Wendepunkt 1
Mai 141999
 

Essen für Kinder

Ein neues – zusätzliches – Angebot des Vereins “Wendepunkt e.V.”

(noa) Regelmäßigen Gegenwind-LeserInnen ist der “Wendepunkt” bekannt als ein Verein, der im Auftrag der Stadt Wilhelmshaven Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz anbietet. Eltern, die mit der Erziehung überfordert sind, haben nach diesem Gesetz Anspruch auf Hilfe und Beratung. Diese Aufgabe überträgt die Stadt Wilhelmshaven dem Wendepunkt.

Seit kurzem hält dieser Verein ein weiteres, über die Pflichtaufgaben einer Kommune hinausgehendes Angebot vor, das “Essen für Kinder”. ErzieherInnen und LehrerInnen wissen, wie viele Kinder häufig oder immer ohne Frühstück zum Kindergarten bzw. zur Schule kommen, und zumindest in Kindertagesstätten ist das gemeinsame Frühstücken längst üblich. Viele Kinder bekommen aber auch mittags und abends keine ausreichende Mahlzeit, sei es, weil die Eltern sich frische Lebensmittel nicht leisten können, sei es, weil die Arbeitszeiten der Eltern oder die Belastung durch mehrere Kinder die Familien zu Dosennahrung verurteilt.

Im Rahmen der Sozialpädagogischen Familienhilfe und der Gruppenarbeit bekommen die Wendepunkt-MitarbeiterInnen immer wieder Einblick in die Ernährungssituation von Kindern aus einkommensschwachen Familien. Die Idee, allen betroffenen Kindern einigermaßen regelmäßig eine gesunde warme Mahlzeit zu ermöglichen, bewegen die KollegInnen schon lange in ihren Köpfen. Nach langer Planungsphase ist es jetzt so weit.

Seit dem 22. April gibt es jeden Donnerstag in der Schule Bremer Straße und seit dem 27. April jeden Dienstag in der Wasserturmschule Mittagessen für Kinder. Möglich ist das durch die Zusammenarbeit mehrerer Einrichtungen. Einmal wöchentlich kocht das Institut Freund 20 zusätzliche Essen, und einmal wöchentlich kocht die Arbeitsplatzinitiative für Frauen (API) 20 Mahlzeiten aus Lebensmitteln, die der Wendepunkt dorthin liefert. Es handelt sich um frische Ware, die die “Wilhelmshavener Tafel e.V.” von Lebensmittelgeschäften erhält. Die “Tafel” sorgt auch für den Transport zu den Schulen. Die Wasserturmschule hat eigenes Essgeschirr, für die Bremer Schule hat der Wendepunkt welches angeschafft. Angesichts der Vielzahl von Beteiligten ist klar, dass es guter Planungs- und Koordinierungsarbeit bedarf, um das Essen zuverlässig bereitstellen zu können.

20 Mahlzeiten jeweils können mit den gegenwärtig vorhandenen Mitteln und ehrenamtlichen HelferInnen ausgeteilt werden. Und die Kinder nehmen sie gern an. Für den ersten Tag des Projekts haben sich nur neun Kinder zum Essen angemeldet, aber es wurden von Woche zu Woche mehr, so dass die bisher gegebene Kapazität inzwischen voll genutzt werden kann.

Angeregt durch Lehrkräfte der beiden Schulen, in deren Räumlichkeiten gegessen wird, kostet eine Mahlzeit 0,50 DM für die Kinder, die diese Summe aufbringen können. Dahinter steckt die Überlegung, dass für viele das, was nichts kostet, auch nichts wert ist. Außerdem bewahrt die ins bereitstehende Sparschwein gesteckte kleine Spende die Kinder davor, sich als “arm” outen zu müssen. Von dem Erlös kann ggfs. kaputtes Geschirr nachgekauft, können Getränke oder mal ein Nachtisch finanziert werden. Das regeln allerdings die Schulen; Wendepunkt, API, Tafel und Freund sehen davon nichts.

Natürlich gibt es in Wilhelmshaven mehr als 40 Kinder, denen eine vollwertige Mahlzeit wenigstens einmal in der Woche gut tun würde (siehe Kasten). Bis jetzt haben Schüler und SchülerInnen der beiden Schulen, informiert von Lehrkräften bzw. Schulsozialarbeitern, am Essen teilgenommen. Um alle bedürftigen Kinder zu erreichen, müsste das Projekt noch erheblich ausgeweitet werden. E. Skibba, die Projektleiterin, führt z.Zt. Gespräche mit weiteren Sponsoren. Dringend notwendig für eine Erweiterung sind aber auch zusätzliche ehrenamtliche Helfer und Helferinnen.

Spendenkonto: Sparkasse Wilhelmshaven Konto 2433449 “Essen für Kinder”

Arme Kinder
In Wilhelmshaven wurde im September 1998 in 3542 Fällen (mit 7238 Personen) Sozialhilfe gezahlt. 1267 dieser Personen waren unter 7 Jahre alt; 1103 waren 7 bis unter 14 Jahre alt; 455 waren 14 bis unter 18 Jahre alt. Über 2800 Kinder und Jugendliche in dieser Stadt sind also anerkanntermaßen arm.
Zwischen 270.- und 485.- DM – je nach Alter – wird an diese Kinder und Jugendlichen gezahlt, wobei das Kindergeld auf die Sozialhilfe angerechnet wird, dieser Personenkreis von einer Anhebung des Kindergeldes also nicht profitieren wird.
In 60% der Sozialhilfefälle geht es um allein erziehende Mütter. Sie erhalten für sich den Regelsatz für den Haushaltsvorstand (539 DM) zuzüglich Alleinerziehendenzuschlag (40% des Regelsatzes bei ein bis drei Kindern, 60% bei vier und mehr Kindern). Angesichts dessen, dass nach Berechnungen des Deutschen Kinderschutzbundes die monatlichen Aufwendungen für ein Kind 700 bis 900 DM betragen, kann man sich vorstellen, worauf arme Kinder verzichten müssen.

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