Ho|te|lis|mus der, [frz. Hôtelisme] (psych., med., päd.), der durch vielfältige Faktoren ausgelöste Zwang, für imaginäre Gäste Beherbungspotentiale zu schaffen. Betroffen sind in erster Linie Menschen mit ausgeprägten idealistisch-utopischen Visionen, oft mit wahnhafter Komponente. Der H. kann dazu führen, dass ganze Landstriche für das Beherbungsgewerbe nutzbar gemacht werden. Vereinzelt sind vom H. befallene Menschen beobachtet worden, die selbst vor der Zerstörung charakteristischer Bauten nicht Halt machten. Der H. war bis vor wenigen Jahren in erster Linie ein Problem in Gegenden mit hoher Sonneneinstrahlung (europ. Mittelmeergebiet). Heute wird vom H. auch aus kühleren Regionen Europas berichtet. H. zu heilen bzw. die Symptome zu unterdrücken wird als sehr schwierig bezeichnet. Der Ausbruch des H. geht meist mit einer ansteckenden Euphorie einher, die in der Lage ist, für einen völligen Realitätsverlust der Euphorisierten zu sorgen. Als Sofortmaßnahme wird ein Realitätsrückgewinnungsprogramm empfohlen. Als besonders erfolgreich hat sich das gemeinsame Lesen des Gegenwind erwiesen.
Wilhelmshaven macht seine Hausaufgaben
(hk) Wenn man selbst all das glaubt, was man sagt bzw. was einem gesagt wird, dann werden alle Hindernisse beseitigt, um dem, was einem erzählt wird, ein kuscheliges Bett zu bereiten. Wilhelmshavens Verwalter und Politiker glauben nicht nur an die hochgerechneten Umschlagszahlen des JadeWeserPorts, sie glauben auch an die astronomischen Zahlen neu entstehender Arbeitsplätze, und sie glauben, dass Wilhelmshaven in wenigen Jahren das Zentrum für den Containerumschlag von Quingdao über St. Petersburg bis Spitzbergen sein wird.
Doch die infrastrukturellen Voraussetzungen für ein Rotterdam an der Jade sind ausgesprochen mies. Die Wilhelmshavener Hotelszene ist da wohl eher als behäbig und ein wenig veraltet zu bezeichnen. Eine Stadt mit diesen Zukunftsaussichten braucht Vorzeigeobjekte, braucht Hotels, die technisch und komfortmäßig voll auf der Höhe sind – Hotels, die alle Wünsche der Manager der Hochfinanz erfüllen. Multimedial müssen sie zumindest sein. Also wird geplant.
Das „Multi-Business-Center Wilhelmshaven“ soll an der Jadestraße, südlich der Wiesbadenbrücke, entstehen. Die Planungen sind weit vorangeschritten. Ende Juni 2003 wurde gar schon ein Modell dieses Objekts präsentiert. Betreiber des Hotels wird die weltweit agierende Hotelkette „Holiday Inn“ sein.
16 Millionen Euro wollen die künftigen Betreiber in das Projekt stecken. Und das wird ein Hotel, wie es Wilhelmshaven noch nicht gesehen hat: „120 Zimmer und sechs Suiten, Konferenzräume und Businesscenter, Vortrags- und Ausstellungsräume, Spezialitätenrestaurant, Dach- und Seeterrasse, Casino, Bar und Diskothek, Hallenbad….“ das alles wird es im 5-geschossigen Hotel am Großen Hafen laut Wilhelmshavener Zeitung vom 29. Juli 2003 geben.
Baubeginn fürs Holiday Inn soll am 1. Juni 2004 sein – die Eröffnungsfeier soll dann im Frühjahr 2006 stattfinden.
Die Impulse für den Hotelneubau kommen nach Angaben des Planers Dipl.-Ing. Rüdiger Tober aus den Planungen für den JadeWeserPort – das Hotel soll also fertig sein, bevor sich am JadeWeserPort etwas tut? Wir lassen uns überraschen.
Kennen Sie das Hotel Burj al Arab in Dubai? Das einfachste Doppelzimmer kostet dort ca. 700 Euro. Diese Preise werden sich am Südstrand und im benachbarten Bremerhaven wohl nicht realisieren lassen. Doch in beiden Städten ist je eine Kopie dieses Luxushotels geplant.
In Bremerhaven plant die BIS, die Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung, die Kopie des Burj el Arab-Hotels, in Wilhelmshaven steckt wohl Bullermeck (Betreiber des Aquariums) dahinter.
Im Gegensatz zum 5- oder 6-geschossigen Holiday Inn an der Jadestraße will das Jade-Port-Hotel hoch hinaus: Über 50 Meter hoch soll das Hotel über der Deichlinie enden. Der imposante Plan ist unter der Überschrift „Hier entsteht in Kürze“ im Schaufenster im Eingangsbereich der Bullermeck-Strandhalle zu bewundern.
Arend Roland Rath, unser sozialdemokratischer Seeräuber, muss für dieses Projekt seinen Laden räumen. Es wäre ja auch zu schade, wenn ein Hotel mit Billigpreisen für Jugendliche und für Gruppen einen solchen Platz belegt. Es ist ja bekannt, dass diese Jugendlichen nicht mit prall gefülltem Geldbeutel an den Jadebusen reisen – also weg damit! Herrn Rath wird mit Sicherheit in einer Stadt ohne Jugendherberge ein ansprechendes Domizil für sein Jugendhotel angeboten werden – doch Zigeunermusik wird es auf der Südstrandpromenade dann wohl erst mal nicht mehr geben!
Der geplante Hotelneubau mit einer ähnlichen Ausstattung wie das oben beschriebene „Multi-Business-Center Wilhelmshaven“ passt sich besser als andere vorgelegte Planungen in das Gesamtbild des Südstrandes ein – so stand es am 5. April 2003 in der Wilhelmshavener Zeitung. Auch wenn die seeseitigen Balkone der Hotels am Südstrand viel zu klein sind, auch wenn die Zimmer und der Komfort nicht den Ansprüchen der Mallorca- und Türkei-Urlauber entsprechen – diese Zeile auf dem Deich ist ein letztes Stück des charmanten Wilhelmshaven. Dieses Südstrandensemble um ein mehr als 50 Meter hohes Superhotel zu erweitern, lässt sich nur mit dem Wort Frevel bezeichnen.
Doch den Wilhelmshavener Verwaltern und Politikern ist alles Schlechte zuzutrauen – mit einem Federstrich musste Wilhelmshavens älteste Gaststätte McDonald’s weichen, die Seekartenstelle wurde platt gemacht, um einige Dutzend Parkplätze zu bekommen – in Kürze werden auf dem Gelände der Südzentrale wohl auch nur noch ägyptische Kartoffeln und Schweinehälften in neuen piekfeinen Kühlhallen lagern.
Und da soll es sogar Politiker aus dieser großen Hau-Weg-und-Klotz-Hin-Koalition geben, die sich darüber Gedanken machen, warum Wilhelmshavens Image wieder mal am Boden ist!
Ach ja – es gibt ja noch einen Hotelneubau – nordwestlich vom Siebethsburger Hof (heute Palazzo) wird ja auch noch ein Hotel gebaut… Verwunderlich ist, dass es bisher keine öffentlichen Reaktionen der Hotels in der Südstadt gab – Hotel Kaiser, City-Hotel Loheyde – die treten dann doch ins dritte Glied zurück. Nimmt man die Pläne dort etwa nicht ernst genug?
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