztere sind auf kostenträchtige deutsche Häfen genauso wenig angewiesen wie die Küstenländer auf teure deutsche Steinkohle. Und deutsche Reeder gehen eh von der Fahne, wenn sich durch Eintragung in Billigregister Geld sparen lässt. Vergleichbares dürfte auch für den avisierten Betreiber des JadeWeserPort – die Eurogate – gelten: Wenn der Port zu wenig Rendite abwirft, wird sie ihre Umschlaganlagen und -geräte wieder einpacken und an einem lukrativeren Hafenstandort wieder aufstellen.

 

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