30 Jahre Pumpwerk
Jan 272006
 

Wie steht das Pumpwerk heute da?

(hk) Zusammen mit einigen hundert geladenen Gästen feierten auch zwei GegenwindlerInnen das Jubiläum des Wilhelmshavener Vorzeigeobjektes an der Deichbrücke. Aufgemacht im Stil einer Schickeria-Party (gedämpfter Live-Jazz [piano/sax], ein „flying Buffet“, 30 Jahre Pumpwerk als PowerPointPräsentation, alle Getränke frei) kam das berühmte Pumpwerk-Feeling nur bei der Rede des Oberbürgermeisters im Ansatz zum Tragen.

30 Jahre PumpwerkPumpwerk 2Eingeleitet wurde der Abend von einem Vortrag der Wilhelmshavener Touristik- und Freizeit-Vorsitzenden und Gastgeberin Aida Kleinschmidt.
Frau Kleinschmidt manifestierte in ihrer Rede die Entwicklung, die das Pumpwerk in den letzten Jahren mitgemacht hat – von einem Kultur- und Kommunikationszentrum zu einer Dependance der Stadthalle. Das Pumpwerk ist dann ja auch genau den Weg gegangen, den Frau Kleinschmidt schon bei ihrer Amtseinführung beschrieben hatte. Aus dem Pumpwerk wurde ein eiskalt durchkalkulierter und betriebswirtschaftlich ausgerichteter Veranstaltungsort, an dem die Agenturen ihre Freude haben.
Das Positive an Frau Kleinschmidt ist, dass sie sich gar nicht erst bemüht, die Bedeutung des Pumpwerks für die Wilhelmshavener Bevölkerung zu verstehen. Sie macht eben ihren Job auch in der Jubiläumsrede.
Ganz anders kam Wilhelmshavens Oberbürgermeister Eberhard Menzel daher. In seiner Rede merkte man, dass er wirklich einen Großteil seiner freien Zeit im Pumpwerk verbracht hatte, dass er die Auseinandersetzungen der damaligen Zeit nicht nur vom Hörensagen kennt. Man konnte bei ihm spüren, dass ihm bewusst war, was das Pumpwerk für Wilhelmshaven und letztendlich auch für die bundesweite Entwicklung der sozikulturellen Zentren bedeutete.
Wir zitieren rückblickend aus einem Gegenwind-Artikel vom Januar 2004:
1976 wurde das alte Pumpwerk an der Deichbrücke zum Kulturzentrum. Es wurde ein Programm angeboten, wie es die Republik noch nicht gesehen hatte. Jazz, Punk und Rock, Informationsveranstaltungen zu Atomkraft, Chemie, Schulen, Militarismus, Schwulen, Rassismus, Internationalismus. Filme, die sonst nirgends eine Chance hatten, gezeigt zu werden. Kabarett und Theater vom Feinsten oder auch einfach von der Straße.
Pumpwerk 3Und so dauerte es auch nicht lange, bis sich die unterschiedlichsten Wilhelmshavener Gruppen das Pumpwerk als ihre Heimat aussuchten. Umweltschutzbewegung, Vereine verschiedenster Nationalitäten, die Friedensbewegung, alternative Zeitungen – sie alle fanden im Pumpwerk nicht nur Räume, um sich zu treffen, sie fanden hier auch Leute, die sich dafür einsetzten, dass die Interessen der Gruppen einen Weg in die Öffentlichkeit fanden.
Das Konzept, dass all die Gruppen, die sonst in der Gesellschaft kaum Gehör fanden, sich im Pumpwerk treffen konnten und gleichzeitig auch noch durch ein Mitarbeiter-Team unterstützt wurden, um ihre Vorstellungen auch öffentlich zu machen, machte Furore in der Republik.
Es fanden, überspitzt gesagt, regelrechte Wallfahrten nach Wilhelmshaven statt, um Genaueres über das Pumpwerk-Konzept zu erfahren. Unzählige Kulturzentren wurden nach dem Vorbild des Pumpwerks aufgebaut!
Widerlich stinkende Toiletten in einem Nebengebäude, unzumutbare Verhältnisse für die Akteure und viele andere Kleinigkeiten sorgten 1990 dafür, dass das Pumpwerk umgebaut wurde. Auf unsere Frage, ob mit dem bevorstehenden Umbau auch konzeptionelle Änderungen einhergehen, antwortete der damalige Geschäftsführer der FREIZEIT, Rüdiger Kramp: „Wir wären schön blöd, wenn wir das, was sich in 12 Jahren Pumpwerk bewährt hat, verändern würden.“
Das „neue“ Pumpwerk präsentierte sich nicht nur im neuen Outfit, auch programmatisch änderte sich einiges: Es wurde jetzt mehr Wert darauf gelegt, dass die Veranstaltungen sich rechnen, die politisch arbeitenden Gruppen hatten sich aus dem Pumpwerk zurückgezogen (u.a. auch, weil es keine Räume mehr gab), das Pumpwerk wurde fester Bestandteil der Planung der Tournee- und Konzertagenturen. Das Pumpwerk als Anlaufpunkt, als Treffpunkt, wo man einfach mal so hinging, hatte aufgehört zu existieren. Das Programm wurde ausgedünnt, das Pumpwerk war monatlich an mehr Tagen geschlossen als geöffnet.
Der endgültige Niedergang des Pumpwerks als soziokulturelles Zentrum wurde dann mit der neuen Preispolitik der WTF eingeläutet. Die Chance für Bürgerinitiativen, Theatergruppen oder andere Interessenten, ihre Vorstellungen in der Öffentlichkeit zu präsentieren, wurde durch die ausschließlich betriebswirtschaftliche Sichtweise der neuen WTF-Geschäftsführerin Aida Kleinschmidt auf den Nullpunkt gesenkt.
Was das Pumpwerk für die Entwicklung Wilhelmshavens bedeutete verdeutlichen die Auszüge aus dem Pumpwerkprogramm vom Juli 1978.

 

Pumpwerk 1Auch wenn es nicht so klingt: Wir sind froh, dass es in Wilhelmshaven das Pumpwerk gibt, denn es ist natürlich mehr als nur eine Dependance der Stadthalle, wie wir es weiter oben geschrieben haben. Und es sind nicht nur die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Kalli über Stefan und Helmut zu Tasso, die jeden Pumpwerk-Besuch zu einem Erlebnis werden lassen. Es ist der Geist des Aufbruchs, der noch immer durch das Gebälk des Pumpwerks weht, der Geist, der sich weder durch Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen noch durch die teuren Parfüms der Banker und Manager, die es schick finden, im Pumpwerk zu tagen, vertreiben lassen.
Unseren Artikel im Gegenwind 195 hatten wir „Pumpwerk – das waren wir!“ überschrieben. Das muss auch für die Zukunft gelten!

 

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