Schläfer in der Südzentrale
Jan 122015
 

Fledermäuse nutzen das gefährdete Industriedenkmal als Winterquartier

Bis Mitte April sind weitere Abbrucharbeiten untersagt

Feuchte Gemäuer sind bevorzugte Winterquartiere vieler Fledermäuse. Foto: Imke Zwoch

Feuchte Gemäuer wie Keller, Gewölbe oder Bunker sind bevorzugte Winterquartiere vieler Fledermäuse. Foto: Imke Zwoch

(red) Ende letzten Jahres hatten die Eigentümer der Südzentrale damit begonnen, Teile des Gebäudes abzubrechen. Aus diesem Anlass wurden sie von der Naturschutzbehörde der Stadt Wilhelmshaven daran erinnert, dass im Vorfeld solcher Arbeiten überprüft werden muss, ob sich geschützte Arten im Gebäude aufhalten. Bau- bzw. Abrissunternehmer müssen mit solchen Rechtsvorschriften vertraut sein. Speziell Fledermäuse, von denen alle heimischen Arten nach deutschem und europäischem Recht streng geschützt sind, nutzen solche alten Gebäude oft als Winterquartier.

Anfang Januar machte sich Klaus Börgmann, Naturschutzbeauftragter der Stadt Wilhelmshaven, gemeinsam mit Bernd Pannbacker, dem Fledermausbeauftragten der Stadt, auf die Suche, in Absprache mit dem Abrissunternehmer und in dessen Begleitung. Die Experten fanden gleich drei verschiedene Fledermausarten: Das Große Mausohr, die Fransenfledermaus und die Wasserfledermaus. Somit steht fest: Die Südzentrale ist ein Winterquartier für Fledermäuse. Das bedeutet, dass bis zum Ende des Winterschlafes Mitte April keine Arbeiten durchgeführt werden dürfen, die durch Lärm oder Erschütterungen die Tiere stören. Darüber wurden die Eigentümer auch schriftlich informiert.

Dabei wurden nur die Keller im nördlichen Gebäudetrakt inspiziert. Bei einer umfassenden Begehung würde vermutlich weitere Individuen, vielleicht auch weitere Arten entdeckt werden. Es ist ohnehin erstaunlich, dass die kleinen Schläfer trotz der Abrissarbeiten gerade an diesem Gebäudeteil noch vor Ort sind. Im Nachhinein lässt sich allerdings nicht mehr feststellen, wie viele Fledermäuse zuvor dort waren. Die Begehung hätte eigentlich stattfinden müssen, ehe die Bagger loslegten. Da die Eigentümer jedoch nichts in dieser Richtung veranlasst hatten, wurden sie von der Naturschutzbehörde der Stadt daran erinnert. Eigentlich sollte der Ortstermin schon vor Weihnachten stattfinden, wurde dann aber verschoben.

Zeit sinnvoll nutzen

Ein durch Fledermäuse bedingter Bau- oder Abrissstopp kommt öfter mal vor. Die Eigentümer der Südzentrale hatten die Abbruchabeiten ohnehin vor Weihnachten vorerst eingestellt und sind mit der Stadt und dem Verein zum Erhalt der Südzentrale wieder im Gespräch. Insofern sollten sie die aufgrund des Naturschutzgesetzes erfolgte Verfügung gelassen nehmen und zusammen mit allen Beteiligten die Zeit nutzen, um im besten Fall doch noch eine gemeinsame und für alle erfolgreiche Lösung zum Erhalt der Südzentrale zu finden.

 

Naturschutzfachlicher Hintergrund

 

Alle heimischen Fledermausarten zählen zu den besonders geschützten Arten nach Europäischem Naturschutzrecht. Sie sind im Anhang IV der FFH-Richtlinie (Fauna Flora Habitatrichtlinie) aufgeführt. Anhang IV ist eine Liste von Tier- und Pflanzenarten, die unter dem besonderen Rechtsschutz der EU stehen, weil sie selten und schützenswert sind. Weil die Gefahr besteht, dass die Vorkommen dieser Arten für immer verloren gehen, dürfen ihre Lebensstätten nicht beschädigt oder zerstört werden. Dieser Artenschutz gilt nicht nur in dem Schutzgebietsnetz NATURA 2000, sondern in ganz Europa. Das bedeutet, dass dort strenge Vorgaben beachtet werden müssen, auch wenn es sich nicht um ein Schutzgebiet handelt.

Im Bundesnaturschutzgesetz wird dem wie folgt Rechnung getragen:

§ 44
Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten
(1) Es ist verboten,
1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,

Niedersächsische Strategie zum Arten- und Biotopschutz

Mit der Strategie soll ein wesentlicher Beitrag für die Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt geleistet werden. Sie soll den zuständigen unteren Naturschutzbehörden als Handlungsgrundlage für die Zukunft dienen. Zur Umsetzung gibt es für die einzelnen Arten so genannte Vollzugshinweise der oberen Naturschutzbehörde (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz – NLWKN). Dort ist Interessantes zur Ökologie und zum Bestand der Arten nachzulesen. Weiterhin sind Ziele, Maßnahmen und Instrumente für ihren Schutz aufgeführt.

Spannend ist z. B., dass das Große Mausohr eigentlich überwiegend im südlichen Niedersachsen vorkommt, wobei die Verbreitungsgrenze in Höhe Bremen liegt. Im Tiefland wurden bislang nur vereinzelt Große Mausohren in Winterquartieren in optimierten Bunkern gefunden. Auf der Karte findet sich ein Eintrag in Friesland, westlich vom Stadtgebiet Wilhelmshaven. Insofern ist der Fund in der Südzentrale zusätzlich von besonderer Bedeutung.

 

 

 

 

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