§ 218
Aug 021993
 

Abtreibung als Geldstrafe

Zwangsberatung und hohe Abtreibungskosten – das Urteil des Bundesverfassungsgerichts trifft besonders arme Frauen

(hh/ub) Das Urteil der Karlsruher Richter zum Paragraphen 218 definierte einen Schwangerschaftsabbruch als rechtswidrig aber straffrei. Dies bot die Grundlage zur Abschaffung der Krankenkassenfinanzierung und stellt somit faktisch eine Geldstrafe für abtreibende Frauen dar. Gespräche mit Pro Familia, dem Sozialamt und der AOK beleuchten die aktuelle Situation in Wilhelmshaven.

Seit dem 16.6. dieses Jahres muß jede Frau, die nicht wegen medizinischer, embryophatischer oder kriminologischer Indikation einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen will, diesen selbst bezahlen. Auch die Beratungspraxis hat sich geändert. Zu Beratende müssen künftig in einer Art Protokoll Angaben machen zu ihrem Alter, ihrem Familienstand, ihrer Staatsangehörigkeit, zu der Zahl ihrer früheren Schwangerschaften und Abbrüche und die Zahl ihrer Kinder. Sie müssen in der Beratung Grunde für einen Abbruch nennen und es wird ihnen ein Gespräch darüber angeboten. Weiterhin wird geklärt, ob die zu Beratende sich über die rechtliche Bedeutung eines Schwangerschaftsabbruches im klaren ist.

Der Gesetzgeber sieht ferner vor, dass auch der zum Abbruch entschlossenen Frau Alternativen zur Abtreibung, wie beispielsweise die Freigabe des Säuglings zur Adoption im Beratungsgespräch aufgezeigt werden müssen. Ein Freifahrtschein für alle selbst ernannten „Lebensschützer“, in einer für die betroffenen Frauen allemal schwierigen Situation zusätzlich psychischen Druck auszuüben!
Nach den Abtreibungsmöglichkeiten in Wilhelmshaven gefragt, erwähnte Frau Dr. Baumgarten, Leiterin von Pro Familia, daß sich diese Möglichkeiten täglich änderten. So würden im Reinhard-Nieter-Krankenhaus z.Zt. nur Abbrüche mit Indikationen durchgeführt, Ärztinnen im Krankenhaus Sanderbusch nähmen auch ohne Indikationen Abbrüche vor und das Willehad-Krankenhaus hätte als katholisches Krankenhaus noch nie Abbrüche gebilligt.
Wie gehen nun die Krankenkassen mit den Kosten einer Abtreibung um? In einem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit an die Krankenkassen heißt es: „… Des weiteren erhält die Schwangere auch im Falle des rechtswidrigen Abbruchs sämtliche krankenversicherungsrechtlichen Leistungen, die durch die Schwangerschaft veranlaßt sind, mit Ausnahme der Leistungen zum Abbruch selbst…“ Im Klartext heißt das, die Krankenkassen übernehmen nicht Kosten für beispielsweise die Narkose, den operativen Eingriff, Injektionen, Medikamente und Untersuchungen für die unmittelbare OP-Vorbereitung. Dazu kommen Sachkosten für Narkosemittel, Verbandmaterial, Desinfektionsmittel etc. Auch die Kosten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Krankengeld werden nicht übernommen. Die Kassen zahlen wohl Untersuchungen zur Feststellung des Schwangerschaftsalters, Laboruntersuchungen und Untersuchungen am ersten Tag nach dem Eingriff.

Die Frage nach einem ambulanten oder stationären Eingriff stellt sich dadurch bei vielen nicht mehr. „Das kann ja keiner mehr bezahlen“, so Frau Dr. Baumgarten in einem Telefonat mit dem GEGENWIND. Ein ambulanter Eingriff kostet in Wilhelmshaven um die 400 DM, bei Pro Familia in Bremen sind es 270 DM.
Frauen, die sich dennoch für einen stationären Abbruch entscheiden, weil beispielsweise eine entsprechende körperliche und psychische Regeneration im familiären Umfeld nicht möglich ist, müssen tiefer in die Tasche greifen. Der jeweilige Krankenhaustagessatz wird ihnen ohne Zuschuß der Krankenkassen voll in Rechnung gestellt.

Der Karlsruher Richterspruch – ein Dekret gegen die Armen!

Die Neufassung des Paragraphen 218 trifft besonders die erwerbstätigen Frauen, derer geringer Lohn dennoch die bekanntlich niedrigen Sozialhilfesätze deutlich überschreitet. Frauen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind oder solche, die ein sehr niedriges Einkommen haben, können dieses Geld vom Sozialamt erhalten. Um den betroffenen Frauen zu ersparen, mit diesem persönlichen Anliegen zu ihren SachbearbeiterInnen zu gehen, hat man sich dort auf eine Ansprechperson geeinigt, so Frau Gutschmidt, Leiterin des hiesigen Sozialamtes. Die Beratungsstellen wiesen schon auf diese Möglichkeiten hin. So ist es zum Beispiel für Frauen mit einem niedrigen . Einkommen, deren Männer nichts von dem Abbruch wissen sollen, möglich, diesen als ‚Hilfe in besonderen Lebenslagen‘ vom Sozialamt bezahlt zu bekommen.

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