Irak 8
Apr 032003
 

Antiamerikanismus: Fuck the USA?

Auf der Anti-Irakkrieg-Kundgebung am 27. März meldete sich ein junger Demonstrant zu Wort und machte unmissverständlich klar, dass es ihm völlig egal sei, ob er des Antiamerikanismus bezichtigt werde. Das, was momentan im Irak geschieht, veranlasste ihn zu den herben Worten: Fuck the USA, Fuck Bush!

Von einem etwas gesetzter wirkenden Mitdemonstranten wurde er daraufhin scharf in die Schranken verwiesen.
Genau so häufig, wie sich Anti-Kriegsdemonstranten versichern, dass sie natürlich auch gegen Saddam seien, betonen sie, nicht antiamerikanisch zu sein. Warum sie das tun, weiß eigentlich keiner – aber anti-amerikanisch zu sein muss ganz etwas Schlimmes sein.
In der Frankfurter Allgemeinen erschien am 2.10.2002 ein Artikel, in dem sich die indische Schriftstellerin Arundhati Roy mit dem Antiamerikanismus auseinander setzte:
Jene, die in den letzten Wochen Kritik an der amerikanischen Regierung geübt haben, wurden des Antiamerikanismus bezichtigt. Dieser Begriff erhält gegenwärtig die Weihen einer Ideologie. Gewöhnlich verwendet das amerikanische Establishment diese Bezeichnung, um seine Kritiker zu diskreditieren und ihnen ein (nicht völlig falsches, eher: ungenaues) Etikett zu verpassen. Sobald jemand als Antiamerikaner abgestempelt ist, kann der Betreffende damit rechnen, umstandslos verurteilt zu werden, und sein Argument wird im Aufschrei eines verletzten Nationalstolzes untergehen. Was bedeutet Antiamerikanismus? Dass man nicht gern Jazz hört? Dass man gegen Meinungsfreiheit ist? Dass man nicht für Toni Morrison oder John Updike schwärmt? Bedeutet es, dass man die Hunderttausende von Amerikanern nicht bewundert, die gegen Atomwaffen demonstriert haben? Oder die Tausende von Kriegsdienstverweigerern, die ihre Regierung zwangen, sich aus Vietnam zurückzuziehen? Bedeutet es, dass man alle Amerikaner hasst?
Diese raffinierte Vermengung von amerikanischer Musik, Literatur, der atemberaubenden Schönheit des Landes, den einfachen Vergnügungen der einfachen Leute mit der Kritik an der Außenpolitik der amerikanischen Regierung ist eine bewusste und außerordentlich wirkungsvolle Methode. Es erinnert an eine zurückweichende Truppe, die in einer dichtbevölkerten Stadt Unterschlupf sucht, in der Hoffnung, der Feind werde aus Sorge vor zivilen Opfern von einem Beschuss absehen. Zum vollständigen Artikel von Arundhati Roy
Viele Amerikaner wären verärgert, wenn man sie mit der Politik ihrer Regierung identifizierte. Die nachdenklichsten, schärfsten, bissigsten und geistreichsten Kommentare über die Heuchelei und die Widersprüche der amerikanischen Politik stammen ja gerade von den Amerikanern selbst. … Jemandem Antiamerikanismus vorzuwerfen, ist Ausdruck eines Mangels an Phantasie, der Unfähigkeit, die Welt anders zu sehen als in der vom Establishment vorgegebenen Weise: Wer nicht gut ist, ist böse. Wer nicht für uns ist, ist für die Terroristen.
Wissen die Leute, die uns heute „Anti-Amerikanismus“ vorwerfen, eigentlich, was Amerikanismus ist? Wissen Sie es, weißt du es? In den einschlägigen Nachschlagewerken ist dazu keine Definition auffindbar.
Es gibt einen fassbaren Anti-Amerikanismus in den Ländern der 3. Welt, die sich dagegen wehren, dass ihrer Tradition ein westliches Weltbild verordnet wird, es gibt in Europa Widerstände gegen die Amerikanisierung der Wirtschaftsordnung – all das mag ja anti-amerikanisch sein – doch der Kampf gegen den Krieg kann nie anti-amerikanisch sein.

Hannes Klöpper

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