1-Euro-Jobs
Sep 272006
 

Verarscht!

Wer glaubt noch an den Weihnachtsmann?

(noa) Arbeitsgelegenheiten, kurz AGH, besser bekannt als „1-Euro-Jobs“, sollen laut Hartz IV zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitmarkt beitragen. Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2004, also vor Inkrafttreten des Gesetzes, wurden Befürchtungen laut, dass sie diesen Zweck nicht erfüllen werden, sondern sogar außerdem Jobkiller sind.

Vieles deutet darauf hin, dass es so auch tatsächlich gekommen ist.
Dass Arbeitsgelegenheiten eigentlich dazu dienen sollen, Arbeitsentwöhnte wieder an die Arbeit heranzuführen, Arbeitsunwillige zur Arbeit zu erziehen, davon ist schon lange keine Rede mehr. Von Anfang an war es so, dass Menschen, die schon lange ohne Erwerbsbeschäftigung waren und dringend arbeiten wollten, sich um die AGH geradezu gerissen haben. Zur Zeit des letzen „Frühjahrsputzes“ der WZ hörte ein Gegenwindleser zufällig, wie ein 1-Euro-Jobber über diese Aktion schimpfte: „Die nehmen uns die Arbeit weg!“ Die wenigen Langzeitarbeitslosen, die in Wirklichkeit nicht arbeiten wollen und sich auf Kosten der Allgemeinheit durchs Leben nieseln wollen, schaffen das auch weiterhin.
„Zusätzlich“ und „gemeinnützig“ sollen die Tätigkeiten sein, die Langzeitarbeitslose gegen eine Mehraufwandsentschädigung von einem Euro oder auch 1,50 € pro Stunde im Prinzip höchstens für ein halbes Jahr, nur in Ausnahmefällen auch länger, im Prinzip höchstens 4 Stunden am Tag, in Ausnahmefällen auch mit längerer Arbeitszeit verrichten sollen. „Zusätzlich“, das heißt, dass es sich um Arbeiten handelt, die normalerweise, also ohne AGH, gar nicht getan würden. Bezogen auf die Stadt Wilhelmshaven als Trägerin und Nutznießerin von AGH wird sehr laut darüber getuschelt, dass sie das Kriterium der Zusätzlichkeit dadurch erfüllt, dass sie erst Leute entlassen oder nach Verrentung nicht ersetzt hat, um dann zu sagen, die Arbeit, die nun nicht mehr verrichtet wurde, sei „zusätzlich“. Ein Blick in die Liste der „Arbeitsgelegenheiten 2006“ zeigt, dass dieses Getuschel zu stimmen scheint:: Zwei Arbeitskräfte reinigen in Trägerschaft der Stadtwerke die Grünflächen auf dem Gelände des City-Hallenbades; drei arbeiten im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus auf dem Gelände des Rosariums (Träger: GAQ, eine städtische Gesellschaft); 40 (vierzig!) verrichten im Bereich von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden und Anlagen Gärtnerarbeiten, schneiden Bäume zurück, zupfen Unkraut, mähen Gras (Träger: wieder die GAQ). Dies sind Arbeiten, die eigentlich dem Grünflächenamt obliegen. Doch das besteht, betrachtet man die Personalstärke, genau genommen gar nicht mehr.

Ist Lohnkostensparen „gemeinnützig“?

Über 40 teilzeitbeschäftigte GärtnergehilfInnen, für die kein Lohn zu zahlen ist, ersetzen ca. 30 bezahlte Kräfte. Das spart! Denn die 1,50 € pro Stunde, die sie bekommen, stammen ja aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, und die Stadt „hat keinen Pfennig dazubezahlt“. Wieviel sie zusätzlich zum eingesparten Lohn an ihnen verdient, konnten wir nicht ermitteln. Das Gesetz sieht „Regiemittel“ bis zu 500 € pro Arbeitskraft monatlich für die Träger von AGH vor; wir erfuhren aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen, hier in Wilhelmshaven seien es 350 €. Doch da uns ein nicht-städtischer Träger von AGH glaubwürdig versichert, keine „Regiemittel“, sondern nur die Mehraufwandsentschädigung, die an die Ein-Euro-Jobber auszuzahlen ist, zu kassieren, müssen wir entweder annehmen, dass es im Bereich des Job-Centers Wilhelmshaven grundsätzlich keine gibt – oder dass manche Träger welche bekommen, andere hingegen nicht.
„Gemeinnützig“ sollen die Arbeiten, die Ein-Euro-Jobber erledigen, außerdem sein. Gut, das kann man bei der Pflege öffentlichen Grüns ebenso wenig in Zweifel ziehen wie bei dem Einsatz von AGH-Kräften im sozialpädagogischen und pflegerischen Bereich. Aber ist Letzteres denn auch „zusätzlich“?

Was ist „zusätzlich“?

An einigen Wilhelmshavener Schulen arbeiten Ein-Euro-Kräfte. An der IGS macht eine Kraft mit 30 Wochenstunden „Schülerbetreuung im handwerklichen Bereich“. Auch als Pausenaufsichten und zur Betreuung kranker Schulkinder sind AGH-Kräfte an der IGS tätig. An der Grundschule Altengroden sind vier Kräfte mit je 30 Stunden als „Computerlotse“, als Lehrkräfte für gesunde Ernährung und mit Arbeit in der Schulbücherei beschäftigt. An der Freiherr-vom-Stein-Schule betreuen AGH-Kräfte SchülerInnen in den Nachmittagsstunden, die Oldeoogeschule nennt eine AGH zur Hausaufgabenbetreuung ihr eigen, und an der Hafenschule und der Nogatschule, die auch Kinder mit Behinderungen aufnehmen, arbeiten AGH-Kräfte als Integrationshelfer.
Dieses zuletzt genannte Beispiel wirft am deutlichsten die Frage auf, ob es tatsächlich zusätzliche Arbeit ist. Da arbeitet z.B. ein Ergotherapeut als Integrationshelfer mit einem behinderten Jungen, während voll bezahlte Erzieherinnen andere behinderte SchülerInnen betreuen. Ist die Arbeit des Ergotherapeuten „zusätzlich“ in dem Sinn, dass der betroffene Junge ansonsten keine Integrationshilfe bekäme?
Beim „Einstellungsgespräch“ hat die Schulleiterin dem Ergotherapeuten gesagt, wie wichtig es ist, dass er regelmäßig und pünktlich kommt. Eine solche Arbeit erfordert Kontinuität, das Kind gewöhnt sich an seinen Integrationshelfer, da sollte man schon zuverlässig sein. Doch wie ist es damit zu vereinbaren, dass man für eine solche Arbeit einen Ein-Euro-Jobber nimmt? Der ja nur für sechs Monate, höchstens ein Jahr beschäftigt werden darf?
An der Schule, an der dieser Ergotherapeut als AGH-Kraft tätig ist, wurde übrigens zum Beginn des laufenden Schuljahrs ein Ergotherapeut in einem sozialversicherten Arbeitsverhältnis eingestellt. „Unser“ Ergotherapeut hatte sich auf diese Stelle beworben. Schließlich sollen die AGH ja die Eingliederung Arbeitsloser fördern…
Verarscht! Er bekam die Stelle nicht.

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